Ist unser Planet durch den Klimawandel an seinen ökologischen Grenzen angekommen? In welchem Zusammenhang steht damit der Wachstumsdrang des kapitalistischen Wirtschaftssystems? Braucht es eine Transformation der ökonomischen Verhältnisse? Und wenn ja, wie soll und kann diese aussehen?
Im Zuge der ökologischen Krise und der immer offensichtlicher werdenden Bedrohung durch den Klimawandel wird in letzter Zeit von Kritikern vermehrt der Kapitalismus hinterfragt. Auch in der Zivilgesellschaft werden die Rufe nach Veränderung immer lauter. In jüngster Zeit wurden deswegen zunehmend Ansätze entwickelt, die versuchen, Alternativen zu den derzeitigen Produktionsverhältnissen und den Standards des Ressourcen- sowie CO²-Verbrauchs zu bieten.
Eines der prominentesten unter diesen neuen Konzepten ist die Idee eines grünen Wachstums, welche zu einer „grünen“ und „nachhaltigen“ Wirtschaft beitragen will. Klar konträr dazu positioniert sich ein weiterer Konzeptansatz: Degrowth. Dieser betrachtet Wachstum als wirtschaftliches Ziel äußerst kritisch.
Was unterscheidet die beiden genau, und wie würde die von ihren Vertreter*innen angestrebte Veränderung der ökonomischen Verhältnisse tatsächlich aussehen?
Green Growth – wie jetzt, nur „nachhaltig“?
„Green Growth“ bzw. „Grünes Wachstum“ will eine Antwort auf die ökologischen Krisenmomente des bestehenden Systems geben. Hierbei sollen die bereits existierenden Strukturen mit Maßnahmen gegen Umweltverschmutzungen und -belastungen kombiniert werden. Das Konzept drängt also nicht, anders als wachstumskritische Positionen, auf eine vollkommene Transformation der ökonomischen Verhältnisse, um auf die ökologischen Probleme zu reagieren: Wirtschaftliches Wachstum soll weiterhin möglich gemacht werden, während gleichzeitig die Umweltbelastungen reduziert werden.
Damit würde außerdem ein Zurückschrauben des Ressourcen- und Emissionsverbrauchs einhergehen. Gleichzeitig soll auch der Wohlstand unserer Gesellschaften weiterhin gewährleistet werden können. Konkret spricht man hier von einer „Entkopplung“ des Wirtschaftssystems und der Umwelt, welche durch technische Innovationen ermöglicht werden soll.
Wenn Vertreter*innen von Regierungsparteien oder Organisationen, im Zuge der Debatte über Klima- und Umweltschutz, von „Nachhaltigkeit“ sprechen, basiert dies oft auf diesem Verständnis von Grünem Wachstum.
Degrowth – eine vollständige Transformation?
Im Gegensatz dazu steht „Degrowth“ bzw. „Postwachstum“, wie es oft synonym bezeichnet wird. Grundlage dieses Konzeptes ist die Ablehnung des, dem Wirtschaftssystem zugrunde liegenden oben beschriebenen, Dranges nach stetigem Wachstum. Problematisiert wird dieser deswegen, weil Wachstum im Kapitalismus als unendlich wahrgenommen und auch so behandelt wird. Die natürlichen Ressourcen hingegen sind dies schlicht und ergreifend nicht.
Degrowth fragt konkret danach, wie im Zuge eines Umbaus des ökonomischen Systems ein „gutes Leben für alle“ ermöglicht werden könnte. Zudem wird vermehrt die Notwendigkeit einer Lokal- und Regionalisierung des Wirtschaftens betont. Das Wachstum der Gesellschaften des globalen Nordens müsse eingeschränkt werden, damit auch der Ressourcenverbrauch zurückgehen und versucht werden kann, den ökologischen Problemen und deren Folgen Einhalt zu gebieten.
Die klare Abgrenzung zum herrschenden Wachstumsparadigma macht Degrowth zudem zu einer kapitalismuskritischen Perspektive, weil diese Idee von unendlichem Wachstum das kapitalistische System charakterisiert. Aber Degrowth geht es hierbei nicht zwingend um das komplette Verbot von wirtschaftlichem Wachstum. Vielmehr soll es zu einer neuen Art des Wirtschaftens kommen, die nicht von Wachstum abhängig ist um zu funktionieren und den Menschen einer Gesellschaft Wohlstand zu bieten.
Verwandte Ziele
Wie sich also eigentlich klar erkennen lässt, haben beide Ansätze grundsätzlich dasselbe Anliegen: eine Anpassung der ökonomischen Strukturen, um angemessen auf die ökologischen Probleme unserer Zeit zu reagieren.
Welcher der beiden Ansätze umsetzbar und geeigneter wäre, ist schwer zu sagen und ebenso breit diskutiert. Klar sollte jedoch sein, dass die Notwendigkeit einer Veränderung in Anbetracht der Klimakrise und der ökologischen Probleme immer wichtiger wird.
Das bestehende Wirtschaftssystem kann so, wie es jetzt ist, nicht mit den derzeitigen Herausforderungen umgehen und in keinem Fall zukunftsfähige Lösungen bereitstellen.
Ob die Veränderung durch die Entwicklung „nachhaltiger“ Technologien zur Herstellung eines grünen Kapitalismus kommt, oder doch durch eine Transformation hin zu einer wachstumsunabhängigen Ökonomie, könnte man grundsätzlich als zweitrangig betrachten. Wichtig ist letztlich, dass es im Kampf gegen die Klimakrise und bei der Bewältigung ökologischer Herausforderungen unserer Zeit endlich zu einer Veränderung kommt, bevor es zu spät ist.