In dieser Kolumne wird unser Redakteur Tyll Leyh erwachsen. Das ist zumindest der Plan. Er probiert Hobbys, scheitert und liefert dabei Einblicke in sein Seelenleben. Im ersten Beitrag erzählt er warum.
Da wache ich auf und fühle mich schwach. Die Gelenke schmerzen. Ich hätte gern länger geschlafen, doch es geht nicht. Geht nicht mehr. Selbst sonntags. Der Rhythmus ist weg, nach den langen, alltäglichen Kämpfen. Stattdessen bilde ich mir ein, dass ich die Zeitumstellung merke. Sagt das nicht alles? Ich kann meine Freizeit so nicht mehr verbringen, in dieser Sinnlosigkeit und im Exzess. Ich brauche etwas Neues, das mehr zum Rest meines Lebens passt.
Denn wie sah meine Freizeitgestaltung bisher aus? Man trifft sich, man unterhält sich, und derselbe Ablauf aus trinken, mehr trinken, betrunken sein, mehr trinken und nach Hause gehen, wiederholt sich aufs Neue. Es lohnt nicht mehr. Die Gespräche öden mich an, ich habe Husten am nächsten Morgen, mir ist schlecht, und lustlos quäle ich mich über den Tag, bei schlechter Stimmung und noch schlechterer Performance. Ich will die Veränderung, etwas in der Größenordnung zwischen neuer Frisur und nächster North Face Regenjacke. Ich will Trend, Fortschritt und am Puls der Zeit sein.
Stichwort Selbstoptimierung oder anders gesagt: Ich brauche ein neues Hobby.
Was also tun?
Deshalb werde ich mich journalistisch genau auf die Suche nach einer erwachsenen, zuerst einmal sportlichen, Freizeitbeschäftigung begeben. Meine neue Passion soll mir ganz realistisch die Erfolgserlebnisse bieten, die mir in Job und Freizeit verwehrt bleiben. Die Beschäftigung soll mich fit sowie belastbar machen und sich im besten Fall auch etwas nach Arbeit anfühlen. Außerdem wichtig: Mein neues Kleinod muss preislich skalierbar sein, ich möchte in Zukunft damit nicht nur vor der Familie flüchten, sondern ebenso gerne einen essentiellen Teil meines Geldes dafür ausgeben. Ich will Spaß empfinden, bei harter körperlicher Anstrengung. Das sind die Kriterien und sie werden alle erfüllt, habe ich mein neues Hobby gefunden.
Das Offensichtliche zuerst
Meine Suche startet mit dem Hobby schlechthin, gut für Rücken und Geist, Körper und Seele, Geldbeutel und Effizienz. Dem Laufen. Gerade jetzt im Herbst sehe ich sie überall. Die glücklichen Menschen in Leggings, die mit angestrengtem Blick, gut durchblutet ihre Runden drehen. Laut Spectra Sport-Studie gehen rund 16% der Österreicher einmal pro Woche laufen, und 16% der Österreicher können sich wohl kaum täuschen (Hust).
Wien ist Läuferstadt. Der Prater sein Mekka. Aber nicht nur die räumlichen Möglichkeiten bringen mich dazu, mit dem Laufen anzufangen. Auf dem Papier passt es nur allzu perfekt. Laufen ist leicht messbar, vergleichbar in diesem Raum der reinsten Leistung. Maximilian Probst nennt es nicht umsonst die „Königsdisziplin der modernen Selbstoptimierung.“ Es gibt keine Regeln, die Zufall oder Glück beeinflussen könnten, es gibt nur mich.
Außerdem fühlt sich nichts nach mehr Arbeit an als Puls 180, nichts ist günstiger zu Beginn (man braucht Schuhe) und kann später durch Sportkleidung, bessere Schuhe und Tracking-Devices richtig teuer werden. Menschen die laufen sind weniger krank, haben mehr Sex, mehr Kondition und mehr Intelligenz, es gibt keinen Grund nicht sofort die Schuhe anzuziehen und damit anzufangen, die Natur zu erfahren, den Flow. Wie Literat und Laufpapst Haruki Murakami sagt: „Ich laufe, um Leere zu erlangen“. Bye Bye Reizüberflutung, Stress und miese Laune. Hallo neues Leben.
Deshalb freut euch auf Folge #2: Leere und Laufen oder wie es sich anfühlt, gleich zu Beginn zu scheitern.
Ich weiß auch nicht, wie man das schreibt.