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Barbie, Britney, Pam – Unerwartet feministisch

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Pamela Anderson erzählt in der Netflix-Doku „Pam: A Love Story“ aus ihrem Leben und wird plötzlich zum unerwarteten feministischen Vorbild. Damit ist sie nicht alleine. Auch Barbie und Britney Spears feiern ein feministisches Comeback. 

Barbie, Britney Spears und Pamela Anderson: drei Idole, drei Sexsymbole und drei Frauen, die mit dem Image der dummen blauäugigen Blondine berühmt wurden, begehrt von Millionen von Männern und Frauen weltweit. Doch nach dem steilen Aufstieg folgt meistens der rasante Fall. Das betrifft vor allem Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen. Tendenziell gilt: Frau hat perfekt zu sein, macht sie einen Fehler, ist der Weg vom allgemeinen Liebling zur verhassten Persönlichkeit nicht weit – zuerst für Schönheit und Talent gefeiert und später nur auf ihr Äußeres reduziert und verachtet.

2021 wurden vier Dokumentationen über Britney Spears veröffentlicht, die sich mit der Vormundschaft durch ihren Vater beschäftigten. Im Jahr davor publizierte Paris Hilton ihre Doku „This is Paris“ über ihre traumatischen Erfahrungen, die sie als Teenager in verschiedenen Internaten in Amerika machte. Kürzlich erschien die Doku „Pam: A Love Story“ auf Netflix. Die verschiedenen Formate interpretieren die Biografien dieser Frauen neu. Im Juli 2023 wird auch die Geschichte von Barbie in Form eines Spielfilms von Greta Gerwig neu erzählt, vermutlich ebenso mit feministischem Einschlag. Die Puppe ist seit jeher eine kontroverse Figur. Sie kam 1959 auf den Markt und sollte es kleinen Mädchen ermöglichen, sich beim Spielen nicht nur in der Rolle als Mutter einer Babypuppe wiederzufinden, sondern die erwachsene Barbie als Freundin zu entdecken. Allerdings wurde sie in den späteren Jahren stark dafür kritisiert, ein unrealistisches, ungesundes und vor allem weißes Schönheitsideal zu vermitteln.

Vom Playmate zur Feministin

Pamela Anderson war das nette Mädchen von nebenan, das sich in den 90er Jahren das erste Mal für den Playboy auszog und als Bombshell Männern weltweit den Kopf verdrehte: blond, großer Busen, Baywatch-Slowmotion. In einer Netflix-Doku erzählt sie jetzt dieses Leben neu. Basierend auf alten Videoaufnahmen und Tagebucheinträgen rekonstruiert sie ihre Geschichte – an der Oberfläche American Dream, hinter den Kulissen die Geschichte einer missverstandenen, misshandelten und medial ausgenutzten Frau. 1996 wird ein privates Sex-Tape von ihr und Ex-Mann Tommy Lee ohne deren Zustimmung veröffentlicht. Anderson erzählt vom Kontrollverlust und der öffentlichen Demütigung. Die Reaktionen der Öffentlichkeit zeugen vom Sexismus der 1990er Jahre: Als ehemaliges Playmate hätte sie jedes Recht auf Privatsphäre verloren, hieß es damals. In ihrer Autobiografie teilt sie ihre Geschichte das erste Mal selbst mit, befreit sich aus der Opferrolle und wird damit plötzlich zum feministischen Idol.

Sexismus sells

Als die Kanadierin Anfang der 90er in die USA ging, um dort Karriere zu machen, hätte es ein Befreiungsschlag werden sollen. Doch aus der Entscheidung, sich nackt zu zeigen, entwickelte sich eine Karriere als Sexbombe. Ihr Image als Playmate wurde zur Rechtfertigung, sie ohne schlechtes Gewissen zum Objekt zu degradieren, das keine eigene Stimme haben durfte. Denn das Patriarchat verachtet niemanden mehr als begehrte Frauen, deren pornografische Perfektion Brüche bekommt. Paparazzi, Medien und gewalttätige Männer drängten Anderson in die Opferrolle. Heute erfindet sich die Schauspielerin neu: als selbstbestimmte Frau und als Aktivistin mit Idealen, die sich für Tierrechte und Whistleblower wie Julian Assange engagiert. Die Dokumentation zeigt, wie der misslungene Versuch, sich zu emanzipieren, dreißig Jahre später einer 50-jährigen Frau gelingt.

