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Tyll tut #6 – Gym

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In dieser Kolumne wird unser Redakteur Tyll Leyh erwachsen. Das ist zumindest der Plan. Er probiert Hobbys, scheitert und liefert dabei Einblicke in sein Seelenleben. Dieses Mal geht er ins Fitnessstudio und denkt darüber nach, ob das Gym mehr sein kann, als ein Rückzugs- und Fluchtort für mittelalte Männer.

Testosteron, no pain no gain, ich will mich heute spüren, jede einzelne Muskelfaser. Gewichte heben, eins nach dem anderen, 3×15 Wiederholungen auf der Chest Press, eingespannt in Metallblöcke und sitzend auf Kunstleder. In der Hand ein zu kleines Handtuch und Motivation für 2×20 Wiederholungen auf dem Butt Blaster. Mein Butt will geblastet werden bis zu dem Punkt an dem ich mein Abdominalmuskel 3×10 crunche, meine Legs 2×15 presse und bis in die Unendlichkeit 1x∞ Treppenstufen hinauf lauche, ehm laufe. Bis ich das erste Mal meinen Kopf hebe um in den riesigen Spiegel vor mir zu schauen und anzukommen in diesem Tempel der Vernunft, der unerfüllten Neujahrsvorsätze und unkündbaren Knebelmitgliedschaften.  

Go hard or go home.

Dieser Ort ist getrimmt auf Funktionalität, steril und hell erleuchtet, der Gegenteil des Yogastudios von letzter Woche und farblich zwischen grau und orange. Endlich habe ich mich frei gemacht von Zielen, Erwartungen und Überzeugungen. Ich setze mich unserer Gesellschaft, der Oberfläche und kurzen Aufmerksamkeitsspanne aus, falschen Vorstellungen des menschlichen Körpers als ästhetische Oberfläche vorausgesetzt, Body Positivity ist heute woanders, hier ist in Form gegossene Kontur, möglich durch Eiweißshakes und Disziplin. Wer fit ist, hat Antrieb und Zielbewusstsein. Wer sich fast täglich für eine Stunde in diesem Raum der reinsten Wiederholung aufhalten kann, der hält auch acht Stunden Bürojob aus, sogar mit gekrümmten Rücken. 

Squat till you puke.

Etwas hatte ich schon gehofft, nämlich meine Sporthose vergessen zu haben und gleich in die Sauna zu gehen, aber jetzt rudere ich gegen meinen eigenen schiefen Rücken an und frage mich, mit wie vielen  kostenlosen Probetrainings ich übers Jahr kommen könnte. 

Es gibt so viele Arten von Sport wie Möglichkeiten in Form zu bleiben. Bei keiner geht es mehr um Ästhetik und Selbstwahrnehmung als hier. Es gibt keine Technik, keine Spielregeln, die es zu erlernen gilt, keinen Vergleich, keinen Wettbewerb. Nur den kleinen aber feinen Unterschied zwischen fünf, sechs oder sieben Klimmzügen, je nach Tagesform: Veränderung im kleinsten Teil. Das Versprechen heißt perfekter Körper, dazu nötig ist vor allem die Bereitschaft mehrmals das gleiche zu tun, Koordination überflüssig. 

Eat big, lift big, get big.

Ich höre Udo Lindenberg und Kinderchöre um mein Aggressionspotential so richtig zu pushen und muss mich hier gar nicht anstrengen, über nichts nachzudenken. Der Ort ist inhaltsleer, bietet mir keinerlei Reize außer körperliche. Dabei fällt auf, dass gerade Männer Freude an Wiederholungen, Schweißgeruch und billigem Deo zu haben scheinen. Erklärt wird die Faszination unter Männern mit dem ständigen Wettbewerb unserer neoliberalen Gesellschaft. Der Mann ist immer weniger Ernährer und muss seine eigene Bedeutungslosigkeit in übertriebener und ungesunder Ästhetik auffangen. Er ist in Wirklichkeit abgehängt und die Diskrepanz zwischen dem athletischen Idealbild und der Realität aus Verletzlichkeit und Banalität erdrückend. 

Of course its heavy, that’s why they call it weight.

Was also tun? In den Spiegel schauen, sich dabei beobachten wie sich die Muskeln bewegen, über hervortretende Adern freuen und diese kurzen und vergänglichen Momente der pulsierenden, blutgeschwollenen Muskeln genießen. Das Licht scheint senkrecht runter, gut für die Konturen, und auch ich erfahre Selbstwirksamkeit bei eingezogenem Bauch. Um mich herum die anderen roten Gesichter, Dunst, Schweiß und viele kleine und größere Pausen um in die Leere zu starren und darüber nachzudenken, ob es bei Sport immer nur um den Körper ging. Wer braucht denn Teamgeist.

If the bar ain’t bending, you’re just pretending.

Bei meiner letzten Übung auf dem Crosstrainer frage ich mich, ob wir wirklich alle so leer und stromlinienförmig sind. Uns Tag von Tag quälen und mit leichtem Selbsthass über fehlende Attribute in gesellschaftliche Normen einfügen. Oder ob es gar nicht so schlimm ist, abzuschalten, mit niemandem reden zu müssen, das gar nicht böse zu meinen und einfach mal eine Stunde zu schwitzen, bei moderater Geschwindigkeit und Freude. 

Naja, die Arbeit ist getan für heute. War noch in der Sauna, schlürfe an einem Vanille-Eiweißshake und verstehe zwar, warum alle Fitnessstudios mit Qual und stupider Langeweile gleichsetzen, aber nicht was daran so schlimm ist. Wahrscheinlich muss man sich überwinden, bereuen tut man es danach nicht. Natürlich ist es lächerlich, Erfolg in Muskelumfang zu messen, aber wer tut das wirklich, außer den paar hardcore Bodybuildern, von denen ich hier heute nur einen gesehen habe? Der Rest ist weit von Muskel- und Magersucht entfernt und tut halt bisschen was für den Körper, um nicht ganz aus der Form zu fallen und um sich etwas lieber anzusehen. 

Was meine Hobbysuche angeht, haben sportliche Aktivitäten bisher versagt, zu ähnlich und zu aufgeladen mit Bedeutung. Doch als ich auf dem Heimweg am Biosupermarkt vorbeilaufe, wir mir bewusst was meine neue Obsession werden könnte und ich will wirklich mein ganzes Potential entfalten.

Kein Kantinenmist mehr, es folgt:

Tyll tut #7 – Gesunde Ernährung

 

Erfolgserlebnisse: Erst ab 3x60min in der Woche  7/10 

Macht fit und belastbar: Erst ab 3x75min in der Woche 6/10

Fühlt sich nach Arbeit an: Schon ab 1x10min in der Woche 10/10 

Preislich skalierbar: 1×12 Monate vergessen zu kündigen 8/10

Spaß: 2x15min Sauna geht auch.  7/10

Gesamt: 38/50

Ich weiß auch nicht, wie man das schreibt.

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