In der Ausstellung »Deutscher Expressionismus« zeigt das Leopold Museum Bilder von Ernst Ludwig Kirchner, Wassily Kandinsky und August Macke. Außerdem sind viele Bilder des Nationalsozialisten und Antisemiten Emil Nolde zu sehen. Ein Affront?
Unkontroverse Kunst eines kontroversen Künstlers
Vorweggenommen sei: Einer Ausstellung über den deutschen Expressionismus würde ohne Emil Nolde ein wesentlicher Bestandteil fehlen. Der gebürtige Preuße gilt heute als einer der bedeutendsten Maler jener Epoche. Für kurze Zeit war er, wie auch Ernst Ludwig Kirchner und Max Pechstein, Teil der sehr einflussreichen Künstlergruppe »Brücke« und später der »Berliner Secession«. Seine Aquarelle gehören zu den besten des 20. Jahrhunderts.
Obwohl sich Emil Nolde als »deutscher Nationalist« und später als Nationalsozialist bezeichnete, ist in seinen Werken keine Spur von Nationalismus zu finden. Im Gegenteil finden sich in seiner von starken Farben geprägten Kunst viele exotische Motive wieder. Diese entstanden während der 1913 begonnenen Reise nach Deutsch-Neuguinea, wobei er Teile der Sowjetunion, Korea und China durchquerte. Eines der bekanntesten jener Bilder ist das Portrait auf Öl South Sea Islander, welches einen jungen und gutaussehenden Dunkelhäutigen zeigt. Noldes Blick auf ihn ist nicht mit den menschenverachtenden Propagandakarikaturen des NS-Regimes zu vergleichen.
Verfemt für »Entartete Kunst«
Obwohl sich Emil Nolde für die NSDAP engagierte, deren Rassismus und Antisemitismus offenkundig teilte und einen »Entjudungsplan« entwarf, diffamierten die Nationalsozialisten seine Kunst als »entartet«. Grund dafür waren wahrscheinlich die in Noldes Œuvre immer wiederkehrenden religiösen Motive. Sein sehr bekanntes Gemälde Der Tanz um das goldene Kalb handelt von dem goldenen Kalb, welches die Israeliten im Alten Testament als Götze verehren. Wie im Expressionismus üblich stellt Noldes Gemälde einen Moment größter Ekstase dar: Halbnackte Frauen tanzen wild vor einer goldenen Skulptur. In der Bibel wird Moses anschließend den Götzen zerstören und alle Personen, die an dessen Anbetung teilhatten, töten lassen. Während in den meisten anderen malerischen Auseinandersetzungen mit der Szene die Sündhaftigkeit der Isrealiten in den Vordergrund tritt, scheint Nolde die Ekstase und den Tanz zu verherrlichen. Die Atmosphäre des Bildes ist sehr positiv geladen, die Farbe Gelb überwiegt.
»Aber ich bin doch ein Nazi!«
Als Nolde erfährt, dass ihn die Nationalsozialisten weniger schätzen als er sie, glaubt er an eine Verwechslung. In mehreren Briefen betont er seine Zuneigung zum Regime und seine Abneigung gegen ausländische Kunst. Er beschreibt sich als »Künstler im offenen Kampf gegen die Überfremdung der deutschen Kunst«. Trotzdem werden viele seiner religiösen Werke beschlagnahmt und in der Wanderausstellung »Entartete Kunst« gezeigt. Emil Nolde bleibt Mitglied der NSDAP und schreibt mit seinen rassistischen und antisemitischen Tage- und Reisebüchern große Erfolge.
Blauäugig
Neben den religiösen und exotischen Motiven zählen Aquarelle als Noldes bekannteste Bilder. Diese zeigen zumeist Blumen und Porträts. Charakteristisch sind die an den Fauvismus erinnernden, kräftigen Farbverhältnisse auf den Bildern. Die Grundstimmung seines Œuvres lässt sich als träumerisch und teilweise sogar naiv beschreiben. Bekannt sind die leuchtend blauen Augen mancher seiner Figuren.
Emil Nolde war ein Rassist, ein Antisemit und ein Nationalsozialist – seiner Malerei ist davon nichts anzumerken. Dass man Nolde nicht mögen kann, bedeutet nicht, dass seine Kunst ungenießbar ist.
Weitere Informationen
Die Ausstellung im Leopold Museum ist bis zum 20.04.2020 zu sehen.