Immer wieder ging es in dieser Kolumne schon darum, in gesellschaftlich aufgeregten Zeiten auch wieder zur Ruhe zu kommen und sich eine Auszeit zu nehmen. Nach dieser vergangenen Woche bräuchte man wohl eher einen Urlaub auf unbestimmte Zeit.
2020 beschenkt uns gefühlt wöchentlich mit neuen Highlights der kollektiven Überforderung. Innerhalb einer Woche den zweiten Lockdown, Terror und die US Wahlen zu verkraften, ist eine Aufgabe, der sich viele zu Recht nicht gewachsen fühlen.
Schon samstags, als der zweite Lockdown in Österreich verkündet wird, füllen sich die Instagram Stories mit Frustration. Bildungseinrichtungen und Theater zu schließen, während Shopping und Kirchgang erlaubt bleiben, erscheint vielen als ein bizarres Zeichen für die Handschrift der ÖVP bei diesen Maßnahmen. Verzweiflung darüber, wie wenig man vor den Computern lernen wird, macht sich breit.
Und dann Montag. Für einen Moment steht alles still. Alle Sorgen weichen der schieren Fassungslosigkeit. Der eiskalte Umstand, dass ein Mensch vier anderen das Leben nimmt, bloß weil sie nicht seine spezifische Auslegung eines tausend Jahre alten Buches teilen, ist in seiner Brutalität nicht zu übertreffen. Letzte Woche noch schrieb ich, dass religiöse Fundamentalisten mehr Macht haben als wir denken. Diese Woche zeigt, wie weit sie gehen können. Auch wenn Wien bestmöglich geantwortet hat, bleiben tiefe Wunden mit denen viele von uns lange zu kämpfen haben werden.
Sätze wie: „Aber du warst doch gar nicht am Schwedenplatz.“, oder „Denk doch an die Angehörigen, die haben es wirklich schlimm.“, sind in dieser Situation mehr als empathielos. Sich die eigene Verletzung einzugestehen bedeutet nicht, das Leid der Hinterbliebenen zu schmälern. Viel eher lässt es uns näher zusammenrücken, wenn wir begreifen, wie sehr uns unser Schmerz verbindet.
Als wäre die Woche noch nicht aufwühlend genug, sind da noch die US-Wahlen und der Auszählungsmarathon, der wohl nach wie vor für einige abgekaute Nägel sorgt. Die einzig gute unter den drei Nachrichten, erweist sich trotzdem auch als belastender Stressfaktor.
Zwar scheint es, als hätte der Irrsinn des Trumpismus sein Ende gefunden, wie es mit den USA aber weitergeht, wird wohl innerhalb der Republikanischen Partei entschieden werden – beruhigen oder weiter befeuern? Im Sinne dieser Kolumne wäre es angenehm, wenn sich Donald Trump an einen fernen Ort absetzt und die wenigen Jahre, die seiner von Kentucky Fried-Chicken geplagten Blutbahn bleiben, in stiller Kontemplation über seine gescheiterte Existenz verlebt.
Als Kolumnist Medienfasten zu empfehlen, ist wohl ein Schuss ins eigene Knie. Es bleibt trotzdem am Ende dieser, man kann sie ruhig so nennen, Wahnsinns-Woche, nichts zu sagen als: Drehen wir mal die Push-Nachrichten ab, pfeifen wir auf den Live-Ticker und widmen wir uns lieber unserer geistigen Gesundheit. Nehmen wir unsere analoge Existenz ernst. Hier kann einem schließlich mehr entgehen als in den Medien.
Weitere Infos
Hier geht es zur Soforthilfe des Psychosozialen Dienstes.
Comitted to the best obtainable version of the truth.