„Ich bin kein Feminist, ich bin für Gleichberechtigung!“ Dieser Auffassung sind viele Männer in unserer Gesellschaft. Der zu Grunde liegende Gedanke ist durchaus nahvollziehbar. Alle sollten die gleichen Chancen haben, unabhängig von Geschlecht. Die Angst, feministische Bewegungen könnten Überhand nehmen, hemmt Männer, sich selbst zu emanzipieren.
Dies soll keine Moralpredigt darüber sein, dass Männer es nach Jahrhunderten der Unterdrückung von Frauen, diesen schuldig seien, sich feministisch stark zu machen. Feminismus ist für die Freiheit und emotionale Gesundheit der gesamten Gesellschaft, im Besonderen auch von Männern, wichtig und notwendig. Männer sollten sich also auch aus egoistischen Standpunkten für Frauenrechte engagieren.
Warum Frauen Männern voraus sind
Dass unsere Geschichte vom Patriarchat, also einfach gesagt, der Herrschaft von Männern über die restliche Menschheit, geprägt ist, hatte für Frauen einen, wenn auch traurigen, Vorteil. Es besteht ein Leidensdruck, der die Emanzipation aus den bestehenden Rollenbildern vorantreibt.
Dieses Bestreben ist bei Männern weniger stark zu erkennen. Warum auch sollte man sich von der privilegierten Position verabschieden?
Von klein auf werden wir, direkt oder indirekt, mit Rollenbildern konfrontiert. Wer behauptet, das habe sich geändert, muss verblendet sein. Filme und Serien für alle Altersgruppen, Bücher, Liebeslieder, Spielzeug, Kleidung und nicht zu letzt die gelebte Gesellschaftspraxis prägen ein klares Bild und eine Erwartungshaltung. Menschen leben in Familien mit Vater und Mutter, Frauen sollen erobert werden, Männer stark sein, sowohl körperlich als auch emotional. Die Liste könnte unendlich fortgeführt werden. Diese Prägungen im späteren Leben abzulegen, ist man auch noch so problembewusst, fällt schwer. Es braucht aktive Arbeit an sich selbst: Emanzipation.
Wir alle wollen manchmal nur Mensch sein
Diese gesellschaftlichen Normen schaffen eine Art Emotions- und Handlungsfilter, der uns vorschreibt, welche Gefühle wir zulassen, welchen Interaktionen mit anderen Menschen wir nachgehen dürfen. Niemand von uns ist aber in erster Linie Mann oder Frau. Persönlichkeiten in einem Geschlechtersystem klassifizieren zu wollen funktioniert nicht, schon gar nicht in einem binären. Männer, die Zeit ihres Lebens in unserer Gesellschaft die maskuline Rolle eingenommen haben, wollen trotzdem auch einmal schwach sein können. Sie wollen über Emotionen reden und sich sagen, was sie einander bedeuten. Sie wollen sich unterordnen und in Sicherheit wiegen, anstatt den Ton angeben zu müssen.
Männer, emanzipiert euch!
Dass für Männer in unserer Gesellschaft unfaire strukturelle Vorteile bestehen, macht die Bedeutung, die die Normvorstellung „Mann“ hat, nicht weniger gefährlich für die psychische Gesundheit. Männer müssen verstehen, dass es in ihrem eigenen Interesse liegt, sich aus ihrer dominanten Position zu entheben, um in erster Linie Mensch anstatt Mann sein zu können. Wenn man sich entschließt, sich aus dem bestehenden, toxischen Männlichkeitsbild emanzipieren zu wollen, kommt man nicht umhin Feminist zu sein.
Feminismus ist für alle!
Der Begriff Feminismus, wie er hier verwendet wird, meint, die kritische Betrachtung der bestehenden Rollenbilder in unserer Gesellschaft. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, Strukturen zu schaffen, die dem bestehenden Patriarchat entgegenwirken. Diese Definition beinhaltet also bereits die Emanzipation von Männern aus ihrer dominanten Rolle. Der Begriff Feminismus ist darum in gewisser Weise irreführend. Er ist nicht das Gegenstück zur Emanzipation der Männer, sondern bedingt diese. Feminismus, als Emanzipation aller Menschen aus ihren geschlechterspezifischen Rollen, ist also die Bewegung, die es allen Menschen ermöglichen soll, ein Leben in Freiheit leben zu können. Feminismus ist für alle und eben nicht nur Frauensache!
(c) Titelbild: Elias Schäferle | pixabay.com
Gitarre- und Tonmeister-Studium.
Band-member of Full Of Thoughts.
Teilzeit Physikstudent.
Teilzeit politisch aktiv.
Nie wirklich Zeit für die Teilzeit-Aktivitäten...
[…] Warum Männer Feministen Sein Sollten | Wolfgang (wolfgang-magazin.com) […]