Orgasm Gap/Pleasure Gap Titelbild

Einer kommt, eine kommt zu kurz: der Orgasm-Gap

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Zugegeben: Sex kann wirklich ziemlichen Spaß machen. Aber wie bei vielen Dingen im Leben gilt auch hier: Qualität statt Quantität. Die Häufigkeit entscheidet nicht darüber, ob der Sex auch gut ist. Durchschnittlich kommen Frauen viel seltener zum Orgasmus als Männer. Das Ganze nennt sich Orgasm- oder auch Pleasure Gap. Was genau dahinter steckt und wie man diese Lücke schließen kann, lest ihr heute hier.

Zum Sex gehören immer (mindestens) zwei dazu – theoretisch stimmt das auch, das bedeutet aber nicht, dass auch beide Seiten gleichermaßen befriedigt werden. Viele Frauen bleiben hier oftmals auf der Strecke – und auf dem Trockenen. Männer kommen durchschnittlich 20 bis 50 Prozent öfter zum Orgasmus als Frauen. Das ist der „Orgasm Gap“.

Woran liegt’s?

Dieser Umstand hat mehrere Gründe: Dazu gehören zum einen die Tatsache, dass die Befriedigung des (Hetero-)Mannes in unserer Gesellschaft immer noch sehr häufig priorisiert wird, aber zum anderen auch, dass viele Frauen ihren eigenen Körper gar nicht richtig zu kennen scheinen oder sich nicht trauen,  ihre Bedürfnisse zum Ausdruck zu bringen. Da akzeptiert man dann lieber mittelmäßigen Sex. Dabei muss sich damit doch gar nicht abgefunden werden, es geht doch so viel besser! Auch die oftmals verfälschte Darstellung in Filmen, im Fernsehen und in Pornos trägt nicht gerade dazu bei, dass die Frau auf ihre Kosten kommt. Ein allgemein bekanntes Problem: Die Frau kommt im Film nach minimalem Einsatz des männlichen Parts schon nach zwei Minuten. Merkt ihr selbst, oder? Da kann irgendwas nicht stimmen.

Keine mathematische Gleichung

Our body is a wonderland – auf jeden Fall! Aber so kompliziert ist der Körper einer Frau dann auch nicht, dass Man(n) es nicht schaffen kann, sie zum Kommen zu bringen! Studien zeigen nämlich, dass Frauen in queeren Partnerschaften viel häufiger zum Orgasmus kommen, als in heterosexuellen Konstellationen. Das liegt vor allem auch daran, dass queere Frauen oftmals nicht die Möglichkeit haben, auf penetrativen Sex zu setzen (außer mit Dildo oder Strap-On) und somit Fantasie und Fingerspitzengefühl zur sexuellen Stimulation einsetzen. Dass Heterofrauen viel seltener kommen, ist also nicht der Beschaffenheit des weiblichen Körpers geschuldet, sondern auch das Gegenüber spielt eine tragende Rolle. Also vielleicht stimmt es schon, dass Frauen länger brauchen, um zum Orgasmus zu kommen als der Mann. Aber nicht, weil der weibliche Körper so kompliziert wäre, sondern weil noch viel zu viel Unwissen über die Vulva und speziell die Klitoris herrscht. Ein unerforschtes Gebiet, wenn man so will. Die Klitoris ist aber enorm wichtig. Laut einer US-Studie gaben von 50.000 Frauen 37 Prozent an, die klitorale Stimulation sei maßgeblich für sie, um zum Höhepunkt zu kommen.

Dranbleiben lohnt sich

Wir alle wissen: Für die reine Fortpflanzung ist die vaginale Penetration entscheidend und ausreichend, aber eben nicht dazu, dass der Sex auch wirklich gut wird! Da sind dann noch ganz andere Faktoren bestimmend. Stumpfes „Rein-Raus“ bringt’s bei Frauen eben einfach nicht. Nur rund vier bis zwanzig Prozent kommen bei penetrativem Sex, sagt die amerikanische Psychologin Laurie Mintz. Also, was kann man tun, um diese scheinbar unüberwindbare Lücke zu schließen?

