Warum die therapeutische Beziehung als wichtigstes Fundament der Therapie gilt

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Die Beziehung zwischen Therapeut*in und Patient*in ist der vielleicht wichtigste Faktor für die Wirksamkeit einer Therapie. Nur wie sieht diese Beziehung aus? Gibt es Richtlinien, an die sich beide halten müssen? Und was bedeutet es überhaupt, eine Beziehung zu jemandem zu pflegen, von dem man eigentlich kaum etwas weiß?

Sigrun Schmidt-Traub, eine Psychotherapeutin, schreibt von der therapeutischen Beziehung als wesentliche Bedingung, damit die Therapie Wirksamkeit erlangt. So soll ein Rahmen geschaffen werden, der es Patient* innen ermöglicht, sich angstfrei und offen über ihre Sorgen zu äußern. Die Theorie hört bei dieser Erkenntnis auf, in der Praxis eröffnen sich jedoch weitere Fragen. Es gibt nämlich mehrere Formen der Therapie, unterschiedliche Zugänge und auch die Beziehung zwischen Patient*in und Therapeut*in ist variabel. Melanie Heinrich, eine Psychotherapeutin, die in Wien arbeitet, hat uns einige Fragen dazu beantwortet.

Die entscheidende Frage nach der Therapieform

Die erste Entscheidung, die es zu treffen gilt, ist die Form der Therapie. In Österreich sind zurzeit 23 Methoden zugelassen, die sich in folgende Übergruppierungen kategorisieren lassen: tiefenpsychologisch, systematisch, verhaltenstherapeutisch und humanistisch. Heinrich, eine tiefenpsychologische Therapeutin, erzählt, dass es keinen universellen Leitfaden gibt, an den es sich zu halten gilt, sobald eine Beziehung zwischen Patient*in und Therapeut*in beginnt. Wichtig ist jedoch, dass es zuvor keinerlei Verbindung oder Beziehung zueinander gibt, da man als Therapeut*in unvoreingenommen reagieren muss. Heinrich erwähnt, dass auch die Frage des Ortes immer zu bedenken ist: In der Stadt gibt es mehr Therapeut*innen, am Land oftmals weniger.

Was bedeutet Abstinenz in der Individualpsychologie?

Laut der Abstinenzregel sollen von den Patient*innen übertragene Gefühle und Wünsche auf die Therapeut*innen weitgehend nicht befriedigt werden. Auch soll unter der Einhaltung dieser Regel keine Gegenübertragung stattfinden. Die Abstinenzregel zählt unter anderem zu den wichtigsten Werkzeugen der Behandlung in der Psychoanalyse. 

Wie werden Grenzen gesetzt?

„Vorrangig ist es die Aufgabe der Therapeut*innen, Grenzen zu setzen, die den Rahmen bestimmen. Natürlich ist es auch immer von der Universität, den Lehrenden, und weiterem abhängig wie streng diese Grenzen gesetzt werden“, erklärt Heinrich. Die therapeutische Beziehung ist außerdem eine Form von Beziehung, die man so noch nicht kennt. Daher fällt es Patient*innen oftmals schwer, diese auch einordnen zu können. Grenzen können unterschiedlich aussehen. Patient*innen, die sich erstmals in Therapie begeben, treffen auf ein Gegenüber, dem sie vieles anvertrauen, aber von dem sie wenig bis kaum etwas wissen. Es kann vorkommen, dass Patient*innen ihren Therapeut*innen persönliche Fragen stellen. „Wie weit gehe ich darauf ein, wenn ich so etwas gefragt werde? In der Individualpsychologie interessiert mich jedoch auch, warum Patient*innen das wissen möchten“, so Melanie Heinrich.

Therapeut*innen setzen Grenzen für sich selbst. Es wird dadurch auch ein Rahmen geschaffen, der für die Patient*innen und zur Art der Therapie passt. So konzentrieren sich tiefenpsychologische Ansätze darauf, einen abstinenten Rahmen zu schaffen, während sich die humanistische Therapie nach Jahren zwischen Patient*innen und Therapeut*innen auch in Richtung Freundschaft entwickeln kann. Es bleibt individuell.

Muster erkennen durch Projektion

Die Individualpsychologie nach Adler arbeitet etwas abstinenter als andere Richtungen. Es wird versucht, den Patient*innen so viel Raum wie möglich zu verschaffen. Hier arbeiten Therapeut*innen auch als Projektionsfläche, die umso effektiver ist, je weniger die Patient*innen von ihrem Gegenüber wissen. Trotzdem sind zwei Dinge bei der therapeutischen Beziehung in der Individualpsychologie wichtig.

Einerseits gilt die therapeutische Beziehung als Projektionsfläche, damit die Therapeut*innen in Sitzungen die Rolle anderer einnehmen können. Das passiert oftmals unbewusst. Der Rahmen ermöglicht es Patient*innen, Gefühle und Gedanken frei zu kommunizieren und zu spüren. Durch Projektion können Muster, die sich in anderen Beziehungen zeigen, erkannt werden. „Wenn Patient*innen sauer werden, spürt man die Wut. Es soll sich darauf verlassen werden, dass man als Therapeut*in das halten kann.”

Andererseits ist es von Bedeutung, dass auch die Beziehung als solche stimmt. „Für Patient*innen ist es wichtig, dass ihnen jemand gegenüber sitzt, der sich gut anfühlt. Die ersten Stunden sind ein Beziehungsaufbau, in der sich die Frage gestellt wird, ob man bleiben möchte. Hier muss die Sympathie oder das Gefühl stimmen. Die Beziehung beginnt, sobald Vertrauen aufgebaut wird”, erläutert Heinrich. Auch ist jede therapeutische Beziehung anders: Manchmal darf etwa miteinander gescherzt oder eine gemeinsame Sprache gefunden werden – es soll lediglich für beide stimmen, wie das aussieht, ist, wie so oft, unterschiedlich.

Wenn es schwierig wird

In der Therapie können Schwierigkeiten unterschiedliche Gesichter haben. Probleme können auftreten, wenn es schwierig ist, sich zu öffnen, zu bleiben in intensiven Zeiten, wenn der Impuls da ist zu gehen, oder etwas trotzdem anzusprechen, obwohl es sehr unangenehm ist und oft die Frage der Schuld aufkommt. „Hier wird der Punkt erreicht, die Therapie zu brauchen, sonst wäre es nicht auszuhalten. In der Individualpsychologie fühlt man negative Gefühle auch gegen Therapeut*innen, somit bedarf es einer Vertrauensebene, die zwischen beiden herrscht“, so Heinrich. Hier ist also klar, dass die therapeutische Beziehung nicht nur generell wichtig ist, sondern beim Aufkommen von Schwierigkeiten essenziell bleibt.

Die therapeutische Beziehung als einflussreiche Grundlage

„Es ist wichtig, dass es passt, für beide Seiten”, so Heinrich. Um in der Therapie Besserung zu erfahren, braucht es als erste Ebene eine vertrauensvolle, gute Beziehung zwischen Therapeut*innen und Patient*innen – egal, um wen es sich handelt, welchen Therapieansatz oder welche Thematik. Es ist die Voraussetzung, die zur selben Zeit Freude, Leid und alles, was man in Sitzungen teilen möchte, unterstützt und festigt.


Titelbild: Priscilla Du Preez / unsplash.com

 

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