Kinder kriegen in Zeiten der Klimakrise – Was denken junge Wiener*innen?

/
10 mins read
Start

Verzicht auf Kinder im Namen des Klimaschutzes? Immer mehr junge Menschen machen sich Gedanken über das Gründen einer eigenen Familie, um das Klima aber auch die Kinder selbst zu schützen. Wir haben einige von ihnen befragt und sie über diese polarisierende Frage reflektieren lassen.

Immer mehr junge Personen äußern sich kritisch bezüglich der Aussicht später eigene Kinder zu bekommen oder eine Familie zu gründen. Als Grund dafür werden die Klimakrise und die erwarteten Gefahren dieser für jetzige, aber vor allem für zukünftige Generationen genannt. Es scheint eine ethische und auch stark emotional aufgeladene Diskussion zu sein. Ist es vertretbar oder sogar verantwortungslos in die jetzige Welt ein Kind zu setzen? Die Sicherheit des Kindes spielt in vielen Argumentationen eine Rolle, aber auch das Klima und der zunehmende CO2-Ausstoß durch Überbevölkerung. Hinzu kommen Kriege und Konflikte, die durch den Klimawandel verstärkt werden. Einige junge Wiener*innen, die sich bereits mit dieser kontroversen Frage auseinandergesetzt haben, klären uns über ihre eigenen Einstellungen und Beweggründe auf.

Spielt das Klima und die ökologische Krise in deiner Entscheidung später eine Familie zu gründen eine Rolle?

Selin, 23:

Ja, es spielt auf jeden Fall eine Rolle. Wir spüren schon jetzt die Ausmaße und ich weiß nicht, wie das sein wird, wenn ich in zehn Jahren ein Kind bekomme. Ich möchte nicht ein Kind in die Welt setzen, wenn ich weiß, dass es unter diesen Folgen leiden und es nicht einfach haben wird. Plus – ich möchte auch nicht unbedingt zur Überpopulation beitragen. Wenn ich wirklich den Wunsch nach einem Kind habe, dann habe ich auch die Option zu adoptieren und ein Kind aufzunehmen, das schon „da“ ist. Ich finde generell, dass ein Kind zu bekommen, egoistisch ist. Ich verstehe es, aber es ist schon ein sehr egoistischer Gedanke. Im Moment habe ich nicht vor, Kinder zu bekommen, keine Ahnung wie es in zehn Jahren aussieht. Außerdem glaube ich, dass durch die Klimakrise und Waldrodungen auch nur noch mehr Pandemien entstehen werden. Und welche Mutter oder Vater will ein Kind in eine Welt setzen, in der es die ganze Zeit nur Schwierigkeiten und kein einfaches Leben hat? Man will ja auch nur das Beste für sein Kind. Das kann man dann einfach nicht mehr bieten, wenn alles nur intensiver und schlimmer wird.

Julius, 25:

Nein, das tut es nicht. Ich denke zwar einerseits, dass die Anzahl der Menschen so schnell gestiegen is, führt zur noch schnelleren Abnutzung von Ressourcen. Andererseits ist der zweite zentrale Aspekt für diese Abnutzung die Art des Wirtschaftens. Wenn sich die nicht ändert, wird auf kurz oder lang trotzdem die Klimakrise weiter verschlimmert. Insofern denke ich, dass ich dadurch, keine Familie zu gründen, möglicherweise die Klimakrise verlangsamen kann. Allerdings wird erst eine Veränderung des Wirtschaftssystems zu einer langfristigen und nachhaltigen Lösung beitragen. Für mich persönlich kommt noch hinzu, dass ich Kinder liebe.

Florian, 24:

Ja, es spielt eine Rolle. Es ist ein bisschen schwierig zu erklären. Es gibt ja viele Gründe, die dagegen sprechen könnten, eine Familie zu gründen oder Kinder zu bekommen. Ein großer Punkt für mich ist auf jeden Fall eine gewisse Stimmigkeit, die in dem Ganzen fehlt: eine Gleichung in meinem Kopf, eine Rechnung, die nicht aufgeht.Es geht viel um die Ressourcen, die wir als Menschheit oder als Gesellschaft verbrauchen. Ich denke, dass es viel weniger bräuchte. Da gehört natürlich auch die Familienplanung dazu. Ein Kind verbraucht ja auch ganz viele Ressourcen, Rohstoffe und natürlich auch CO². Ich bin da auf einer Linie mit Greta Thunberg: Das ist ein Ausnahmezustand und es ist jetzt Panik angebracht. Für mich fühlt sich das oft auch wirklich an wie eine Krise. Bei dem Gedanken, in Krisenzeiten ein Kind zu bekommen, habe ich nicht wirklich ein Gefühl von Sicherheit.