Einsatz zeigen ist angesagt! Männer, beschäftigt euch mehr mit der Klitoris. Dazu müsst ihr jetzt keine Bücher wälzen (schadet aber auch manchmal nicht), sondern das kann super gemeinsam erkundet werden. Wo liegt sie genau und was gefällt der Frau an meiner Seite? Wie kann die Klitoris in den sexuellen Akt eingebunden werden? Bei vielen Frauen ist nämlich oft die Kombination aus klitoraler und vaginaler Stimulation entscheidend. All das sind Dinge, die ihr zusammen rausfinden könnt. Also wenn das keinen Spaß macht?

Auch das Vorspiel ist wichtig! Sex ist immer ein riesiges Abenteuer, das sich durch verschiedene Facetten auszeichnet und wo es so viel zu entdecken gibt. Oft werden Vorspiel und Co. viel zu schnell abgeschrieben, und nach gefühlten zwei Sekunden lustlosem Rumreiben an der Klitoris, wird dann mit dem „richtigen“ Sex gestartet. Sex soll ja nichts sein, was man einfach so mal hinter sich bringt. Alles was dazu gehört, ist entscheidend, und das Vorspiel ist ein ebenso wichtiger Bestandteil wie die reine Penetration.

Ihr erntet, was ihr sät!

Aber auch die Frauen sind nicht ganz unschuldig. Ihr habt es selbst in der Hand! Meistens wisst ihr doch auch, wie es geht? Ihr macht es euch doch auch oft genug selbst. Das Ganze muss dann nur auch noch eurem Gegenüber kommuniziert und nähergebracht werden. Da gehört Mut dazu, aber es lohnt sich. Und wenn ihr noch nicht so weit seid, eurem Partner (langfristig oder auch nur für eine Nacht) zu erklären, was ihr wollt und wie ihr es wollt, dann beschäftigt euch mit eurem Körper und vor allem mit eurer Vulva. Probiert euch aus! Denn wenn ihr eure eigenen Bedürfnisse kennt, dann könnt ihr das auch viel besser an andere weitergeben. Auch hier ist Kommunikation das A und O. Aber „Fake it till you make it“ ist in diesem Fall definitiv nicht der richtige Ansatz! Ehrlichkeit ist angesagt. Und bitte weg von fiktiven Darstellungen, die sind meist Bullshit und nützen gar nichts. Rein ins echte Leben und zu echten Körpern.

Aber jetzt nochmal Klartext: Sex ist ja nicht nur dann gut, wenn man einen Orgasmus hat. Das sollte nicht der Maßstab sein, kann ja auch (ohne) trotzdem super sein. Hier geht es aber mehr ums Prinzip und darum, dass es ja irgendwie schon immer auch ein Geben und Nehmen sein sollte. Keiner soll hier auf der Strecke bleiben und dem anderen regelmäßig dabei zuschauen, wie dieser den Orgasmus seines Lebens hat. Schon gar nicht aus Gründen wie Faulheit, Unwissen, oder weil man Angst hat, etwas anzusprechen.

Das klingt jetzt erstmal alles nach viel Arbeit und Anstrengung, aber Sex ist doch was Tolles und soll Spaß machen. Und damit etwas richtig gut wird, muss man eben manchmal ein wenig investieren, um dann doppelt entlohnt zu werden. Und was ist schöner, als wenn beide auf ihre Kosten kommen?


Weil am 16. Juli ein ganz besonderer Geburtstag ansteht, geht es mit der nächsten Sexkolumne ausnahmsweise an diesem Tag weiter. Stay tuned.

Münchner Kindl, Nachteule und Naschkatze
Studentin für Literaturwissenschaften

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