Was ich mit Nachhaltigkeit meine.

///
4 mins read
Start

Lasst mich euch ein Bild malen. Eines von den Bildern, bei denen man förmlich den Wind durch die Wiesen streichen sieht, mit seinen langen Fingern, die für einen Moment alles so wunderschön durcheinanderbringen. Dabei summt er leise vor sich hin, und wir, die ungebetenen Gäste, die schon lange verlernt haben, was Ehrfurcht, Staunen und Demut bedeuten, sehen ihm dabei zu, starren auf das Bild und sind wehmütig.

Die Variationen von Zukunftsszenarien sind unendlich. Zukunftsforscher Matthias Horx malte ein optimistisches Bild von einer Welt nach Corona und schuf mit dem stillen Versprechen, dass nichts so sein werde wie zuvor, ein wunderbar trostvolles Bild unserer Zukunft. Eine Pandemie als historischer Wendepunkt um die Karten neu durchzumischen, umzudenken und die Zukunft zu einer realistischen Utopie werden zu lassen.

Kann sich unsere Welt ändern? Was macht Hoffnung? Zum ersten Mal hat unsere Generation gesehen, dass Politik mehr als ein Beliebtheitswettbewerb ist. Gesehen, wie schnell Politik in Krisenfällen reagiert. Dass dabei auch nicht davor zurückgescheut wird, in die Verfassung einzugreifen, ist zeitgleich ernüchternd und ermutigend.

Obwohl die Wissenschaft darauf hindeutet, dass der Klimawandel eine weitaus größere Krise darstellt als die Covid-19-Pandemie, bleibt eine ernstzunehmende Reaktion aus. Die Leitlinie des Vorsorgeprinzips, mit der abschätzbare Folgen und Schäden an Umwelt und Mensch schon im Vorfeld verhindert werden sollten, wird missachtet. Das zeugt von Ignoranz. Denn obwohl wir „First World Countries“ dessen Hauptverursacher sind, werden wir anfangs nicht diejenigen sein, deren Existenz vom Klimawandel bedroht ist. Es betrifft die Menschen des globalen Südens, die ihr Recht auf Wasser verlieren, wenn keines mehr vorhanden ist. Die Bauern, denen durch Verwüstung fruchtbares Land verloren geht. Die Dörfer, deren Geschichte von Hochwasserkatastrophen und Tsunamis weggeschwemmt wird.

Die Nachhaltigkeit, von der ich spreche, stützt sich auf drei Säulen: der Ökonomie, der Ökologie und der Soziologie. Sie ist der Spirit, für den weitsichtigen und rücksichtsvollen Umgang mit unserer Umwelt und uns selbst. Ein hoffnungsvolles Lebensgefühl, das uns daran erinnert, dass wir nicht Mittelpunkt der Welt, sondern nur Teil des großen Ganzen sind.

Die Vermarktung von Lebensgefühlen ist eine der beliebtesten PR-Strategien. Sie zieht Menschen magisch an, und so wurde der Begriff der Nachhaltigkeit Teil von Greenwashing, einer Strategie, Produkte umweltfreundlicher erscheinen zu lassen als sie sind. Nun hat die Nachhaltigkeit viele Gesichter, wird missbraucht und zweckentfremdet. Es ist deshalb wichtig, sich für dieses Thema zu sensibilisieren und sich möglichen Motiven bewusst zu werden.

Was unsere Zukunft betrifft, wäre ich gerne so optimistisch wie Matthias Horx. Meine derzeitige Einstellung ist wohl eher ein optimistischer Pessimismus. Ich hoffe auf das Beste, und bin auf das Schlimmste gefasst. Wenn ich an unser entferntes Morgen denke, dann denke ich an die Illustrationen von Steve Cutts, die unser Verhalten und eines von vielen möglichen Zukunftsszenarien visuell so unangenehm darstellen. Er knallt uns ein Bild vor die Nase, das sich zwar keiner gerne an die Wand über dem Esstisch hängen würde, das aber den unsichtbaren Klimawandel und die Rolle des Menschen in dieser Tragödie sichtbar macht. Rüttelt auf wie ein Fahrradsattel bei Kopfsteinpflaster und eiskaltes Wasser im Gesicht.

Ich würde mir zukünftig lieber mit Freude ein apokalyptisches Bild von einer Realität anschauen, die wir verhinderten, als mit Wehmut ein Bild von einer Welt, die wir durch Untätigkeit verloren. Das bringt mich dazu, zu tun was ich tue, zu handeln, wo ich kann.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

sexkolumne titelbild
Previous Story

Love Lockdown | CaFétisch

Xaver Bayer "Geschichten mit Marianne"Titelbild
Next Story

Österreichischer Buchpreis: Xaver Bayers "Geschichten mit Marianne"