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HipHopHand | Wie tiefsinnig ist deutscher Rap?

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In dieser Kolumne betrachtet unser Kolumnist Marten McFly die große bunte Welt des Deutschrap. Er will euch überraschende Einblicke, versteckte Perlen und durchdachte Kritik nahebringen. Diesen Monat geht es um die Frage, wie tiefsinnig Deutschrap eigentlich sein kann.

Titelbild: (c) Max Hammel

Ein beliebter Trend im Youtube-Kosmos von Deutschrap sind Kompilationen von besonders dummen Zeilen aus Deutschrap-Liedern. Das verwundert nicht. Viele Menschen verbinden deutschsprachige Rapmusik mit dummen Aussagen und es gibt mehr als ausreichend Künstler*innen, die Stoff für solche Zusammenstellungen liefern. Seitdem ich mit 17 Jahren auf einer Jam die Punchline „es fallen Bomben auf dich wie im kalten Krieg“ gehört habe, genieße auch ich solche Kompilationen. Schön, dass es im weitgefächerten Deutschrap-Spektrum auch absoluten Schwachsinn gibt.

Vorurteile

Doch wenn ich von Nicht-Rap-Hörer*innen mit solchen Vorurteilen konfrontiert werde, trifft mich das. Schließlich habe ich seit meiner Jugend die Erfahrung gemacht, dass mich die Auseinandersetzung mit Deutschrap in meiner Persönlichkeitsentwicklung weiterbringt. So hat mir beispielsweise als junger Erwachsener die Zeile „So ist es eben, Prioritäten lenken Leben“ (Doppeltes Risiko – Curse feat. Stieber Twins – Jive Records – 2000) stark geholfen, diese Erkenntnis einzusehen.

Klartext wirkt flach

Trotz aller Klischees ist deutschsprachige Rapmusik wahrscheinlich die tiefgründigste Musikrichtung, die wir 2020 haben. Das liegt keinesfalls daran, dass Rapper*innen einfach mehr Wörter in den Texten unterbringen können. Ganz im Gegenteil. Lange Texte offenbaren viel eher die Brüchigkeit von scheinbar tiefen Gedankengängen. Diese Tiefe hat andere Gründe. Gute Rapper*innen tun sich im deutschsprachigen Raum traditionell sehr schwer damit, einfache Erkenntnisse festzuhalten. Während im Rap auf Englisch, Französisch und Spanisch viel unbefangener Kalenderweisheiten rezitiert werden, scheut sich das Gros der deutschsprachigen Rapper*innen vor diesem Klischee. Diese Angst ist letztendlich mehr Segen als Fluch. Es wird von vielen Künstler*innen eher versucht, Gedankenanstöße zu geben anstatt Weisheiten festzuhalten. Lieber eine phantasieanregende Zeile schreiben, als irgendetwas in Stein meißeln.

Die Zuhörer*innen entscheiden über die Tiefe mit

Künstler*innen im Deutschrap, die das machen, erschaffen damit potentiell tiefere Erkenntnisse, als es sonst denkbar wäre. Denn nur dies bietet den Hörer*innen die Möglichkeit, das Nicht-Gesagte mit eigenen Gedanken zu füllen. Genau das ist das Schöne daran. Gute deutschsprachige Rapmusik ist ein Selbstbaukasten, in dem viele Teile fehlen. Es lässt sich damit beim Hören etwas viel Größeres bauen, als der Verfasser es sich überhaupt vorstellen kann.
Wer mit diesem Blick auf Musik zugeht, wird fündig werden. Wie tiefsinnig ist deutscher Rap? Das hängt ganz von dir als Hörer*in ab!


Marten McFly – Rapper, Interviewer und Kolumnist aus Berlin

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