Die ungewöhnlichen Held*innen der Corona-Krise

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Die Corona-Krise beeinflusst gerade unser aller Leben, ob wir zu Hause ausharren, oder weiter wie gewohnt unseren Beschäftigungen nachgehen müssen, an niemandem geht sie wohl unbemerkt vorbei. Doch können wir daraus, wie unsere Gesellschaft auf die Krise reagiert, auch etwas lernen? Ein Bereich, den ich aus einem neuen Blickwinkel betrachten möchte, ist der der Arbeit.

Um Punkt 18 Uhr öffnen sich in Österreich die Fenster und es wird geklatscht und gejubelt. Applaudiert wird für die Menschen, die trotz der außergewöhnlichen Situation, in welcher wir uns aufgrund der Covid-19 Pandemie zurzeit befinden, weiter ihrer Lohnarbeit nachgehen müssen. Es sind Menschen, die in sogenannten systemrelevanten Berufen arbeiten. Berufe also, die trotz der Gefahr, welche mit dem Verlassen des Hauses derzeit verbunden ist, weiter ausgeübt werden müssen, da sonst das System unserer Gesellschaft unweigerlich in sich zusammenbrechen würde.

Ist Dank genug?

Nun muss einem bei näherer Betrachtung, vielleicht für manche verwunderlich, auffallen, dass es sich hierbei zu einem Großteil um Berufsgruppen handelt, die normalerweise selten im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen und oft zu prekären Arbeitsbedingungen arbeiten müssen. Es handelt sich unter anderem um Pfleger*innen, Verkäufer*innen in Supermärkten und Drogerien, Mitarbeiter*innen in der Lebensmittelproduktion, Reinigungskräfte, Postler*innen und Lieferant*innen, Ärzt*innen, um nur einen kleinen Teil zu nennen. Ihre Unerlässlichkeit wird nur selten mit angemessenem Gehalt oder zumutbaren Arbeitszeitregelungen belohnt. Eine größere Wertschätzung diesen Personen gegenüber ist jedenfalls zu begrüßen, fraglich ist nur, ob das genug sein kann oder ob wir, nach und auch während der Krise, über die Wertigkeit mancher Berufe nachdenken sollten. Wertschätzung ist wichtig, definitiv. Von Wertschätzung kann jedoch niemand seine Miete oder Schulmaterialien für seine Kinder bezahlen, oder bekommt durch zermürbende und stressende Bedingungen verlorene Lebenszeit zurück.

Unsere Gesellschaft baut angeblich darauf auf, dass Leistung durch Geld belohnt wird. Eine solche Krise ändert das nicht, kann aber dazu geeignet sein, Fehler im System aufzuzeigen, da sie uns offenbahrt, was und wen wir wirklich dringend brauchen und wo Wertigkeiten offensichtlich verschoben sind. Anstrengende und wichtige Arbeit wird eben nicht immer auch durch eine entsprechende Entlohnung honoriert.

Supermärkte als Versorgungszentren

Mitarbeiter*innen im Einzelhandel kommen derzeit stark an ihre Grenzen, Arbeitszeiten werden erhöht und die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen werden erst jetzt langsam eingesetzt. Der Job an der Kasse des Supermarktes ist derzeit wegen des unvermeidbaren Kundenkontakts ein potentiell lebensgefährlicher Beruf. Das Einstiegsgehalt für eine*n Einzelhandelskauffrau/mann beträgt 1.600 EUR brutto. Das ist ein Betrag, mit dem die Bestreitung des Lebensunterhalts, zum Beispiel als Alleinerzieher*in, schon einmal schwierig werden kann. Zum Vergleich: Ein*e Investmentbanker*in erhält um die 4.700 EUR brutto. Haben die eigentlich aufgehört zu arbeiten? Ich weiß es nicht, und es wäre mir wohl auch nicht aufgefallen. Glücklicherweise sollen Beschäftigte im Handel einen „Corona-Bonus“ erhalten. Eine längerfristige Lösung hin zu besserer Bezahlung kann dies aber nicht ersetzen.

Der Gesundheitsbereich im Ausnahmezustand

An vorderster Front der Krise stehen sicher die Ärzt*innen. Auch wenn diese nicht zu den Wenigstverdienenden gehören, klagen sie in Österreich auch schon lange über schlechte Arbeitsbedingungen, immer mehr junge Ärzt*innen wandern ins Ausland ab, da sie sich dort bessere Karrierechancen und bessere Bedingungen erwarten. Ein Umstand, der unserem Gesundheitssystem sicher nicht zuträglich ist.

