Die Journalistin Eva Reisinger hat ein Buch über Österreich geschrieben. Nach ihrer Österreich-Reihe bei ze.tt ist Was geht, Österreich. Eine Landjugend mit Wodkabull und dem Herrgott jetzt im Kiwi-Verlag erschienen. Pointiert und mit einer großen Portion österreichischem Schmäh erzählt sie von den Eigenheiten der Alpenrepublik, von politischen Skandalen, Rechtsruck und Kaiserschmarren.
Es ist eine Enzyklopädie des Österreichischen. Die Autorin und Journalistin Eva Reisinger dekliniert in Was geht, Österreich? von A (Amen) bis Z (Zuckerl) die österreichische Mentalität durch. Dazwischen gibt es Rezepte und Mini-Sprachkurse für die, in österreichischer Mundart nicht ganz so geübte, Leserschaft. Man lernt auf Wienerisch zu granteln, im Kaffeehaus richtig Kaffee zu bestellen und bekommt die passenden Formulierungen für Pseudo-Optimismus mit auf den Weg.
„Man will sich das Leben nicht schwieriger machen, als es ohnehin schon ist. Es wird sich alles schon irgendwie ausgehen. Das nennt sich dann der Austrian Way of Life, das carpe diem der Alpen oder veni, vidi, eh schon alles wurscht.“
Die Autorin erzählt vom Aufwachsen am Land, vom Rechtsruck seit Jörg Haider und österreichischen Heiligtümern wie Arbeit oder Piefkenhass. Persönliche Erzählungen von Kellerpartys in Oberösterreich oder darüber, wie es ist, einen Rechten zu daten, mischen sich mit pointierten Analysen der österreichischen Politik zu einem überaus witzigen Panorama dieses kleinen, aber sich selbst so wichtig nehmenden Landes. Dazwischen fragt man sich, ob denn Österreich wirklich nur aus Klischees besteht. Nach fast 300 Seiten muss man sich selbst aber eingestehen: Ja, dieses Land ist selbst eine einzige Pointe.
„Wir sind nicht immer das Opfer“
Der wahrscheinlich stärkste Teil von Was geht, Österreich? ist das hochpolitische Nachwort. Hier hört das Buch auf, bloße Unterhaltung zu sein. Man kann viel über Österreich, viel über sich selbst lachen. Am Ende gibt es aber auch die Gesichter des Landes, die nicht nur humorvoll nacherzählt werden können. An diesem Punkt braucht es mehr als zynische Selbstkritik. Reisinger gelingt hier die phänomenale Verbindung von Satire, Analyse und flammendem Plädoyer. Trotzdem wird der Ton nicht pathetisch, sondern bleibt angenehm ungezwungen. Am Schluss findet Reisinger noch versöhnliche Worte. Österreich könnte so schön sein, ohne Rechtsruck, ohne Rassismus, ohne Ausgrenzung. An diese Utopie zu glauben, lohne sich. Denn schon heute gehen unzählige junge Menschen für Klimaschutz auf die Straße und setzen sich gegen Rassismus ein.
„Sie sind viel mutiger, intelligenter und politischer, als wir es vielleicht jemals sein werden. Sie treibt nicht der Egoismus an, ihnen geht es um viel mehr als sich selbst. Während ich mich mit 16 vor allem angesoffen hab, versuchen einige junge Menschen gerade, die Welt etwas besser zu machen.“
Die letzten Seiten des Buches sind daher auch jenen Menschen gewidmet, deren Arbeit man unbedingt verfolgen sollte. Österreichische Journalist*innen, Medienmacher*innen, Autor*innen und Künstler*innen, die sonst vielleicht einmal zu oft im politischen und medialen Mainstream untergehen. Diesen „Follow-Empfehlungen“ kann man sich nur aus vollem Herzen anschließen.
Österreich verstehen
In nahezu jedem Kapitel findet man Sätze, die man sich notieren möchte. Für den nächsten schlechten Tag, als Mutmacher für die nächste erfolglose Diskussion mit der Verwandtschaft oder für den nächsten Anfall von Österreichhass. Denn: Egal ob es um Korruption, Nazis oder vollkommene Kleinkariertheit geht – um durchzuhalten, braucht man dieses kleine bisserl österreichischen Schmäh. Es ist ein Buch für Landkinder, die die Wichtigkeit von Hauseinfahrten und Wodkabull kennen, für Stadtkinder, die nicht verstehen, wie man auf der Rolltreppe auf der falschen Seite stehen kann und sich grundsätzlich für fortgeschrittener und besser halten, und es ist für (Vorsicht!) Deutsche, die eine Anleitung zum Umgang mit Ösis brauchen. Kurz: Reisinger hat ein Buch geschrieben, das so unterhaltsam ist, dass man es weder weglegen noch viel mehr darüber sagen möchte als: Lest es einfach selbst. Es zahlt sich aus.
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