Vegan ist cool. Ersatzprodukte für Fleisch werden immer besser und billiger. Hafer- und Mandelmilch machen den Molkereibetrieben auch in den USA gerade Feuer unter dem Hintern. Außerdem sind die gesundheitlichen Vorteile einer veganen Ernährung bereits mehrmals bewiesen worden. Drei unserer Redakteur*innen wagen den Selbstversuch und stellen sich der Challenge, sich 22 Tage lang von Tierprodukten zu verabschieden. Der Ausgang ist ungewiss. In dem ersten Teil der Serie geht es um ihr Zwischenfazit nach 12 Tagen.
Leon Hoffmann-Ostenhof
Wir schreiben Tag zwölf. Ich sitze im freien, rauche meine Zigarette mit veganen Filtern und Papers und warte auf meine Kartoffelsamosa. Die letzten dutzend Tage waren vor allem gespickt mit gutem Essen und hervorragenden Stuhlgängen, wie ich sie noch nie erlebt habe. Ich habe erwartet, dass sich meine Ernährung großteils aus Swing Kitchen und Hummus zusammensetzt. Relativ schnell hat mich die Vielfalt der veganen Kulinarik jedoch positiv überrascht. Mannerschnitten und Oreos für die süße Versuchung. Abertausende Gemüse-, Obst-, und Nussarten haben wir auf der Welt und die meisten essen trotzdem abwechselnd die gleichen drei Tiere. Eigentlich grotesk. Ich bin aber ehrlich: Ich sehne mich trotzdem nach Fleisch und Käse.
Mir ging es körperlich nie besser. Ich wache ausgeschlafen und mit einer gewissen Leichtigkeit auf. Meine Gliedmaßen flutschen nur so in die Positionen in die ich sie bewegen will, unbeeinflusst von arterienverstopfenden Fleischgerichten. Als ich einmal (das einzige Mal) wegen eines Pastinakenpürrees mit Rinderhirn sündigte, spürte ich die körperlichen Folgen schneller als ich Chiasamenpudding sagen konnte. Trotz dieser neu erfahrenen Vitalität, konnte ich noch kein Schuldbewusstsein den Tieren gegenüber aufbauen. Ich finde es ethisch immer noch vertretbar die Massenproduktion von Tierprodukten scharf zu verurteilen und gleichzeitig hie und da eine Käseplatte oder ein Kalbshirn zu genießen. Adorno sagte: Es gibt kein richtiges Leben im Falschen. In meiner Situation, als privilegierter Bengel, dem es möglich ist vegan zu sein, eben schon. Denn der gesellschaftliche Wandel zum Veganismus bzw. Vegetarismus wird kommen, aber nicht wegen der Überzeugung der Bevölkerung, sondern wegen dem technischen Fortschritt und der niedrigeren Preise der „Fake-Fleisch-Industrie“.
Die positiven körperlichen Folgen machen Veganismus aber zur Win-Win-Situation. Auch wenn ich aus einem egoistischen Standpunkt wohl zu einer veganeren Ernährung umsteigen werde, sind die idealistischen Boni für die (Tier-)welt ja immer noch da.
Leonie Razumovsky
Als vor ein paar Wochen bei unserem Redaktionstreffen in die Runde geworfen wurde, wer denn Lust hätte für 22 Tage eine Vegan Challenge zu machen, habe ich mich ohne jegliche Bedenken gemeldet. Warum denn auch nicht? Ich bin ja ohnehin schon Vegetarierin und war bereits ein Monat vegan, das ging doch auch ohne große Probleme. Leider falsch gedacht.
Die erste Woche unseres Selbstversuchs habe ich mit Freund*innen auf einem Kurzurlaub in Berlin verbracht. Berlin? Da würde man doch annehmen, dass eine vegane Ernährungsweise besonders leicht sein müsse. Bis zu einem gewissen Grad stimmt das natürlich. Leichter als in Wien ist es, beim Auswärtsessen auf jeden Fall. Trotzdem hatte ich zeitweise mit vielen Einschränkungen zu kämpfen und konnte oft nicht die Speise bestellen, die ich eigentlich gerne gewählt hätte (besonders, wenn es an jeder Ecke Fast Food Angebote mit Halloumi gibt).