Auch Pfleger*innen gehören zu den Gruppen von Menschen, deren Tätigkeit nicht einfach beendet werden kann. Gerade hierbei handelt es sich um eine zwischenmenschlich extrem wichtige Tätigkeit, die unerlässlich für das Bestehen unserer Gesellschaft ist. In den Wochen vor dem Beginn der Corona-Krise war die Gewerkschaft dabei, für den Sozialbereich die Einführung einer 35-Stunden-Woche zu erkämpfen, um die Arbeitnehmer*innen von ihrer herausfordernden Arbeit zu entlasten. Die Kollektivvertragsverhandlungen endeten diese Woche mit einem für viele Betroffene höchst unzufriedenstellenden Ergebnis. Obwohl die derzeitige Situation die Wichtigkeit der Arbeitenden im Sozialbereich unterstreichen sollte, war von Seiten der Arbeitgeber*innen kein Nachgeben zu erreichen.

Unter besonders schwierigen Bedingungen arbeiten sogenannte 24 Stunden Pfleger*innen. Diese befinden sich meist in einer Scheinselbstständigkeit, sind dadurch sozial nicht abgesichert und jeglicher Kontrolle ihrer Arbeitsbedingungen entzogen. Sie arbeiten lange Stunden und verdienen weniger als jeder Kollektivvertrag erlauben würde. Da der allergrößte Teil dieser Pfleger*innen aus dem Ausland stammt, hat sich aufgrund der geschlossenen Grenzen eine besonders skurrile Situation ergeben, die uns auch zum Nachdenken anregen sollte. Da die Pflegekräfte aus dem Ausland fehlen, sie aber dringend gebraucht werden, werden sie nun von Österreich zu Hunderten aus Ländern wie Bulgarien und Rumänien eingeflogen. Allein dies sollte uns klarmachen, wie wichtig diese Personen sind, uns aber auch dazu anregen, ihre Situation zu verbessern. Das Gegenteil war nämlich in den letzten Jahren der Fall. Noch unter der letzten schwarz-blauen Regierung wurde durch die Indexierung der Familienbeihilfen, eine gerade diesen Personen zustehende Sozialleistung, gekürzt. Diese Maßnahme ist nicht nur sehr fragwürdig motiviert, sondern der Meinung vieler Expert*innen nach vermutlich auch EU rechtswidrig.

Nahrungsversorgung zu einem hohen Preis

Alarm schlägt mittlerweile auch die Landwirtschaft. Durch die geschlossenen Grenzen fehlen, ähnlich wie in der Pflege, ausländische Arbeitskräfte am Feld. Die Ernte droht ungepflückt zu verderben. Inländische Arbeitskräfte scheinen nur schwer zu finden zu sein. Dies ist auch wenig verwunderlich, müssen nunmal auch hier die Erntehelfer unglaublich schlechte Arbeitsbedingungen erdulden. Die Bezahlung variiert je nach Bundesland. In Oberösterreich garantiert der Kollektivvertrag etwa einen Bruttolohn von nur 1.270 EUR. Selbst dieses Gehalt wird aber oft nicht verlässlich ausgezahlt, immer wieder hört man von Arbeiter*innen, die um ihre Bezahlung betrogen werden, ohne die Kenntnisse oder die Fähigkeit sich zu wehren. Auch Arbeitszeitgesetze werden regelmäßig außer Acht gelassen und auch die Miete für die zur Verfügung gestellte Unterkunft wird oft zu viel zu hohen Preisen verrechnet. Vermutlich werden die über die neue Initiative des Landwirtschaftsministeriums angestellten Arbeitskräfte, die nun besonders um Student*innen wirbt, bessere Konditionen erhalten. Nach der Krise wird aber wahrscheinlich alles seinen gewohnten Lauf nehmen.

Doch genau das sollten wir nicht hinnehmen. Die Personen, die jetzt unser System am Laufen halten und uns alle versorgen, sollten nicht nur während der Krise sondern auch danach belohnt werden. Und zwar nicht nur durch Wertschätzung, sondern auch durch eine nachhaltige Verbesserung ihrer Situation, also mit einer Entlohnung und zu Bedingungen, die der Arbeit, die uns alle erhält und zudem anstrengend ist, auch angemessen sind.

(Die oben ausdrücklich erwähnten Berufsgruppen sind natürlich nur ein kleiner beispielhafter Ausschnitt derer, die tagtäglich für uns alle kämpfen, doch bei kaum einer gibt es keinen Verbesserungsbedarf, weswegen sie alle miteinzuschließen sind.)

Juristin aus Wien, immer auf der Suche nach Antworten und Fragen.

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