Drei Romane, drei Wochen. Toni Morrison gehört zu den wichtigsten Autorinnen der Weltliteratur, sie gewann den Nobelpreis, den Pulitzerpreis und viele weitere Auszeichnungen. Wolfgang macht sich auf zu einer intensiven Leseerfahrung: Beloved, The Bluest Eye und Jazz werden in den kommenden drei Sommerwochen verschlungen und hier vorgestellt.
Part 1: Beloved
Es ist nicht ihr erster Roman, aber ihr bekanntester: 1987 veröffentlichte Toni Morrison, zu diesem Zeitpunkt schon eine feste Größe im Literaturbetrieb, Beloved (deutsch: Menschenkind). Der Roman wurde verfilmt, eine Oper wurde zu ihm verfasst und er brachte Morrison zwar nicht den National Book Award (Finalistin) aber den Pulitzerpreis ein.
Die Geschichte hallt nach dem Lesen noch lange nach, bleibt im Kopf. Bereits im von ihr verfassten Vorwort macht Toni Morrison deutlich, woher die Idee für die traumatische Thematik stammt: Beloved basiert lose auf der Geschichte von Margaret Garner, einer Sklavin, der die Flucht gelang, die aber einige Zeit später gefangen wurde und ihr eigenes Kind umbrachte, um es vor der Sklaverei zu bewahren.
„The historical Margaret Garner is fascinating, but, to a novelist, confining.”
Deswegen erzählt Morrison ihre Geschichte auf eine verschlungene Weise: Sie beginnt im Ohio des Jahres 1873, nach dem Civil War also. Sethe lebt mit ihrer Tochter Denver zurückgezogen in einem großen Haus, Besuch kommt nicht vorbei, Denver wächst isoliert auf, mit ihnen haust ein Geist dort. Bis eines Tages Paul D vor der Tür steht, den Sethe noch aus der Zeit ihrer Sklaverei kennt. Mit ihm, ihrem Mann, ihren Kindern und anderen Sklaven wagte sie damals die Flucht. Sethe gelang zwar zunächst die Flucht zu ihrer Schwiegermutter Baby Suggs, wurde dann aber doch noch entdeckt und brachte in der Not ihre älteste Tochter um; auf ihrem Grabstein stand lediglich Beloved.
Als Paul D einzieht, hören zwar die Heimsuchungen auf und die beiden Frauen verlassen erstmals das Haus, bei ihrer Rückkehr aber sitzt dort ein junges Mädchen, das nicht genau sagen kann, wo es herkommt und auf die Frage nach seinem Namen mit „Beloved“ antwortet.
Genauso plötzlich wie Beloved im Buch auftaucht, kommt sie auch Morrison als Idee:
„She walked out of the water, climbed the rocks, and leaned against the gazebo. Nice hat. So she was there from the beginning, and except for me, everybody (the characters) knew it – a sentence that later became “The women in the house knew it.””
Ja, die Frauen im Haus wissen Bescheid, sie nehmen Beloved auf und genauso schnell taucht auch Morrisons Lesepublikum ein in die Verstrickungen und die Umkehrung von Verhältnissen, die die Begegnung mit sich führt. Tiefliegende Erinnerungen kommen hoch, die Perspektiven fast aller Figuren kommen zu Wort, das Trauma der Sklaverei schwebt über all dem.
Morrison erzählt nicht chronologisch, sondern verzweigt, poetisch, fantastisch, immer wieder wechselt sie die Perspektive, die Zeit. Die Schrecklichkeit der Geschehnisse erschließt sich erst nach und nach und lässt sich kaum aushalten. Wer das Buch aus der Hand legt, wird da erst einmal sitzenbleiben und nur vor sich hinstarren. Wahrscheinlich auch das Bedürfnis haben, es immer wieder zu lesen. Der Geist der Vergangenheit verschwindet so schnell nicht, die Erinnerung bleibt.
Weitere Informationen
Hier geht’s zum Buch.
Und hier zur deutschen Übersetzung.
Schreibt, seit sie sich erinnern kann. Stationen in Leipzig und Kopenhagen (Philosophie, Kultur und Film). Literaturwissenschaftlerin.
[…] 1 dieser Reihe, Beloved, könnt ihr hier […]
[…] ersten beiden Teile dieser Reihe sind hier nachzulesen: Beloved und The Bluest […]