Beitragsbild Sexkolumne Körperbehaarung

Let it grow – Körperbehaarung bei Frauen

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Wenn man bei Google die Stichworte „Körperbehaarung und Frau“ eingibt, lauten die ersten Suchanfragen: „Sollte man sich den Bauch rasieren?“ oder: „Was kann man gegen starke Behaarung machen?“. Sich fast täglich zu rasieren – für viele Frauen ein routiniertes Unterfangen. Ein längst eingespieltes Manöver. Aber muss das auch so sein? Und woher kommt das überhaupt?

Ich erinnere mich nur zu gut an eine Situation vor einigen Jahren, als ich damals meinen ersten Freund hatte. Es war der Tag der Tage, das erste Mal so richtig intim werden. Ich hatte mich zuvor zwar schon an den Beinen und unter den Achseln rasiert, aber im Intimbereich habe ich das oft schleifen lassen und dem Ganzen auch manchmal einfach freien Lauf gelassen. Ich hatte dazu offensichtlich eine sehr pragmatische Einstellung, da diese Haare sowieso niemand außer mir sehen konnte und wenn es nicht gerade Badezeit war, habe ich es oftmals nicht für nötig empfunden sie wegzumachen. Das sollte sich nun aber schlagartig ändern. Meinem damaligen Freund gefiel mein gezüchteter Busch da unten nämlich gar nicht und er sagte mir das auch so direkt. Also fing ich an, mich auch dort fast täglich zu rasieren. Was mir jetzt auffällt: Ich machte es nicht aus freien Stücken, sondern beugte mich dem Druck von außen, weil ich dachte, dass es alle so machen und wachsen lassen nicht akzeptiert wird.

Weniger ist mehr?

Meine anfangs noch zögerliche Intimrasur hat sich dann schnell zu einer regelrechten Obsession entwickelt. Beim Baden im Sommer durfte links und rechts neben dem Bikinihöschen nichts rausschauen. Das könnte ja jemand sehen. Und ich bin sicher, ich war nicht die Einzige, die sich solche Gedanken gemacht hat und akribisch jedes einzelne Haar am Körper inspiziert und entfernt hat.

Rasieren gehört für die meisten Frauen zur alltäglichen Routine dazu, wie das Zähneputzen. Es ist daraus eigentlich nicht wegzudenken. (Zu viele) Haare am Körper einer Frau, seien es nun beispielsweise an den Beinen, unter den Achseln oder im Intimbereich, werden heutzutage immer noch häufig mit Ekel und Abneigung verbunden. Schön und sexy gilt, wer glatt ist und eine wunderbar weiche Babyhaut vorweisen kann. Nur hier ist der springende Punkt – wir sind nun mal keine Babys mehr, sondern ausgewachsene Menschen. Und wir haben Haare am ganzen Körper, das ist total normal. Normalerweise wird Natürlichkeit in unserer Gesellschaft sehr groß geschrieben, geht es aber darum dem Wachstum seiner Körperhaare freien Lauf zu lassen, gibt es nicht allzu selten einen großen Aufschrei. Dabei ist das doch das Natürlichste überhaupt! Diese notorische Abneigung gegen den körperlichen Haarwuchs kommt vor allem auch durch ein bestimmtes Bild von Weiblichkeit, das in unserer Gesellschaft vorherrscht. Was es heißt als Frau als besonders schön, sexy und anziehend wahrgenommen zu werden, hängt eng mit Geschlechterrollen und Sexismus zusammen. Körperbehaarung war bereits in der Vergangenheit, aber ist auch heute noch ein Tabuthema und mit viel Scham behaftet.

Besonders der weibliche Körper wird stetig unter die Lupe genommen und steht im Auge des öffentlichen Interesses. Er wird laufend gemustert, kritisiert und kommentiert. Der gesellschaftliche Druck ist groß. Aber auch von Frauen selbst wird das gängige Bild von Weiblichkeit aufrechterhalten und reproduziert. Im Laufe der Zeit hat sich die Wahrnehmung und Meinung rund um Körperbehaarung bei Mann und Frau zwar immer wieder gewandelt. Mehrheitlich, und besonders in unserer modernen Gesellschaft geht die Tendenz aber dahin, als Frau möglichst wenige bis keine Haare am Körper zu haben.

Auch die Beautybranche fördert dieses Bild. Laufend wird Frauen vor Augen gehalten wie sie zu sein haben und was sie noch an sich verändern sollen. Waxen, zupfen, rasieren, feilen. Das Ganze scheint kein Ende zu haben. Ganz nach dem Motto: Wer schön sein will, muss eben leiden? Kein erstrebenswerter Glaubenssatz.

Oben Hui, unten pfui!

Das Paradoxe an der ganzen Sache? Das Haupt sollte bei Mann und Frau am besten immer eine schöne Haarpracht zieren. Wallemähne auf dem Kopf? Ja bitte! Aber ab dem Hals abwärts soll Frau dann bitte weiterhin aussehen wie ein Nacktmull. Haarentfernung wird als Schönheitsideal betrachtet und verkauft. Körperbehaarung wird dagegen mit mangelnder Körperhygiene und Ungepflegtheit verbunden. An diesen Vorurteilen und Gerüchte ist aber auch nichts dran, gewaschen und gepflegt sein kann man auch, wenn man Haare unter den Achseln hat. Scheint bei den Männern ja auch nie ein Problem zu sein.

Es besteht jedoch häufig großer Ekel gegen Haare am Körper, speziell bei weiblichen Personen. Schönheitsideale werden von der Gesellschaft konstruiert, anerzogen, wiederholt und internalisiert. Als Frau wird einem von klein auf beigebracht was schön ist, was nicht und was akzeptiert wird. In der Werbung und auf Social Media oder auch von unseren Freunden und Bekannten wird es vorgelebt. Man richtet sich danach, will dazugehören, bloß nicht auffallen. Und besonders wichtig als Frau: als schön wahrgenommen zu werden. Denn das wird immer noch als das wichtigste Attribut einer Frau gesehen. So ist Körperbehaarung bei Frauen immer noch so stark stigmatisiert, dass die Körperscham zur Selbstscham wird. Ganz schnell.

Der Struggle gilt übrigens für beide Geschlechter, jedoch auf unterschiedliche Art und Weise – Frauen sollen möglichst wenig Haare am Körper haben, Männer möglichst viele. Besonders behaarte Männer werden immer noch als sehr männlich und sexy angesehen.

Alles kann, nix muss

Jede*r soll tun was er möchte und womit er/sie sich wohl fühlt. Willst du dir einen Urwald wachsen lassen, dann machs! Magst du es lieber getrimmt oder mal so, mal so, auch ok! Jede*r soll sich nach seinen eigenen Präferenzen verändern können und selbstbestimmt handeln, so wie man sich wohlfühlt. Aber vielleicht sollte man sich hier und da einmal fragen, warum mache ich das eigentlich? Für mich selbst oder weil ich das Gefühl habe, es wird von mir erwartet? Selbstreflexivität ist immer richtig und wichtig. Do as you wish – aber überlass die Entscheidung auch allen anderen! Auch die Rasur sollte eine ästhetische Behandlung sein, die den eigenen Vorlieben unterliegt und kein Zwang, der einem auferlegt wird.


Die nächste Sexkolumne erscheint am 12. September.

Titelbild: Helen Barth/unsplash.com

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