Die Kolumnistin und Autorin Katja Lewina schreibt schonungslos offen über Sex und alles was dazugehört. Sie legt unseren, mitunter auch sexistischen, Sexualitätsdiskurs Schicht für Schicht frei und plädiert für mehr weibliche Selbstbestimmung, im Schlafzimmer und außerhalb davon. Ihr Buch Sie hat Bock ist bei Dumont erschienen.
Wer über weibliche Sexualität schreibt, schreibt über viel mehr als nur übers Vögeln, mehr als über rein-raus-fertig-aus, mehr als über Partnersuche und Kinderkriegen. Es geht um offene Beziehungen und Cunnilingus, um Masturbation und geheime Fantasien, um das Verhältnis zwischen Scham und Offenheit, um Körperbilder, falsche Erwartungen und vorgetäuschte Orgasmen. Katja Lewinas Buch liest sich wie das kleine Einmaleins feministischer Betrachtung von Lust, Sex und Geilheit. Denn vielen dieser Themen gehört längst eine lautere Stimme verliehen.
„Was wir wollen und was nicht, liegt unter einer dicken, krustigen Schicht Sperma begraben. Wir sollten dringend anfangen, sie abzukratzen.“
Das Normalste der Welt ist für viele dann doch gar nicht so normal. Man schämt sich für seine Lust und unterdrückt Fantasien, die einem nicht richtig vorkommen. Man versucht irgendwo zwischen Verklemmtheit und Schlampenstempel seinen Platz in der Welt zu finden. Einer Welt, in der sich Erwartungen, Verhalten und Vorstellungen von Lust und Sexualität meist an den Bedürfnissen von Männern orientieren. Sie hat Bock schreibt gegen diese Verhältnisse an, ehrlich und kompromisslos. Damit die normalste, auch zur schönsten Sache der Welt werden kann.
Ich und die Anderen
Katja Lewinas Erzählungen gehen unter die Haut. Sie handelt potenzielle gesellschaftliche Schieflagen anhand ihrer eigenen Sexualbiografie ab. Man schmunzelt, lacht und fühlt mit. Und runzelt zwischendurch mal die Stirn: Kann es sein, dass die Autorin ihre persönlichen Erfahrungen zum Gradmesser breiterer Entwicklungen macht? Dass das Subjektive zum Allgemeingültigen erklärt wird? Hier wird es ein bisschen problematisch. Denn aus dem anekdotischen Plauderton streckt sich zuerst unauffällig, dann deutlicher, der moralische Zeigefinger. Doch gerade wenn es um Sex geht, sollte doch nicht gewertet oder moralisiert werden. Dass nicht alle Frauen fühlen und vögeln wie Katja Lewina, betont sie zwar, am Ende klingt es aber doch nach einer Pflichtübung.
Immer wieder diese Männer…
Schon im Klappentext wird eigentlich angekündigt, dass hier nicht rumgeheult, sondern zur potenten Selbstbestimmung aufgefordert wird. Diese Ankündigung lässt aufhorchen, das Versprechen wird dann aber nur teilweise eingelöst. Weibliche Sexualität wird erst nur in Relation zum Patriarchat gelesen, die Opferdenke nimmt wieder Platz auf ihrem Podest ein. Und natürlich spielen Männer eine große Rolle, wenn es darum geht, weibliche Lust zu definieren. Doch wie schön wäre es, einfach über wilde Fantasien und über Möglichkeiten, die eigene Sexualität in die Welt zu tragen, zu lesen?
Macht die Beine breit!
Statt ständig darauf hingewiesen zu werden, dass die Welt, in der wir leben und geil werden, von Männern gemacht und vordefiniert wurde, könnten wir auch einfach mal unser Ding machen. Auch von Männern „erfundene“ Fantasien wie Deep Throat oder Analsex können Frauen richtig feucht machen. Das dürfen wir, bei aller Kritik an den Verhältnissen, nicht vergessen. Denn nichts ist befreiender, als ein positives Verhältnis zur eigenen Sexualität, als das Erkennen und Annehmen von Neigungen, als die selbstbewusste Entscheidung, sich auf die Beine zu stellen, die Beine breit zu machen und dabei selbst zu entscheiden wie, wann und für wen. Dafür braucht es weder einen Penis noch großangelegte gesellschaftliche Diskurse. Sie hat Bock hat dabei seine Probleme. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.
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