Toxic Circus 

Britney Spears, gefeiert als Popstar, verurteilt als Mutter, wiederauferstanden als Roboter: In den frühen 2000er Jahren wurde sie als Pop-Prinzessin und als Everybody’s Darling verehrt. Nach einer kurzen Ehe mit Kevin Federling von 2004 bis 2007 und nach der Geburt ihrer zwei Söhne kam dann der Zusammenbruch. Man assoziiert mit dem Namen Britney Spears vor allem eines: einen kahlgeschorenen Kopf und eine Frau, die mit einem Regenschirm auf die Fensterscheibe eines Autos eindrischt. Nach einem mehrere Monate andauernden und öffentlich zur Schau gestellten Meltdown, wurde sie Anfang 2008 entmündigt. Ihr Vater Jamie Spears erhielt die volle persönliche, medizinische und finanzielle Kontrolle über sie.

Es folgten viele Jahre, in denen sie wie ein dressiertes Zirkuspferd ohne Pause arbeitete, vier Alben herausbrachte, etliche Touren absolvierte und eine Dauershow in Las Vegas bespielte. Wie viel davon ihr eigener Wille war und wie viel ihr aufgezwungen wurde, wissen wohl nur ihr Vater und sie selbst. Im November 2021, nach 13 Jahren Vormundschaft, erhielt sie ihr Recht auf ein selbstbestimmtes Leben zurück.

(Raben)-Mütter

Die sexistische Berichterstattung, die sie ihr Leben lang begleitete und die exzessive Verfolgung und Belästigung durch Paparazzi, zeigen viele traurige Parallelen zu anderen berühmten Frauen. Pamela Anderson und Britney Spears stehen dabei stellvertretend für alle Frauen, denen von der Klatschpresse jede Würde genommen wurde. Beide mussten sich oft den Vorwurf gefallen lassen, sie seien Rabenmütter. In den Medien wurden sie als It-Girls dargestellt, die um die Häuser ziehen und denen Feiern und Alkoholkonsum wichtiger waren als zuhause bei ihren Kindern zu sein. Ein Vorwurf, der nur ihnen galt, den Vätern ihrer Kinder aber oft erspart blieb. Eine Videoaufnahme aus Andersons Doku zeigt, wie sie und Lee beim Verlassen eines Clubs von Paparazzi bedrängt werden und ein männlicher Journalist mehrmals explizit Pamela danach fragt, wo denn ihr Kind sei.

Feminismus in Pink

Barbie, Britney und Pam machen auch die Bruchlinien zwischen den verschiedenen Feminismus-Generationen sichtbar. Einer Männerphantasie zu entsprechen, heißt heute lange nicht mehr, dass man nicht trotzdem Feministin sein kann. Denn auch das ist internalisierte Misogynie: Frauen wie Britney Spears und Pamela Anderson abzusprechen, Feministinnen zu sein, weil sie nicht in unsere Vorstellung von feministischem Frau-Sein passen. Doch gerade in diesen Figuren wird sichtbar, wie patriarchale Strukturen und Sexismus funktionieren. Sie werden begehrt und gleichzeitig genau dafür verachtet.

Schließlich geht es um Würde und Selbstbestimmung – unabhängig davon, ob eine Frau pinke Kleider trägt oder operierte Brüste hat. Denn das Bedürfnis nach Gleichberechtigung und Menschlichkeit verliert weder durch ein Playboy-Cover noch durch inszenierte Mädchenhaftigkeit seinen Wert. Die feministischen Kernthemen haben sich verändert – und damit auch die dazugehörige Ästhetik. Unter dem Schlagwort Hyper Femininity werden einst antifeministische Symbole zurückerobert: der Barbie-Look, die Farbe Pink und Schönheits-OPs.

Nicht die nackte Haut auf Playboy-Covers ist das feministische Symbol, das heute gefeiert werden darf, sondern die Eroberung der eigenen Geschichte. Anderson blickt in ihrer autobiografischen Dokumentation auf ihre Karriere zurück und demontiert damit die sexistischen Kommentare, misogynen Ausfälle von Moderatoren und die Abwertung ihrer Person. Der Film „Pam: A Love Story“ zeigt eine überwältigend sympathische Frau, die sich von ihrem Image befreit hat. Dieser Prozess von einer passiven in eine aktive Rolle macht sie schließlich zum feministischen Idol.


Titelbild: (c) Alesxas Foto/pixabay

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