Wie bringt man Kafkas unvollendeten Roman Amerika (Der Verschollene) auf die Theaterbühne? Noch dazu auf die ganz kleine? Das Wiener Pygmalion Theater kämpft um Aufmerksamkeit, dabei hat seine Annäherung an den Prager Jahrhundertautor durchaus Potential. Die Inszenierung von Geirun Tino besticht trotz Unstimmigkeiten mit ihrer Leichtigkeit und nimmt erfrischender Weise weder Kafka noch sich selbst wirklich ernst.
Die kleine Bühne des Pygmalion Theaters, das sich in einem Hinterhof der Alserstraße versteckt, ist recht minimalistisch gestaltet: Am Boden ein leerer Bogen Papier, an der Wand eine überdimensionale Flagge der USA. Darauf wird jede Emotion projiziert, die karge Ausstattung der Bühne lenkt den Blick automatisch auf die Fahne: Symbol, Hoffnungsträger und zynische Drohung zugleich. Der deutsche Auswanderer Karl Roßmann (Vlad Gavris), von seinen Eltern nach Amerika geschickt, stolpert in den sich ewig wiederholenden, kafkaesken Kreislauf von sich abwechselnder Hoffnung und Ernüchterung. Er trifft auf Verlierer des amerikanischen Traums, verkörpert durch einen mittellosen Straßenmaler (Philipp Kaplan), der alle naiven Träume seziert und die gutgläubige Hoffnung des Migranten zynisch zur Schau stellt.
Kleine Träume, große Gesten
Das Stück oszilliert zwischen komischen und tragischen Elementen. Auch wenn nicht alle Pointen einwandfrei funktionieren, ist es über weite Strecken erstaunlich lustig. Stellenweise geht durch die komödiantische Übertreibung aber Subtilität verloren. Es gibt zu wenig stille Momente, zu wenige Atempausen, die Zeit geben würden, um Leerstellen zu interpretieren. Gleichzeitig entfaltet sich New York gerade durch den intensiven Körpereinsatz, pantomimisch und auf Packpapierbögen zeichnet sich ein lebendiges Bild der amerikanischen Gesellschaft der 1920er Jahre. Philipp Kaplan spielt mit größtem Einsatz und Leidenschaft gegen die Leere der Bühne an. Doch auch hier gilt: Leerstellen müssen nicht unbedingt mit großen Gesten und Übertreibungen gefüllt werden.
Die Aussichtslosigkeit des Komischen
Vor allem im zweiten Akt weicht die Komik immer mehr den tragischen Momenten, Rückschlägen und Ungerechtigkeiten. Die vereinzelten Pointen sind jetzt nicht mehr als ein comic relief, das Lachen erheitert weniger, als dass es an die Grausamkeit unerfüllter Träume erinnert. So fängt die Inszenierung des Pygmalion Theaters bei allen Abänderungen letztendlich doch den Kern des kafkaesken Erzählens ein: Das Stück zeigt nicht mehr und nicht weniger als die aussichtslose Suche nach dem, was gesellschaftliche Versprechen und in erster Linie die Vorstellung eines American Dream nie geben können, nämlich Gerechtigkeit.
Gerade jetzt ist die Zeit kleine Theater zu besuchen.
Den Spielplan des Pygmalion Theaters findet man hier.
Foto: Daniel Gavris, © Pygmalion Theater