Weil es jede Woche etwas gibt, das nach dem kleinen bisschen Meinung verlangt. Weil wir finden, dass frech und vorlaut immer besser ist als zahm und gefügig. Deshalb gibt unser stellvertretender Chefredakteur Max Bell kurz vorm Wochenende seinen Senf dazu. Er mischt sich ein, überall und immer. Damit wir wissen, was war, was ist und welche Themen ruhig noch ein bisschen (vor)lauter sein dürfen. Diese Woche: Privilegien und wie wir damit umgehen müssen.
Es ist schon schmerzhaft, sich mit dem eigenen finanziellen Privileg auseinanderzusetzen. Besonders, wenn man im Urlaub in der Sonne liegt und ins Grübeln kommt. Sobald man sich aber überlegt, dass dieser Schmerz nichts dagegen ist, was Menschen auf der anderen Seite dieses Privilegs erleben, relativiert sich das alles schnell. Wie also gehen wir um mit den verschiedenen Levels an Privilegien, die unsere Position in der Gesellschaft definieren und müssen wir aktiv gegen unsere eigenen Interessen kämpfen?
Kurz gesagt: Ja. Und das nicht einmal aus selbstlosem Heldentum. Unsere Gesellschaft funktioniert nur deswegen gut, weil wir uns allem Anschein nach darauf geeinigt haben, alle ein wenig mehr wie „die da oben“ sein zu wollen. Nur deshalb akzeptieren wir, dass es Menschen gibt, die vier Häuser besitzen, ohne auch nur eines zu bewohnen. Nur deshalb gehen wir nicht auf die Barrikaden, wenn wir hören, welche Unsummen an Dividenden ausgezahlt werden, obwohl Tausende ihre Jobs verlieren.
Dieser soziale Konsens der Ausbeutung bröckelt nun langsam aber sicher. Immer weniger Menschen sind bereit zu akzeptieren, dass bloß Geburt in die richtige Familie ein Garant für soziale Sicherheit sein kann. Wenn wir nicht wollen, dass dieser Umstand zu einer noch tieferen Spaltung unserer Gesellschaft führt, verpflichtet uns das zu einem fundamentalen Umdenken. Damit muss auch eine Reflexion über unser eigenes Privileg einhergehen.
Wer mehr hat als die meisten, sollte sich das bewusst machen. In Anbetracht dessen, wie sehr die Schere zwischen Arm und Reich auseinandergeht, ist es an der Zeit, dass auch privilegierte Menschen Farbe bekennen und sich als Teil der Lösung präsentieren.
Ein Anfang kann etwa sein, einen Teil seines Erbes freiwillig an NGOs zur Armutsbekämpfung abzugeben und zwar genau in der Höhe, in der man eine Erbschaftssteuer für sinnvoll hält. Jene Reichen, die ihr soziales Gewissen ohnehin schon über Bord geworfen haben, betrifft das nicht. Nur die, die sich in Gesprächen progressiv äußern und sich dann von ihren Eltern trotzdem ohne Wenn und Aber Eigentumswohnungen schenken lassen.
Das künstlerische und intellektuelle Milieu darf es sich aber auch nicht zu leicht machen. Auf Benko und Horten hinhauen ist schon richtig, das studieren zu können, was einen interessiert, ist aber auch ein Privileg für sich. Nicht, dass nicht jeder so leben können sollte, Realität ist aber auch, dass es für die meisten finanziell nicht drin ist, sich einfach mal ein paar Semester Zeit zu lassen, um sich auf Bali mit Selbstfindung auseinanderzusetzen.
Es braucht eingehende Beschäftigung mit unserer Position in der Gesellschaft und infolgedessen Solidarität mit jenen, die es in der Geburtenlotterie nicht so gut erwischt haben. Solidarität in Worten, aber vor allem in Taten. Das kann bedeuten, soziale Räume zu öffnen, indem man nicht elitäre Vorstellungen von Sprache, Kleidungsstil oder Benimm zum allgemeinen Standard erhebt oder eben sein Vermögen mit jenen zu teilen, die es genauso verdient hätten, aber weniger Glück hatten. Wenn wir alle ein bisschen näher zusammenrücken, kann es nur wärmer werden.
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[…] Damit sind die Privilegierten aber noch lang nicht fein raus. Ganz im Gegenteil. Max Bell hat in seiner Kolumne vor kurzem den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Privilegierten und Eliten sind genau dann ein […]