Der junge Regisseur Franz Böhm bringt mit dem Dokumentarfilm „Dear Future Children“ die Geschichten von drei jungen Aktivistinnen auf die Leinwand, die auf drei Kontinenten für eine bessere Welt kämpfen. Die Portraits der Frauen, die in Hongkong für Freiheit, in Chile für soziale Gerechtigkeit und in Uganda für Klimaschutz kämpfen, gehen unter die Haut. Am dritten Juni kommt der Film in die österreichischen Kinos.
Das Gartenbaukino ist gesteckt voll, im Publikum sitzen fast ausschließlich junge Menschen. Es ist die Generation, die sich in einer Zeit multipler Krisen politisiert hat, deren neues Weltbild ältere Generation irritiert, die damit beginnt, Normen zu hinterfragen, die freitags auf die Straße geht, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Es sind die, die langsam aufhören, die Schieflagen der Welt einfach hinzunehmen. Der Regisseur Franz Böhm, selbst Anfang zwanzig, bringt mit dem Dokumentarfilm „Dear Future Children“ drei Geschichten auf die Leinwand, von jungen Menschen, die nicht nur leise widersprechen, sondern aktiv ihre Welt verändern wollen.
Das Wesen des Aktivismus
Der Film begleitet drei Aktivist*innen in drei Ländern: Pepper* ist an den Hongkonger Protesten gegen das chinesische Regime beteiligt, Hilda hat in Uganda Fridays for Future gegründet und Rayen kämpft in Chile an vorderster Front gegen soziale Ungleichheit. Alle drei Frauen gehen Risiken ein, um für ihr Ideal einzustehen, setzen ihr Leben und ihre Freiheit aufs Spiel. Rayen und Pepper* erleben in Chile und in Hongkong Polizeigewalt, die Schlagstöcke, Gummigeschoße und Tränengas einsetzt, um die Protestierenden zurückzuhalten. Doch es geht nicht um die spektakulären Szenen politischer Gewalt und Auseinandersetzung. Vielmehr spürt der Film dem Wesen des jungen Aktivismus nach. Es geht um die Momente, die den Protest motivieren, um die Ängste, die ein Untätigbleiben nicht mehr zulassen, um Zweifel, die einen einholen und um die Hoffnung, die sich nicht mit Gewalt ersticken lässt.
„Dear Future Children“ spielt alle großen Emotionen durch – Wut, Angst, Trauer, Zuversicht – und lässt doch ein Gefühl nie aufkommen: Gleichgültigkeit. Regisseur Böhm erzählt im Nachgespräch von der Ausgangsmotivation, jungen Aktivismus besser verstehen zu wollen und davon, auch die Mitte der Bewegung vor den Vorhang zu holen, anstatt immer wieder nur die populärsten Stimmen zu zitieren. Statt einen bewundernd-voyeuristischen Blick auf die Protagonistinnen zu werfen, der abstrahierend über die Aktivistinnen spricht, erzählen die drei jungen Frauen selbst. Sie sind Erzählerinnen und Figuren zugleich, haben die Macht über ihre eigene Geschichte. Die Perspektive, die das Publikum einnimmt, ist der Winkel, aus dem auch die Protagonistinnen auf ihr Tun blicken. Und so sehr ihre Erzählungen auch unter die Haut gehen, fehlt dann an manchen Stellen die Kontextualisierung. Informationen zu den Hintergründen der Protestbewegungen, ihren Forderungen, ihren Niederlagen und Erfolgen, werden zwar stellenweise eingespielt, bleiben aber auf einer Ebene, die den direkten Bezug zu den Protagonistinnen manchmal vermissen lässt. Dennoch: Die Geschichten, die die jungen Frauen erzählen, inspirieren auf eine Art, die weit über die banalen Selbstermächtigungskitsch hinausgeht. Man spürt, dass hier wirklich etwas auf dem Spiel steht. Die jungen Menschen kämpfen für nichts weniger als die Möglichkeit einer Zukunft, ihre eigene und die all derer, die danach noch kommen.
Die eigene Wirksamkeit
Nach dem Screening wird das Publikum gefragt, wie es auf die eigene Zukunft blickt und soll per QR-Code darüber abstimmen. Die Ergebnisse sind heftig: Der überwiegende Großteil macht sich Sorgen, während nur eine kleine Minderheit Glück beim Gedanken an die Zukunft empfindet. Die Klimaaktivistin Lena Schilling ruft bei der anschließenden Diskussion dazu auf, sich zu überlegen, was man selbst tun möchte, nachdem man den Kinosaal verlassen hat. Diese Frage hallt nach, denn auch der Film selbst lässt dieses Gefühl zurück. Wer möchte ich gewesen sein? Was kann ich bewirken? Wofür setze ich mich ein? Wofür ist es wert, zu kämpfen? All diese Fragen wirft der Film auf, ohne sie direkt anzusprechen. Denn Pepper*, Rayen und Hilda erzählen zwar von ihrem individuellen Engagement und den Momenten und Gedanken, die ihren Kampf zu etwas Einzigartigem machen – gleichzeitig stehen sie auch stellvertretend für tausende andere Aktivist*innen, die gegen ähnliche oder andere Ungerechtigkeiten kämpfen, in allen Ländern und auf allen Kontinenten. „Dear Future Children“ inspiriert und zeigt zugleich auf schmerzhafte Weise, dass es in vielen Fällen die eigenen Privilegien sind, die ein Untätigbleiben überhaupt möglich machen. Denn diese Wahl haben Pepper*, Hilda und Rayen nicht: Die Zukunft liegt in ihren Händen.
Alle Bilder (c) Stadtkino Filmverleih
*Um die Protagonistin zu schützen, wurde Pepper als Pseudonym gewählt.
Hier findet ihr alle Details zum Film.