„Sex sells“, nicht wahr? Da ist was dran, aber obwohl der weibliche Körper fast immer und überall gerne gesehen ist – besonders in Zusammenhängen wo er eigentlich nichts zu suchen hat – wird er gleichzeitig auch kritisch beäugt. Und vor allem: reguliert. Weibliche Brustwarzen werden zensiert und Frauen werden als schamlos und obszön abgestempelt, wenn sie es wagen, ohne BH das Haus zu verlassen. Ein Blick auf die kritische Betrachtung des weiblichen Körpers und warum dieser immer politisch ist. Das gibt es heute hier.
Seit den Anfängen von Instagram ist dort ein Phänomen zu beobachten: gewisse Körperteile und Posen sind dort nicht gerne gesehen und werden sofort oder nach einiger Zeit unterbunden. Doch gilt das auch für alle Körper? Wohl eher nicht. Denn es ist speziell der weibliche Körper, der einer sehr strengen Kontrolle unterliegt. Postest du also als weiblich gelesene Person ein Bild, auf dem entweder in einer angedeuteten Form oder gänzlich deine Nippel zu sehen sind, so kannst du damit rechnen, dass in den nächsten Stunden eine Meldung von Instagram eintrudelt, die dir den Verstoß gegen Community Guidelines vorwirft. Der vorgebrachte Grund: Verbreitung von Nacktheit und/oder anstößiger Inhalte, die die Sicherheit der Gemeinschaft gefährden könnten. Von weiblichen Nippeln scheint wohl eine große Gefahr auszugehen.
Eine wandelnde Fehlermeldung
Abgesehen von Situationen in denen es in irgendeiner Form nützlich ist, den Frauenkörper zu zeigen, beispielsweise um Dinge zu verkaufen oder Menschen anzulocken, wird die (nackte) Frau in eine Ecke gedrängt. Sie ist dazu verdammt, sich für ihren Körper zu schämen. Besonders Körperteile wie Brüste (und Brustwarzen) unterliegen einer so strengen Beobachtung, dass sie am besten immer bedeckt bleiben sollen. Wer als Frau zu viel Haut zeigt, gilt als anrüchig, gewissenlos und wird sofort angeprangert.
Das Stigma rund um den weiblichen Körper beginnt schon in der Schule. Schon dort werden Mädchen von Lehrer*innen ermahnt, wenn das Oberteil einen zu tiefen Ausschnitt besitzt, das T-Shirt oder die Rocklänge nicht passt. Diese Beschämungstaktiken und die Kontrolle des weiblichen Körpers zeigt sich im Laufe des Lebens immer wieder in unterschiedlichen Bereichen. Denn nicht nur Körperteile sind einer Regulierung und Scham ausgesetzt, sondern beispielsweise auch Körperbehaarung und die Sichtbarkeit von Menstruations(-blut).
Same same but different
Die sozialen Medien unterstützen diesen radikalen Umgang mit dem weiblichen Körper. Die Zensur von sexuellen und pornographischen Inhalten auf Plattformen wie Instagram, TikTok und Facebook scheint natürlich legitim, doch das Problem liegt in der Form der Zensur. Die Methode zur Regulierung von Beiträgen unterscheidet sich für Männer und Frauen, für übergroße und dünne Körper sowie für BIPOC-Körper und weiße Körper. Die Grundlage dafür, was als unangemessenes Posting „markiert“ wird, ist bei Männerfotos die Handlung, bei Frauenfotos dagegen die Erregung, die sie auslösen können. Bei Männern geht es um die unverhohlene Absicht, bei Frauen um die Interpretation.
Der weibliche Körper – ein Politikum
Der weibliche Körper ist in unserer Gesellschaft so stark sexualisiert, dass es schlicht unmöglich scheint, diesen in seiner bloßen Form zu zeigen, ohne dafür kritisiert und verurteilt zu werden. Ganz zu schweigen davon, dass eine leicht bekleidete Frau für viele Menschen immer noch eine offene Einladung ist. Die Doppelmoral dahinter offenbart sich, wenn man einmal intensiver darüber nachdenkt. Nicht die Sexualisierung, die ja der eigentliche Grund für den gestörten Umgang mit dem Körper einer Frau ist, wird verurteilt, sondern die Sichtbarkeit der weiblichen Körperteile und der Mensch dahinter, der diese „öffentlich“ zur Schau stellt.
Der weibliche Körper ist nur dann ein Problem und eine Gefahr für die allgemeine Sicherheit, wenn er außerhalb des sexualisierten Kontextes gezeigt wird und somit losgelöst von diesem existiert. Verliert er diese (sexualisierte) Konnotation, ist er plötzlich nicht mehr in Ordnung. Die Signale die durch den Umgang von Instagram und Co. also gesendet werden: Der natürliche Körper einer Frau ist per se schändlich und existiert nur für den männlichen Blick, für diesen soll er „interessant und erotisch“ bleiben.
Und woher kommt das Ganze nun? Naja, jahrhundertlange Ausbeutung hat es uns gezeigt: Konsum fördern, Patriachat und Herrschaftsregime aufrechterhalten. Sexualisierung ist eben auch ein zentrales Instrument von Zensur. Slut-Shaming und die Objektivierung von Frauen als eine Form der Kontrolle ist so alt wie das Patriarchat selbst. Das Einzige, was sich geändert hat, ist die Plattform. Wenn Frauen ihre Macht und Sexualität als Mittel zur Unabhängigkeit, zum Profit oder zum Vergnügen zurückerobern, wird dies jedoch beschämt. Female Empowerment hin oder her. Das sieht zwar auf dem Papier immer schön aus, aber leider steckt oft nichts dahinter.
Aufgeben ist keine Option
Und was kann man nun dagegen tun? Auch wenn es einem ermüdend vorkommen mag, muss man sich weiter für einen enttabuisierten Umgang mit dem weiblichen Körper einsetzen. Zahlreiche Aktivist*innen leisten schon ihren Beitrag dazu (Bsp. Chelsea Handler, @playgirlnikaa, @genderless_ nipples). Es ist als ein Akt der Befreiung zu verstehen, als Versuch den weiblichen Körper von der sexualisierten Konnotation zu befreien – denn nur mithilfe von Empathie, Solidarität und Selbstbewusstsein kann man Druck auf die Social-Media-Giganten ausüben, damit sich auf den Plattformen bald etwas ändert!
Die nächste Kolumne erscheint am 14. November.
Titelbild: ©Jan Kopriva/unsplash.com
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[…] Die nächste Kolumne erscheint am 12. Dezember. Letztes Mal ging es um die Zensur des weiblichen Körpers. […]