Salvini scheint unaufhaltsam zu sein. In den letzten Jahren hat seine Lega immer mehr Stimmen bekommen. Solch ein Erfolg ist nicht seinen politischen Inhalten zu verdanken, sondern einem Kommunikationssystem, die sogenannte „Bestia“, die durch die sozialen Netzwerke der Lega immer mehr Stimmen besorgt hat.
Am Sonntag, dem 27. Oktober, hat Umbrien gewählt und die Wahlergebnisse sind tragisch: In der historisch von linken Parteien regierten Region hat die Kandidatin der Koalition aus Lega (Salvinis Partei), Forza Italia (Berlusconis Partei) und Fratelli d´Italia (rechtsextreme, fast faschistische Partei) gewonnen. Die Lega selbst holte 37 % der Stimmen.
Umbrien befindet sich genau in der Mitte Italiens, hat traditionell immer linke Parteien gewählt und wurde letztlich von einem großen Skandal überwältigt. In den letzten Monaten wurden tatsächlich Unregelmäßigkeiten bei Wettbewerben im Gesundheitsbereich entdeckt, und diese Unregelmäßigkeiten waren, einfach gesagt, von politischen Interessen verursacht. In den Skandal waren die ehemalige Präsidentin Umbriens (Demokratische Partei) und weitere Politiker der Demokratischen Partei verwickelt. Das hat natürlich der Wahlkampagne nicht geholfen.
Vor ein paar Jahren war Salvinis Erfolg teilweise nur in den nördlichsten Regionen spürbar. Seit den Wahlen 2018 ist er aber unaufhaltsam. Was ist da passiert?
Inhaltlich nichts. Die Inhalte seiner Politik sind immer dieselben, das heißt keine Flüchtlinge, niedrigere Steuern für Reiche und die übliche konservative Rhetorik über Religion, Tradition und Familie. Wie kann einer mit mittelalterlichen Argumenten so viele Stimmen bekommen? Mittels Algorithmen natürlich.
Wie funktioniert Bestia?
35 Mitarbeiter, geführt vom Kommunikationsexperten Luca Morisi, haben das System Bestia (italienisch für Viech) für Salvinis Kampagnen gegründet. Dieses System betrifft die gesamte Kommunikation via sozialer Netzwerke des Chefs der Lega. Es wurde schon 2014 erfunden, aber mit einer ganz anderen Funktion. Damals sollte es nur die Tendenzen, die Inhalte und die Kommentare auf sozialen Netzwerken beobachten.
Im Laufe der Jahre wurde Bestia aber vervollkommnet. Jetzt ist es keine Überprüfungseinrichtung, sondern ein System, das jeden Tag für 24 Stunden jedes Element des Lebens von Salvini beschreiben und veröffentlichen soll. Ein Beispiel: Während der Wahlkampagne für die EU-Wahlen 2019 wurden jeden Tag 17 Posts auf verschiedenen sozialen Netzwerken veröffentlicht, mit über 60 Millionen Interaktionen und 40 Millionen „Gefällt mir“. Was die Videos anbelangt; die wurden für insgesamt 5 Millionen Stunden angeschaut. Das hat verursacht, dass Salvinis Lega bei der Wahl zum europäischen Parlament 34 % der Stimmen bekam.
Wie kann ein Kommunikationssystem so viel Macht garantieren?
Die Posts für die sozialen Netzwerke sind in drei Arten aufzuteilen. Einige Posts dienen zur einfachen Werbung: Wenn beispielsweise am Abend ein Interview mit Salvini stattfinden wird, folgen während des Tages mehrere Posts zum Thema aufeinander. Zusätzlich wird auch das Interview simultan kommentiert oder die wichtigsten Erklärungen werden unterstrichen und so hervorgehoben. Damit wird auch das Publikum erhöht. Die zweite Kategorie dient zum Wecken der niederen Gefühle des Volkes: Posts über Flüchtlinge, die vielleicht etwas Illegales gemacht haben, direkte Attacken gegen politische Gegner und ähnliches. Das soll dem Volk das Gefühl geben, dass Salvini der einzige ist, der die wahren Probleme Italiens versteht und konkrete Lösungen hat. Die dritte Strategie der Posts bezieht sich auf Salvinis privates Leben: ein einfaches menschliches Porträt, das zeigt, dass Salvini genau wie seine Wähler ist.
Dazu gibt es natürlich auch eine Software, die das Tagesthema identifiziert, damit Posts darüber geschrieben werden und Nutzer sofort kommentieren können: Diese Geschwindigkeit ist für die Facebook-Algorithmen nötig und erlaubt Salvini, immer vor den Augen der Benutzer zu sein.
Der Erfolg Salvinis ist aber nicht nur durch die Algorithmen garantiert, sondern auch durch die Italiener, die die Unterschiede zwischen Realität und Wahlkampagne nicht mehr verstehen können.
Italiener, Übersetzer, Beobachter. Meine Leidenschaften sind die Politik, die Musik und die Literatur.