Ich stehe mit einem Bier in der Hand an der Bar, ein Freund betritt das Lokal. Wir umarmen einander herzlich. Er stellt mir eine Freundin vor, ich umarme auch sie. Wir betreten die Tanzfläche voller verschwitzter Menschen, deren Berührung man nicht ausweichen kann und das auch gar nicht will.
Vor einem Jahr wäre diese Szene nichts Besonderes gewesen. Menschen, die sich mögen und sich das auch zeigen. Jetzt ist sie für viele ein Traumbild von einer Welt danach. Wie lang wir noch auf dieses Danach warten müssen ist unklar. Trotzdem beschäftigt sich diese Kolumne heute genau damit. Nicht nur der geistigen Gesundheit des Autors wegen, auch, weil wir dieses Danach aktiv einfordern müssen.
„First World Problems“ ist der erste Gedanke, der mich selbst unterbricht, wenn ich mich nach feiern sehne. Dabei hab ich das ja nicht mal so besonders oft und gerne gemacht. Ich sage mir, dass wir jetzt wirklich andere Probleme haben und solche Gedanken fehl am Platz sind. Und trotzdem kommen sie immer wieder. Die Magie mit Menschen in einem Raum zu sein, die bloß eines teilen, nämlich den Wunsch an diesem Abend Spaß zu haben, dieser kollektive Hedonismus fehlt. Die Freunde und Freundinnen mit denen ich genau solche Abende verbringen kann, fehlen. „Aber man kann doch auch über Zoom wunderbar plaudern, muss es denn immer Party sein?“ Unterbreche ich mich wieder. Tatsächlich ist aber gerade dieser gemeinsame Exzess eine besondere Form der Intimität. Auch wenn man gewisse Menschen bloß zum Feiern trifft, können diese Freundschaften wertvoll sein. Es ist völlig legitim, dass wir uns danach sehnen die Nacht zu zertanzen. Das weg zu rationalisieren macht wenig Sinn.
Sind Clubs und Bars deshalb die erste Priorität bei der Öffnung? Natürlich nicht. Sind sie trotzdem ein wichtiger Gesellschaftsraum, der für viele vor allem Junge eine große Bedeutung hat? Ein Teil der Kultur? Natürlich! Deshalb dürfen wir auch fordern, dass sie auch von öffentlicher Seite nicht nur aus wirtschaftlicher, sondern auch aus sozialer Perspektive bedacht werden.
Wie wird sie also werden, die Party danach? Wenn das Coronavirus nicht mehr jede Nische unseres Alltags beherrscht, werden wir das auch gebührend feiern. Die veratmete Luft, die verschwitzten Tanzpartner*innen, die stinkende Kleidung, die zuvor sorgsam ausgewählt wurde, all das kommt uns momentan wie ein Traum vor. Und zu alldem wird das Gefühl treten, gemeinsam mit Fremden Menschen zu feiern, dass die Zeit der Vereinzelung ein Ende hat.
Man kann natürlich auch fragen, ob es werden kann wie vorher? Ob sich Menschen trauen werden einander nahe zu kommen. Ich denke es wird eines ganzen Brocken Arbeit an uns selbst bedürfen. Wir werden das Abstand nehmen wieder verlernen müssen. Von selbst wird das nicht gehen. So viel wie möglich werden wir Virenresistenten dann bewusst aufeinander zugehen müssen, damit diese seltsame Zeit, nicht für immer verändert, wie wir einander begegnen. Das werden wir auf Partys tun aber auch im Alltag. Bis dahin bleibt uns wohl nichts anderes als dieser Song:
Comitted to the best obtainable version of the truth.