Barbie

Barbie – Ein feministisches Wunder(land)?

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Das Barbie-Fieber hat die Welt momentan fest im Griff. Von Instagram-Algorithmen, über Modelinien aller Fast-Fashion-Marken bis zum Barbie-Hersteller Mattel selbst  – Pink ist überall. Der neue Barbie-Film von Greta Gerwig erzielt Box Office Rekorde und ist jetzt schon auf dem besten Weg, Kult zu werden. Wir waren im Kino und analysieren nicht nur den Film, sondern auch seinen feministischen Anspruch.

Wir sind eine Woche nach der Premiere im Kino. Trotzdem sind fast alle Vorstellungen an diesem Abend ausverkauft, erst im vierten Kino bekommen wir noch die letzten zwei Karten. Links und rechts von uns pinke Blusen, rosa Schals, Handtaschen, Ohrringe. Schon beim Eingang muss man sich daran erinnern, dass das grandioses Marketing ist und nicht die feministische Revolution in Pink. Und trotzdem: Die Farbe macht uns alle zu Komplizinnen noch lange bevor die Leinwand überhaupt hell wird. Der Film selbst ist weder subtil, noch komplex. Aber das erwartet ja auch niemand. Gerade erzählt, simpler und konventioneller Plot, eine Farbexplosion aus Pastell und Glitzer, genug Feelgood, genug Existential Dread, gerade so viel Politik, dass es noch ein Blockbuster sein darf. Alles richtig gemacht.

Abgesehen von ein paar konservativen Backlash-Kommentaren polarisiert der Film auch nicht wirklich. Mit der Kombination aus feministischer Botschaft und pinkem Kult werden Millionen ins Kino gelockt. Die Frage danach, wie sehr eine blonde Puppe gegen patriarchale Strukturen ankämpfen kann, wurde in den letzten Wochen oft gestellt. Auf der einen Seite sind da die unnatürlichen Schönheitsideale und der Konsumwahn mit maximaler kapitalistischer Ausschlachtung, auf der anderen Seite die fragile Männlichkeit der Kens, die Utopie eines Matriarchats, die unbegrenzten Möglichkeiten von Barbieland für alle weiblichen Charaktere. Greta Gerwig erzählt diese Ambivalenz des Barbie-Universums mit großer Komik und perfekt besetzten Rollen. Ryan Gosling spielt den naiven Ken an der Seite von Barbie mit Perfektion. Auch der weibliche Cast lässt kaum Wünsche offen: Issa Rae als Präsidentin, Emma Mackey als Nobelpreisträgerin, Hari Nef als Dr. Barbie und natürlich Margot Robbie in der Hauptrolle. In Barbieland regieren die Frauen, können alles werden, die Kens sind nur Deko und das Happy End ist nicht die Märchenhochzeit. Der Witz des umgekehrten Sexismus funktioniert, weil er direkt ins Schwarze trifft. Durch alle Witze scheint die unangenehme Wahrheit durch: Wir leben immer noch in einem Kendom voll gläserner Decken, in dem Frauen so oft nur eine Nebenrolle spielen dürfen. Macht das den Hype des Films aus oder ist es naiv, dass eine Spielzeugfigur aus Plastik zur neuen feministischen Ikone hochstilisiert wird?

Ein Hype geht um die Welt

Die Barbie-Euphorie nur auf das Marketing des Films zurückzuführen, wäre zu einfach. Gerade in der Popkultur wurde und wird das, was Mädchen mögen, oft abgewertet. So wie Taylor Swift und Harry Styles beim männlichen Geschlecht oft kein hohes Ansehen genießen, sondern als nervige Teenieidole junger Mädchen abgetan werden, genauso negativ wird auch die Farbe Pink bewertet. Sätze wie “Ich bin nicht wie die anderen Mädchen, ich habe nie mit Barbies gespielt oder Pink getragen” sind ein häufiges Motiv der Filmgeschichte.

