Zwei sich bis dahin unbekannte Menschen. Zwei Stunden. Und eine Menükarte voller Fragen. Das sind die “Vienna Coffeehouse Conversations”. Regeln gibt es keine, es gilt jedoch der Grundsatz: Stelle deinem Gegenüber nur die Fragen, die du anschließend auch selbst beantworten möchtest. Wir waren dabei.
Es ist ein Dienstagabend Anfang August. Wir sind auf den Weg ins Café Ministerium. Der uns dorthin begleitende Nieselregen drückt kurz auf die Stimmung, kommt tatsächlich aber wie gerufen: Denn Kaffeehaus und lauer Sommerabend? Das passt einfach nicht. Ein traditionelles Wiener Kaffeehaus entfaltet seine Atmosphäre schließlich erst vollends, wenn es draußen etwas ungemütlicher wird. Perfekte Voraussetzungen also. Das Konzept des emeritierten Oxford-Professors Theodore Zeldin, auf dem die „Vienna Coffeehouse Conversations“ basieren, ist simpel. Zwei einander fremde Personen – idealerweise ein Local und eine reisende Person – nehmen an einem Tisch Platz, essen und trinken gemeinsam und unterhalten sich. Anstatt sich allerdings in Smalltalk zu verlieren, gewinnt das Gespräch mit Hilfe eines zweiseitigen “Fragen-Menüs” schnell an Tiefe.
Bereits die “Appetizer”-Fragen bieten Potenzial für stundenlanges Philosophieren: So könnte beispielsweise mit “Which parts of your life were a waste of time?” in den Abend gestartet werden, um sich anschließend mit Fragen wie “When did you last change your opinion about a major issue?” oder “How important are money and power to you?” auseinanderzusetzen.
Wie gut die Kaffeehaus Konversationen nach Wien passen, davon ist der Organisator des Events, Eugene Quinn, überzeugt. Der seit elf Jahren in Wien lebende Brite macht immer wieder die Beobachtung, dass die Wiener*innen Smalltalk eher wenig abgewinnen können, dafür aber umso besser in „Deep Talk“ sind.
Ob im Verlauf des Abends dabei der ganze Fragenkatalog im Gespräch integriert oder womöglich sogar nur eine Frage diskutiert wird, hängt von der Dynamik des “Paares” ab. Regeln gibt es bei den “Coffeehouse Conversations” keine, es gilt jedoch der Grundsatz: Stelle deinem Gegenüber nur die Fragen, die du anschließend auch selbst beantworten willst. Und genau hier liegt die Stärke des Konzepts. Denn in den zwei Stunden gilt es, aus typischen Smalltalk-Mustern auszubrechen. Stattdessen regen die Fragen der “Vienna Coffeehouse Conversations” dazu an, offen über persönliche Erlebnisse und Erfahrungen zu reflektieren. Dass man sich einen Abend lang bewusst Zeit nimmt und sich ausführlicher mit dem Gesagten auseinandersetzt, ist ein weiterer fühlbarer Unterschied zu alltäglichen Gesprächs- oder auch „Kennenlern“-Situationen. Wie gut die Kaffeehaus Konversationen nach Wien passen, davon ist der Organisator des Events, Eugene Quinn, überzeugt. Der seit elf Jahren in Wien lebende Brite macht immer wieder die Beobachtung, dass die Wiener*innen Smalltalk eher wenig abgewinnen können, dafür aber umso besser in „Deep Talk“ sind.
Erstaunlich dabei ist, wie schnell das Gespräch mit einer, vor wenigen Minuten noch unbekannten Person, auf ein vertrauensvolles Level wechselt. Nichts über jemanden zu wissen, bis man schließlich gemeinsam an einen Tisch gebeten wird, scheint enormes Potenzial zu bergen. Eugene Quinn äußert hier die Vermutung, dass diese Offenheit gerade deswegen möglich wird, weil das Gegenüber fremd ist und man sich (vermutlich) nie wieder sehen wird. Auch die Zufälligkeit, mit der die Gesprächspartner*innen einander zu Beginn zugeordnet werden, unterstützt die Idee der Veranstaltung. So bietet sich eine wunderbare Chance, der eigenen Bubble einen Abend lang zu entkommen.
Die namensgebende Umgebung des Abends, das Wiener Kaffeehaus,trägt ebenso positiv zur Gesprächsatmosphäre bei. Denn das Kaffeehaus muss nicht am Puls der Zeit sein, vielmehr darf es den hippen Lokalen der Großstadt, die ihre Konzepte wie Speisekarten gerade wahlweise nach Trend anpassen, lässig die kalte Schulter zeigen. Schnelllebigkeit wird gegen Gemütlichkeit getauscht, Authentizität gelebt. Folglich gibt es wohl keinen anderen Ort in der Stadt der so prädestiniert dafür ist, einen Abend voller tiefgründiger Gespräche zu beherbergen.
Unser Fazit: Die für das Gespräch angesetzten zwei Stunden vergehen viel schneller als erwartet. War man bei der Begrüßung noch neugierig und leicht aufgeregt, bleibt bei der Verabschiedung eine Art Vertrautheit, die man der anderen Person gegenüber verspürt. Als wir den Abend zusammen Revue passieren lassen, sind wir uns einig: Diese Offenheit sollten wir uns beibehalten. Und zwar nicht nur bei Menschen, die wir gerade erst kennen lernen, sondern auch bei jenen, die uns schon einige Jahre durch unser Leben begleiten. Dazu zählt sich weniger daran zu orientieren, wie lange man eine Person schon kennt oder wie gefestigt unser Bild von ihr ist. Sondern vielmehr aktiv und tatsächlich zuhören. Ganz so, als wäre dieser Mensch uns fremd. Wer weiß, vielleicht ergeben sich daraus ähnlich interessante Gespräche wie bei den Kaffeehaus Konversationen.
Die „Vienna Coffeehouse Conversations“ finden einmal pro Monat im Café Ministerium statt. Hinter dem Event steckt space and place, die auch Projekte wie die Vienna Walking Week oder die regelmäßig stattfindende Vienna Ugly Tour organisieren.
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