Weil es jede Woche etwas gibt, das nach dem kleinen bisschen Meinung verlangt. Weil wir finden, dass frech und vorlaut immer besser ist als zahm und gefügig. Deshalb gibt unser stellvertretender Chefredakteur Max Bell kurz vorm Wochenende seinen Senf dazu. Er mischt sich ein, überall und immer. Damit wir wissen, was war, was ist und welche Themen ruhig noch ein bisschen (vor)lauter sein dürfen. Diese Woche: Laudamotion und das Lohndumping.
Wie dieser Tage bekannt wurde, wird Laudamotion demnächst ihren Standort am Flughafen Wien schließen. Die Entscheidung folgte auf einen Streit mit der Gewerkschaft vida, die einen Kollektivvertrag, unter dem Flugbegleiter*innen nur mehr 848 Euro Einstiegsgehalt verdient hätten, ablehnte. Laudamotion wirft der Gewerkschaft vor, damit nicht im Interesse der Arbeitnehmer*innen zu handeln.
Das wirft die Frage auf, ob Arbeitsplatzerhalt um jeden Preis wirklich sinnvoll ist. Wie würde die Gewerkschaft nun dastehen, wenn sie einen Kollektivvertrag akzeptieren würde, unter dem die Mitarbeiter*innen potentiell so wenig verdienen, dass sie ohne einen Zweitjob oder Unterstützung von Dritten gar nicht leben könnten? Was würde das über den Wert von Arbeitnehmervertretungen aussagen?
Eine Zustimmung hätte bedeutet, dass sich die Gewerkschaft aktiv an der Schaffung einer „Working poor”- Gesellschaft beteiligt, wie sie in Amerika besteht, wo oft zwei Jobs gerade ausreichen, um die Existenz zu sichern. Es würde ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen werden, der sicher auf andere Industrien überschwappen würde. Die Gewerkschaft ist in diesem Fall die letzte Bastion der Arbeitnehmerrechte. Diese hintanzustellen, ist schließlich in der Flugindustrie nichts Neues.
Ryanair, der Mutterkonzern von Lauda, ist in der Vergangenheit immer wieder durch Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen aufgefallen. Etwa wurden deutsche Pilot*innen dazu angehalten, sich in Irland selbstständig zu machen, um dann über eine Leiharbeitsfirma an den Flugriesen „verliehen” zu werden. Somit hatten die Pilot*innen keinen Anspruch auf Arbeitnehmerschutz, wie etwa Krankenversicherung oder Pensionsvorsorge. Diese Form der Scheinselbstständigkeit führte dazu, dass Pilot*innen krank, und auf Schmerztabletten, ins Cockpit stiegen, um ihr Gehalt zu bekommen.
Ryanair gilt als Vorreiter dieser Form von „Sparmaßnahmen”. Diese machen die enorm billigen Ticketpreise von Diskontern wie Wizz Air, Eurowings oder eben Laudamotion erst möglich. Dass diese Preise aber auf dem Rücken von Arbeitnehmer*innen und Steuerzahler*innen zustande kommen, lässt sich leicht vergessen.
Am Ende muss man sich als Konsument fragen: Ist es das wirklich wert? Ob nun in der Fleischindustrie, in Lithiumminen oder im Flugbetrieb – wenn Staaten Konzerne, die ihr Geld mit Steuervermeidung, Lohndumping und gefährlichen Arbeitsbedingungen verdienen, nicht in die Schranken weisen, liegt es an uns, durch unsere Konsumentscheidungen und zivilgesellschaftlichen Druck dagegenzuhalten. Vielleicht überlegt man ja beim nächsten Billigflug, wer für das 30 Euro Ticket im Endeffekt bezahlen muss.
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