Barbie und die Farbe Pink teilen das gleiche Schicksal, denn auch die Puppe wurde bisher nicht sehr positiv konnotiert. Als wir Mädchen waren, wurden unsere Spiele von Jungs abgewertet, später von anderen Frauen. „Women hate women. And men hate women. It’s the only thing we all agree on“, heißt es einmal im Film. Und das betrifft auch die Filme, die Kultur, die Spielzeuge, die Farben die Frauen mögen. Der Barbiefilm aber wurde von einer weiblichen Regisseurin für Frauen gemacht, wird als solcher vermarktet und spielt weltweit Millionen ein. Durch den Film wird Girliness wieder okay, die Farbe Pink wieder cool und das ehemalige verpönte Lieblingsspielzeug aus der Kindheit in ein feministisches Idol transformiert.

Im Film selbst wird nur Universelles angesprochen und keine konkreten Einzelschicksale. In vielen Szenen findet sich das Publikum wieder. Als Ken für Barbie stundenlang ungefragt Gitarre spielt, entsteht durch das gemeinsame Gelächter ein kollektiver Moment, weil viele Frauen sich in der einen oder anderen Form auch schon in so einer Situation befunden haben. Das gemeinschaftliche Erlebnis wird dadurch weiter verstärkt, dass alle Pink tragen. Und genau das macht einen Hype aus.

Pinke Revolution? 

Barbie muss immer im Kontext der Zeit gesehen werden. Seit über 60 Jahren ist die Puppe weltweit ein fester Bestandteil vieler Kinderzimmer. Genau wie der Feminismus durch verschiedene Wellen geht, hat sich auch die Interpretation der Barbie verändert. Als die Puppe Anfang der 1960er Jahre auf den Markt kam, war es das erste Mal, dass sich kleine Mädchen beim Spielen in der Rolle einer Freundin und nicht der Mutter wiedergefunden haben. Unter der feministischen Wegbereiterin und Ikone Gloria Steinem wurde Barbie, ihr Aussehen und die Ideale für die sie stand, verteufelt – lehnte sich die zweite Welle des Feminismus doch gegen gesellschaftliche Schönheitsnormen auf und prangerte Barbies ungesunde Körpermaße an.

In der vierten Welle des Feminismus wird die Bewegung selbst Teil der Popkultur. Die Themen haben sich verändert und die Forderungen lassen sich viel leichter in Hashtag-Aktivismus und Netzfeminismus integrieren. Feminismus passt heute auf T-Shirts, in TikToks und eben auch auf die große Kinoleinwand. Barbie erfüllt dabei alles, was die moderne Frauenbewegung verlangt: Frauensolidarität, das Zelebrieren von Individualität und Hyperfeminity und eine generelle Ablehnung normativer Vorschriften an Frauen. Barbie, Prinzessin, Bimbo – diese Looks werden nicht mehr antifeministisch interpretiert, sondern sogar in den Mittelpunkt gestellt – als Rückeroberung. Feminismus ist heute in vielen Bereichen keine klassische Protestbewegung mehr, sondern findet in einer riesigen – pinken – Bubble statt. Vielleicht spricht der Film deswegen auch so viele an, weil Barbieland diese Bubble repräsentiert, eine Utopie, die auf gelebter Schwesternschaft basiert. Der Film ist Produkt und Manifest der vierten Welle. Barbie ist nicht das perfekt feministische Idol, aber sie ist trotzdem feministisch. Lange Haare, viel Make-up und trotzdem Feministin? Absolut. Trotzdem sollten wir uns auch daran erinnern, dass es eine Welt außerhalb gibt. Eine Welt, in der es nicht nur um Selbstverwirklichung geht, sondern in der toxische Männlichkeit nach wie vor bedrohlich sein kann. Aber dazwischen dürfen wir ruhig unsere innere Barbie ein bisschen feiern, mit und ohne Pink.


Titelbild: canva.com

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