In dieser Kolumne wird unser Redakteur Tyll Leyh erwachsen. Das ist zumindest der Plan. Er probiert Hobbys, scheitert und liefert dabei Einblicke in sein Seelenleben. Diese Woche nimmt er die Dinge selbst in die Hand, also Akkuschrauber und Schrauben, um die Zeit mit lauten Nebengeräuschen zu verbringen, für die er sich noch nicht einmal bei der Nachbarin beschweren kann.
Der Einzug ist vollbracht, das Bett wieder aufgebaut, was nun fehlt, ist die wohnliche Atmosphäre.
DIY heißt es dafür – nein, das ist kein Song der Village People, es steht für Do-It-Yourself und ist das Motto, um aus der kleinen unaufgeräumten Wohnung den persönlichen Wohlfühltempel entstehen zu lassen. Es ist der Trend für Menschen, die so furchtbar stolz sein wollen auf ihren Tisch aus Bierkästen, oder noch kreativer, dem Bett aus gammeligen Paletten.
Gut, ganz so weit reicht meine kreative Energie dann doch nicht, ich beschränke mich erst einmal auf die Basics und werkle langsam und bestimmt am nächsten Hobbykandidaten: dem Heimwerken. In Feinripp und Schweiß will ich am eigenen Leib spüren, was mir wirklich in all den Jahren entgangen ist, in denen ich mich vor anstrengender körperlicher Arbeit gedrückt habe.
Ich mach das morgen fertig.
Man ist ja immer so stigmatisiert als Student, als Literaturwissenschaftler, als sanfte Seele mit ungewisser Zukunft, aber irgendwo unter den ganzen Gefühlen und der Redebedürftigkeit muss sie doch verborgen sein, meine archaische Männlichkeit, die nur darauf wartet, mal so richtig Dinge anzupacken. Vielleicht verschwindet damit ja meine Abneigung gegen Mannschaftssportarten und Männerabende gleich mit, und ich kann dann voller Elan und mit Wampe in die nächste Saison Bundesliga starten. Heimwerken soll dafür der erste Schritt sein.
Dabei war ich immer so stolz auf meine sanften und zarten Hände, mal schauen was von denen noch übrig bleibt. Aber erwachsen werden heißt eben auch, die Handcreme beiseite zu legen und sich so richtig in die Arbeit zu stürzen, während ich mich endlich den vorgegebenen Genderrollen füge und ganz automatisch Sätze von mir gebe, die wie aus schlechten RTL-Shows klingen.
„Was nicht passt, wird passend gemacht.“
Wir fangen mit dem Leichtesten an. Regale aufhängen. Nur wohin mit denen. Die Wände sind so weiß, und da jetzt den richtigen Ort für zu finden, erscheint mir eine zu willkürliche Entscheidung zu sein. Ich mein, die passen ja überall irgendwie hin. Egal, nicht überdenken, kopfüber in die Arbeit.
Während ich das Regal so mit meinen sanften Händen über den Kopf halte, frage ich mich dann allerdings doch, ob das wirklich besser ist, als Vorher-Nachher-Bilder von erfolgreichen Projekten im Internet anzuschauen.
Was genau soll das heißen, meine Hände zittern zu sehr, um die Löcher einzuzeichnen, dann ist es halt schräg, wird schon nichts runterfallen. Um mich zu beruhigen, bohre ich erst einmal ein paar Löcher, düble und schraube. Dann, schon erledigt, Regal hängt. Ein tolles Gefühl kommt in mir auf und ich finde es gar nicht mehr so schlimm, dass es jetzt zu schmal für die Ordner ist.
Stellen wir halt was anderes drauf.
Weiter geht’s mit den großen Maschinen, aber ist das normal, dass dieser prähistorische Bohrer inzwischen so komische Funken sprüht? Vielleicht ist der doch nicht für den Beton in der Decke gedacht? Oder es waren doch die falschen Aufsätze? Aber bis ich da jetzt die Richtigen finde, sind wir wahrscheinlich eh wieder ausgezogen.
Lieber Mittagspause.
Frisch gestärkt mit Kaffee, Leberkäse und zu hohem Cholesterin geht es dann weiter mit Projekt Nummer 3: Fahrradwandhalterungen. Ich zeichne drei Löcher an, bohre nach, düble und schraube den Bügel an. Fertig. So muss das laufen. Ohne Probleme, wieder schießt mir Testosteron in die Adern, so muss sich das anfühlen, wenn einem die Welt gehört.
Na ja gut, etwas schräg ist es schon geworden. Und irgendwie ist der Abstand zwischen den beiden Rädern zu groß. Nehmen sehr viel Platz weg, um ehrlich zu sein. Hatte mir das anders vorgestellt.
Egal.
Handwerken heißt nämlich nicht nur mit Lärm, sondern auch mit Kompromissen zu leben. Dann hängen die Räder halt zu weit auseinander, ich werde jetzt sicher nicht nochmal drei Löcher bohren und die alten zuspachteln, so dass es halbwegs so aussieht wie davor, wer hat denn Zeit für so etwas? Vielleicht reicht es ja auch schon für heute.
Dass dann aber wirklich Ende ist, merke ich beim Zuschneiden der Balkonfliesen von Ikea mit dem Küchenmesser. Da hilft auch nicht, dass ich mir mantraartig den Hornbach-Slogan „Es gibt immer etwas zu tun“ vorschreie. Lieber morgen nochmal in den Baumarkt fahren, für das richtige Werkzeug.
Fazit:
Heimwerken lässt mich nachdenken über klare Kanten und Strukturen zum Festhalten. Mir ist trotzdem klar geworden, dass gerade Winkel nicht alles im Leben sind.
Ein bis zwei weitere Regale liegen noch herum, vielleicht räume ich die auch in den Keller, bis ich zum Aufhängen komm. Da stehen die gut. Toll, dass es noch Projekte für die Zukunft gibt. Fühle mich inzwischen ja ganz wohl im Unterhemd. Außerdem habe ich viel gelernt heute. Zum Beispiel, dass es wichtig ist, die Dinge sofort zu erledigen, sonst lebt man noch die nächsten Jahre mit fehlenden Lampen, abgestellten Regalen und an den Wänden lehnenden Bildern.
Oder aber, dass diese Smartphone-Wasserwaage überhaupt nichts kann.
Dennoch wird es Zeit, etwas Abstand zum Neuanfang zu gewinnen, wo ginge das besser als daheim.
Deshalb folgt Tyll tut #17 – Heimat.
Erfolgserlebnisse: Toll, immer wieder an die kleinen Fehlschläge des Lebens erinnert zu werden 8/10
Macht fit und belastbar: Mit Maske vor Ikea Schlange stehen, genau so hatte ich mir meinen Dienstagvormittag vorgestellt. 2/10
Fühlt sich nach Arbeit an: Oh Yeaaaah. 10/10
Preislich skalierbar: Ich lasse bei knappen Ressourcen meine Entscheidungen selbstbestimmt wirken 7/10
Spaß: Mein Rücken tut immer noch weh. 3/10
Gesamt: 30/50
Ich weiß auch nicht, wie man das schreibt.