Jetzt bin ich wieder in Österreich. Aber noch nicht zuhause in Wien, sondern in einem Haus am Land mit meiner Familie. Wir sind mit dem Zug und Taxi angereist und der nächste Supermarkt ist mit dem Auto 25 Minuten entfernt. Deswegen haben wir den größten Teil des Wocheneinkaufs bereits erledigt und bestimmte Gerichte vorab geplant. Ich habe versucht so viele vegane Produkte und Rezepte wie möglich unterzuschummeln. Doch bereits am Anfang der Woche kommen Schwierigkeiten auf, wenn ich bemerke, dass 2/3 unseres Brotes nicht vegan sind oder meine Familie ein (sogar vegetarisches) Gericht plant und für mich eine Alternativspeise eruiert werden muss.
Bewusst geworden sind mir dabei bis jetzt vor allem zwei Sachen: Erstens, wie viele Gerichte und Fertigprodukte, die man ohne Bedenken konsumiert, eigentlich tierische Stoffe enthalten, ohne dass man es unbedingt erwarten würde. Und zweitens, dass es viel leichter geht vegan zu sein, wenn man die Möglichkeit (und die Zeit) hat, für sich selbst zu kochen und die Zutaten selbst zu bestimmen.
Die letzte Woche unserer Vegan Challenge, werde ich zuhause in Wien verbringen und freue ich mich schon sehr darauf. Ich koche gerne und bin schon gespannt, neue vegane Rezepte auszuprobieren und vielleicht doch noch mit einer besseren Erfahrung aus diesem Versuch zu gehen.
Clara Wutti
Seit 12 Tagen ernähre ich mich jetzt also schon vegan und fast täglich werde ich von Leuten gefragt: „Und, fühlst du dich anders?“. Die ehrliche Antwort: jein. Körperlich spüre ich kaum Veränderungen, ich schlafe nicht besser und fühle mich nicht vitaler (was aber auch daran liegen könnte, dass mein Fleischkonsum sich auch schon vor der Vegan Challenge sehr in Grenzen hielt). Die positiven psychischen Auswirkungen des veganen Lifestyles spürte ich allerdings ab Tag 1: Mir ist nicht nur aufgefallen, wie viel besser Essen schmeckt, wenn man es ganz ohne Schuldgefühle genießen kann, sondern auch wie viel gesünder für die Psyche eine bewusste Ernährung insgesamt ist. Vor meinem veganen Selbstversuch konsumierte ich Fertigprodukte, ohne mir Gedanken über die Inhaltsstoffe zu machen. Erst jetzt fällt mir auf, wie viele von diesen Produkten, bei denen ich es nie erwartet hätte, tierische Erzeugnisse beinhalten. Vor allem aber habe ich in den letzten eineinhalb Wochen festgestellt: Vegan leben ist, für privilegierte Menschen wie mich, keine Schwierigkeit mehr. Vegane Ersatzprodukte für Käse, Milch und Fleisch findet man mittlerweile in jedem Supermarkt, vegane Schokolade in jedem Bio-Laden. Wenn man die Möglichkeit hat, seine monatlichen Ausgaben für Nahrungsmittel etwas zu erhöhen, gibt es kaum etwas, auf das man verzichten muss.
Zugegeben, der Umstieg fiel mir nicht von Anfang an so leicht. Bei meinem ersten veganen Großeinkauf stellten sich mir einige Fragen (Ist Müsli, das Bestandteile von Milch enthalten kann, vegan? Ist Honig erlaubt?), der Abschied von meinem geliebten Schokomüsli war schwerer als gedacht und beim Grillen vermisse ich den Halloumi auf meinem Teller. Aber je mehr ich über Massentierhaltung und ihre Folgen lese und mich mit Menschen in meinem Leben unterhalte, die bereits vegetarisch oder vegan leben, desto stärker wird mein Wille den Tieren und der Umwelt zuliebe meinen Lebensstil umzugestalten. Auf Fleisch möchte ich demnach in Zukunft gänzlich verzichten, die Kuhmilch in meinem Müsli gegen Mandel- oder Hafermilch eintauschen und meinen Käse-, Eier- und Milchschokoladekonsum stark reduzieren. Denn: Täglichen Konsum von Tierprodukten kann ich moralisch nicht mehr mit mir vereinbaren, und, wie in den letzten 12 Tagen festgestellt hab, muss ich das auch gar nicht.
Weitere Infos
Hier gehts zu Teil eins der Vegan Challenge