Mensch geht eine Straße entlang

VorLaut #12 – Sex Education: Lasst nicht Serien euren Job machen!

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Weil es jede Woche etwas gibt, das nach dem kleinen bisschen Meinung verlangt. Weil wir finden, dass frech und vorlaut immer besser ist als zahm und gefügig. Deshalb gibt unser stellvertretender Chefredakteur Max Bell kurz vorm Wochenende seinen Senf dazu. Er mischt sich ein, überall und immer. Damit wir wissen, was war, was ist und welche Themen ruhig noch ein bisschen (vor)lauter sein dürfen. Diese Woche: Sex im Klassenzimmer und warum Lehrer*innen und Schüler*innen oft auf sich allein gestellt sind.

Eine Szene aus der Netflix-Serie Sex Education hat mich diese Woche verfolgt: Ein Junge erklärt einem anderen, wie man eine Analdusche verwendet. Ein für Aufklärung verantwortlicher Lehrer entdeckt die beiden und macht sich Notizen, weil er selbst ahnungslos ist, dass so etwas wie Analhygiene beim Sex eine Rolle spielen kann. Willkommen in der Realität vieler Schüler*innen.

Aufklärung im Rahmen des Biologieunterrichts steckt oft in alten Mechanismen fest, die nicht die Vision von einer sexuell selbstbestimmten und gut informierten Generation reflektieren, die Spaß an Sex hat. Die Serie Sex Education macht da schon einen wesentlich besseren Job.

Aufklärungs-Roulette

Im Gespräch mit Menschen unserer Generation wird klar: Guter sexualpädagogischer Unterricht ist ein wenig wie ein Roulettespiel. Es gibt sie, die bemühten Bio-Lehrer*innen, die über Sex in all seinen Farben und Facetten sprechen und Lust nicht zu Gunsten von Embryonalentwicklung hintanstellen. Man muss aber Glück haben eine*n solche*n zu erwischen. Meistens bleibt neben anderen Punkten im Lehrplan kaum Zeit für Themen wie Masturbation, LGBTQ oder Sex mit Behinderung. Die Schüler*innen sind hier oft auf sich allein gestellt. Das sollte nicht so sein.

Und was ist eigentlich mit den philosophischen, literarischen oder ethischen Aspekten von Sexualität? Sollten nicht genauso Deutsch- und Geschichtelehrer*innen im Unterricht Sex thematisieren? Das würde Sexualpädagogik auf mehrere Pädagog*innen verteilen und so vermeiden, dass Schüler*innen nur aufgrund einer, ihnen vielleicht unangenehmen, Lehrperson nicht über Sex reden.

Ohne Ausbildung keine Kompetenz

Zugegeben, Lehrer*innen haben es damit auch nicht ganz leicht, in der pädagogischen Ausbildung geht es viel mehr um Theorie als um praktisch Didaktisches. Eine junge AHS-Biolehrerin erzählt mir, dass sie auf der Uni nicht ein einziges Mal über die Besonderheiten von Analsex oder über klitorale Stimulation zum Lustgewinn gehört hat und auch nach der Hochschulausbildung sieht es eher dürftig aus. Eine Volksschullehrerin berichtet, dass es an der Pädagogischen Hochschule gar kein Fortbildungsangebot für Sexualpädagogik in der Grundschule gäbe.

Up to date zu sein, scheint also nicht einfach zu sein. Externe Sexualpädagog*innen in die Schule zu holen ist also wichtig, um eine zeitgemäße Aufklärung zu ermöglichen. Im Regierungsprogramm hat sich Türkis-Grün jetzt auf ein Akkreditierungsverfahren für Vereine bzw. Personen, die sexualpädagogische Workshops an Schulen anbieten wollen” geeinigt. Im Sommer noch wollten ÖVP und FPÖ externe Sexualpädagog*innen verbieten.

Wer jetzt frustriert ist, dem kann ich nur einen Serienmarathon von Sex Education empfehlen. Hier feiert man Sexualität, berichtet von Schwierigkeiten und liefert niederschwellig Informationen, von denen so manche*r vielleicht etwas lernen kann.


Sex Education auf Netflix

Webseite der Plattform Sexuelle Bildung (NGO für für qualitätsvolle Sexualpädagogik)

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