Ghost Kitchens sind Restaurants, die in den letzten Jahren in Großstädten von einem Tag auf den anderen wie von Geisterhand aufgetaucht sind. Dies beschreibt die Eigenheit dieser tatsächlich ziemlich gut, denn Ghost Kitchens sind Restaurants, die es eigentlich gar nicht gibt. Es sind Lokale, welche nur im Internet verfügbar sind und bei welchen man nur bestellen kann. Gekocht wird nämlich ganz wo anders.
Letzte Woche bestellte ich bei Cheesus Burger, denn dort gäbe es laut Mjam die besten und frischesten veganen Burger der Stadt. Die Bewertungen waren gut und das Restaurant noch dazu ganz in der Nähe. Zu nahe, dachte ich mir, denn obwohl es nur zwei Querstraßen von meinem Zuhause entfernt war, ist mir dieses Lokal noch nie aufgefallen. Ich prüfte Mjam noch einmal, doch dort fand ich bis auf die Adresse keinerlei Auskunft über den Burger-Laden. Ich beschloss also, noch am Abend dort vorbeizuschauen, um mich selbst zu überzeugen. Doch ich fand den Laden nicht. Dort gab es kein Restaurant. Ich stand vor einem unauffälligen Wohnhaus, in dem kein einziges Licht brannte und fragte mich, ob da drinnen tatsächlich die besten Burger der Stadt gekocht werden.
Als ich am nächsten Tag etwas zu recherchieren begann, fand ich sehr schnell heraus, dass es Cheesus Burger genauso wie Mamacita, Blattgold, Gangnam Kitchen und viele andere, gar nicht gibt. Sie gehören zur Firma Delivery Hero, dem Mutterkonzern von Mjam. Sie sind sogenannte Ghost Kitchens. Restaurants, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Man kann dort nicht essen gehen, nur das Bestellen ist möglich.
Was sind Ghost Kitchens?
Ghost Kitchens sind, um es genau zu nehmen, eigentlich gar keine Restaurants, es sind nur Marken, die von Delivery Hero erfunden werden. Diese können, wie bei einer Franchise so üblich, an andere Lokale vergeben werden, die daraufhin die Speisen nachkochen können, um sich so etwas Geld dazu zu verdienen. Das Ganze kann man sich ungefähr so vorstellen, dass zum Beispiel Amazon plötzlich beschließt, Schuhe zu produzieren und deshalb eine Marke erfindet, die damit wirbt, nachhaltig und robust zu sein und diese günstig und unter falschem Namen bei einem kleinen Schuster verkauft. Der Kunde glaubt dann, faire Schuhe bei einem kleinen Unternehmen ergattert zu haben, weiß aber nicht, dass er reingelegt wurde und eigentlich billig produzierte Schuhe bei einem riesigen Konzern kaufte, der sich natürlich nicht für Nachhaltigkeit und faire Lohnarbeit interessiert. Der Kunde wird also getäuscht.
Das Ganze geht aber noch weiter. Hinter den Rezepten steht nämlich ein Algorithmus wie bei jeder anderen Suchmaschine. Mjam wertet die Daten und Suchanfragen der Nutzer aus und kann nun die perfekte Mahlzeit zur perfekten Tageszeit mit den besten Chancen in einer neuen Nachbarschaft bestimmen. Zu Mittag sind es Salatbowls. Am Abend sind es Burger. Bei Sportevents ist es Pizza.
Daraufhin kauft sich Mjam an einem neuen Standort bei einem echten Restaurant ein und kann in dieser Küche bis zu 15 neue Restaurants kreieren. Social-Media-Kampagne, Konzept und Infrastruktur stehen binnen kürzester Zeit. Die Website erinnert an einen hippen Startup, die Fotos an Influencer. Die Namen der neuen Restaurants – zufallsgeneriert und catchy.
Die eigentliche Arbeit muss schnell gehen. Rezepte und Zutaten bekommen die neuen Küchen dann von Mjam selbst. Sie werden tiefgekühlt geliefert und vor Ort aufgetaut. Von frischem Essen also keine Spur. Die Köche müssen flexibel sein und zu jeder Tageszeit andere Gerichte perfekt nachkochen. Jedes Salatblatt gleich schneiden, die Nudeln immer gleich lang kochen und die Pfanne immer gleich schwenken, denn der Kunde erwartet sich letzten Endes dasselbe wie beim letzten Mal. Und Mjam verdient bei jeder Lieferung etwas mit. Wenn ein Restaurant mal nicht so gut läuft, wird es mit wenigen Klicks wieder entfernt.
In den USA, wo bestelltes Essen einen höheren Stellenwert hat als bei uns, befinden sich solche Küchen teilweise schon in umgebauten Lagerhallen und es ist offensichtlich, dass die Sache nicht mit fairen Arbeitsbedingungen Hand in Hand geht. Jeder weiß, dass die Essenslieferanten bei Mjam, wie bei jedem anderen Lieferservice auch, schlecht bezahlt werden. Jeder weiß, dass illegale Küchen in Wien kein schlechter Scherz sind.
Etwas mehr Transparenz wäre schön gewesen
Das Konzept von Ghost Kitchens mag zwar einige Vorteile mit sich bringen, das Essen ist ja schließlich nicht so schlecht, und der Kunde bekommt auch das perfekt auf den Lieferservice abgestimmte Essen. Doch wie kann es sein, dass ein Restaurant, das es eigentlich gar nicht gibt, mit healthy und fresh werben kann, wenn die Speisen eigentlich nur im Laden um die Ecke aufgetaut werden? Wie kann es sein, dass ein Restaurant nicht angeben muss, dass es eigentlich ein anderes ist? Wo kommen die Zutaten her? Und vor allem: Wo wird eigentlich gekocht?
Das alles sind Fragen, auf die man so schnell keine Antworten findet. Denn Ghost Kitchens haben tatsächlich die Eigenheiten von Geistern. Mal sind sie hier, mal sind sie dort. Sie tauchen auf einmal auf und sind dann da. Man blickt durch sie hindurch und sieht nichts. Und wie man mittlerweile weiß, sind sie nicht einmal real. Hinter dem ganzen Spuk stecken nämlich nur Delivery Hero und ausgebeutete Arbeitnehmer.
Ich wünscht ich könnt.