How to Weihnachtsfest – 2021 Version

/
4 mins read
Start

Und, samma scho g‘impft? So oder so ähnlich könnte man in den Weihnachtsfeiertagen die Begrüßung beim Familienessen formulieren. Zumindest wenn man mit der Tür ins Haus fallen möchte. Die Rhetorik unseres mehrfach Alt-Kanzlers dürfte auch bei den ältesten Verwandten einen Flashback auslösen, und die Rutsche zu Themen wie Impfpflicht und die Neu-Neue-ÖVP ist gelegt. Dem Desaster unterm Weihnachtsbaum steht auch 2021 nichts mehr im Weg.

Sofern man etwas Feingefühl hat, sollte man die Impfdebatte heuer am Esstisch aber bleiben lassen. Zumindest wenn der Onkel, der einen schon vor Monaten auf Facebook blockiert hat, auch dabei ist. Aber man kann ja nicht kommentarlos die Scheiße im Facebook-Feed stehen lassen, die er so von sich gibt. Das erste Wiedersehen bleibt also spannend, nachdem man offiziell gecancelt wurde. Hier ergibt sich auch gleich die erste Gelegenheit, Boomern zu erklären, dass das Internet zwar nicht das Real-Life ist, irgendein Schwurblermist in der Timeline vermutlich aber mehr Auswirkungen auf das Beschäftigungsverhältnis hat als das besoffene Partyfoto von der 16er-Feier. Aber sei‘s drum, wer möchte denn schon dort arbeiten, wo Wert auf die Impfung gelegt wird. Spätestens im Februar 2022 wandert der Onkel sowieso aus und damit erledigt sich zumindest dieses Kapitel von selbst.

Der zweite Gang

Sofern sich jetzt bei niemandem eine Gabel im Oberschenkel befindet, kann man geschickt zum nächsten Thema des Abends übergehen – dem Essen. Denn wer kann denn nicht einmal im Jahr eine Ausnahme vom Veganismus machen und zum Rostbraten greifen. Immerhin wurden stolze 4 kg vom besten Stück aus dem Schlachthaus des Vertrauens gekauft. Man esse ja sowieso nur ganz selten Fleisch und wenn dann eh Bio. Außerdem schmeckt der Salat heuer wieder ganz hervorragend. Liegt aber daran, dass er mit Speck garniert wurde. Und für das Jogurtdressing gibt es schließlich auch keine vegane Alternative. Ich empfehle hier bereits im Vorhinein schon, die regionalen Lieferdienste genauer auszuforschen und den Warenkorb bereit zu halten.

Die Hauptmahlzeit

„Wer ist eigentlich gerade Kanzler?“, eignet sich als gute Frage, um das wirkliche Thema des Abends aufzutischen – Politik.
Ein neckisches: „Ich hab’s euch eh schon immer g’sagt“, ist mit Vorsicht zu genießen, aber nachvollziehbar. Schließlich hat man doch sehr lange darauf gewartet, endlich recht zu haben.
Mit dieser Aussage katapultiert man das Familienfest in noch nie dagewesene Dimensionen, Emotionen können nicht ausbleiben. Zu viel Hoffnung hat man schließlich in den jungen Bursch gesteckt. Und wer konnte auch erahnen, dass sich hinter der jugendlichen Slim-Fit-Fassade doch nur eine korrupte, immer schon dagewesene Altpartei findet. Spätestens nachdem das Thema in Richtung Freiheit und Grundrechte gewandert ist, empfiehlt es sich, die bereits aus dem Vorjahr vertraute Hausbar aufzusuchen. Ein sachlicher Diskurs ist jetzt nicht mehr möglich.

Dessert

Als Roundup des gesamten Abends sollte man eine kleine Bescheidenheit servieren. Etwas, wo ausnahmsweise alle derselben Meinung sind und sich die Familie letztendlich wiederfindet. Omicron eignet sich dafür hervorragend. Die neue Variante ist bedrohlicher als die davor, ausnahmsweise ist mal nicht ein westliches Bundesland schuld an der Ausbreitung, und auf einen weiteren Lockdown hat nun tatsächlich niemand Lust. Die fünfte Welle wird unausweichlich, aber man hat sich schon so sehr darauf gefreut, dass nächstes Jahr endlich alles anders wird.
Dieses Gespräch hat es in ähnlicher Form bereits im Vorjahr gegeben. Man ist geübt, und Klein und Groß können mitreden. Ich wünsche eine besinnliche Zeit.


Titelbild: Tyler Delgado/Unsplash

Ich wünscht ich könnt.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Previous Story

Auf der Suche nach der Kunst des Großvaters

Next Story

Chile ist das Graz von Südamerika