Da geht es natürlich auch viel um das Wohlergehen der theoretischen Kinder und darum, dass ich ihnen auch eine Zukunft oder einen Ort überlassen will, wo ich sie sicher weiß. Das ist in der derzeitigen Situation nicht wirklich gegeben. Da habe ich eher das Gefühl, ich schmeiße sie in eine Welt, in der momentan einiges ziemlich schief läuft und sie einem großen Druck, einem großen Handlungsdruck, ausgesetzt sind. Ich kenne das ja von mir selbst. Unsere Generation ist mit vielen Fragen und Problemen konfrontiert und wir fühlen uns als Generation jetzt schon total überfordert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das besser wird, ich glaube das wird eher schlimmer. Es gibt auch viele andere, sehr dringliche Themen in meinem Leben, die mich bewegen oder beschäftigen. Die Familienplanung rückt da einfach in den Hintergrund. Das kann sich aber natürlich auch noch ändern, es ist nur mein derzeitiger Status Quo.

Emma, 24:

Jein. Einerseits sind mir nämlich sehr wohl die Auswirkungen der Klimakrise bewusst und ich stelle mir häufig die Frage, ob ich es überhaupt verantworten kann, ein oder mehrere Kinder in die Welt zu setzten. Andererseits war mir immer schon klar, dass ich Kinder bekommen möchte und später eine, je nachdem wie es finanziell möglich ist, große Familie gründen. Es ist ein sehr schwieriges Thema, weil ich derzeit damit konfrontiert bin, etwas zu hinterfragen, was ich von klein auf eigentlich fix in meinem Lebenslauf gesehen habe – nämlich eine Familie zu gründen. Adoption wäre natürlich auch eine Alternative, für die ich sehr offen wäre und auch sehr schön finden würde. Damit würde man nicht noch mehr zur Überbevölkerung beitragen. Gleichzeitig ist ja die eigentliche Frage, wie gut es sich in der Zukunft überhaupt noch Leben lässt und ob man seine Kinder in so eine Welt bringen möchte? Trotzdem möchte ich, auch wenn mir bewusst ist, dass das eine egoistische Handlung ist, später ziemlich sicher Kinder bekommen und eine Familie gründen. Vielleicht muss ich hier einfach egoistisch handeln?

Mira, 23:

Um es kurz zu machen: Ich liebe Kinder und deswegen bricht mir die Vorstellung, mein Kind in einer Welt aufwachsen zu sehen, die sich immer mehr kaputtmacht, das Herz.

Zwischen Sicherheit und Egoismus

Die meisten Personen stehen diesem eher schwierigen Thema mit einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Meinung gegenüber. Allen scheint die Bedrohung durch die Klimakrise und der Zusammenhang mit dem eigenen Kinderwunsch durchaus bewusst zu sein. Dass dem zukünftigen Kind möglicherweise keine Sicherheit mehr geboten werden kann, spielt eine zentrale Rolle. Gleichzeitig wird auch darauf aufmerksam gemacht, dass weitere Kinder zum Bevölkerungswachstum beitragen würden und dies durch den Verzicht auf eigene Kinder beeinflusst werden könnte. Als Alternative zum leiblichen Nachwuchs wird oft die Möglichkeit der Adoption genannt. Interessanterweise sprechen viele auch davon, dass die Verwirklichung des Kinderwunsches etwas Egoistisches sei.

Doch – trotz all dieser klaren Meinungen scheinen die meisten der jungen Personen ihre Zukunft nicht in Stein gemeißelt zu sehen und die Familiengründung noch nicht vollständig abgeschrieben zu haben. Zusätzlich zu einem klaren Bewusstsein über die Gefahren der Klimakrise und deren Bedrohungen für einen selbst und für potentielle Kinder, sowie dem Bewusstsein über die Notwendigkeit des individuellen Beitrags zum Klimaschutz, kann es trotzdem möglich sein, seiner eigenen Zukunft Platz zu lassen.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Previous Story

CERN – was passiert eigentlich in dem Riesendonut unter der Erde?

Next Story

CO2-Ausstoß online: eine originale Netflixproduktion?