Anna Svec ist die Spitzenkandidatin von Links Wien und führte die neue Partei aus dem Nichts zu zwei Prozent und 23 Bezirksmandaten. Bei doppelten Espressi redeten wir über ihr Resumée nach der Wahl, wie die Arbeit von Links jetzt und in zehn Jahren aussehen soll und die Auswirkungen von den NEOS in der Stadtregierung.
Titelbild (c) Lara Portha
Leon Hoffmann-Ostenhof: Sehen Sie sich als österreichische Alexandria Ocasio-Cortez?
Anna Svec: (lacht) Also das würde ich mir jetzt nicht zutrauen. Es gibt außerdem bei Links jetzt schon etliche, die erst seit einem halben Jahr dabei sind und schon unglaublich viel in diesen Wahlkampf gebuttert haben. Das sind alles schon AOCs.
Ihr habt bei der Wien-Wahl zwei Prozent geholt. Zufrieden?
Natürlich will man immer mehr, aber eigentlich sind wir sehr zufrieden. Wir haben erst vor einem halben Jahr gestartet und haben dementsprechend auch viel weniger Ressourcen als die anderen Parteien gehabt. Durch Aktivität auf der Straße haben wir da wahnsinnig viel wettgemacht. Ich bin auch unglaublich stolz auf 23 Bezirksratsmandate. Das ist mal ein Fuß in der Tür und bedeutet, dass wir jetzt konkret arbeiten können und auch mehr Möglichkeiten haben. Der Wahlkampf war aber erst der Anfang – jetzt geht es darum, eine linke Opposition aufzubauen.
Wie sieht die tägliche Arbeit von Links nach der Wahl aus?
Zuerst waren wir natürlich alle ein wenig erschöpft – das haben wir uns auch zugestanden. Ein Wahlkampf ist schon eine sehr spannende aber eben auch wilde und intensive Sache. Was uns aber total gefreut hat, ist, dass es keine Motivationsabnahme nach der Wahl gab. Unsere Aktivist*innen haben sofort begonnen weiter zu planen und Aktionen zu konzipieren. Ich komme auch gerade von einer Schilderaktion. Der Großteil der momentanen Arbeit bezieht sich darauf, wie wir unsere Mandate jetzt einsetzen und wie die linke Arbeit nach außen aussehen soll.
Was ist das Best-Case-Szenario von Links in 10 Jahren?
Schwierige Frage, weil die Antwort an Debatten hängt, die wir erst führen müssen. Da gehören Debatten über künftige Wahlen und auf welcher Ebene sich Links regional bewegen wird dazu. Es ist zunächst einmal wichtig, kontinuierlich zusammen zu arbeiten, weiter zu wachsen und eine ernsthafte Opposition zu dieser rechten, neoliberalen Politik aufzubauen. Mein Best-Case-Szenario ist eine kämpferische Linke, die die Menschen erreicht und ihnen zeigt, dass es sich lohnt, mit anderen Menschen für eine bessere Gesellschaft zu kämpfen.
Ambitionen für eine Bundespartei?
Das kann man so noch nicht sagen. Jetzt liegt die Priorität mal in Wien.
Die besten Ergebnisse habt ihr im 6., 7., und 15. Bezirk eingefahren – die Bobo-Bezirke – was hat dort funktioniert, was in den Außenbezirken nicht so gut geklappt hat?
Den 15. und zum Beispiel auch Meidling (Anm. d. R. Links mit 2% in Meidling) sehe ich jetzt nicht so als Bobo-Bezirke. Was stimmt, ist, dass wir in den großen Flächenbezirken nicht so gut abgeschnitten haben – das halte ich auch für eine wichtige Analyse.
Es ist ressourcentechnisch sehr schwierig, die Außenbezirke großflächig zu bespielen. Was uns in den Innenbezirken besonders geholfen hat, ist die Möglichkeit durch Straßenaktionen eine große Präsenz aufzubauen und dadurch, das was man finanziell nicht zur Verfügung hat, auszugleichen. In größeren Bezirken ist das für eine so junge Partei schwieriger. Wir müssen es jetzt schaffen, alle unterschiedlichen Teile der Arbeiterschaft in Wien zu erreichen. Der Arbeiterbegriff wird immer differenzierter. Um alle Teile anzusprechen, die ja alle nicht davon profitieren, wie es gerade läuft, müssen wir einfach zeigen, dass wir überall kämpferisch sind, wo es notwendig ist. Wenn wir die nächsten fünf Jahre weiterhin so gut arbeiten wie im Wahlkampf, wird uns das auch ganz anders gelingen.
Was mir im Wahlkampf aufgefallen ist, dass ihr extrem viele Plakate hattet und für eine so junge Partei eine enorme Präsenz hattet. Wie finanziert sich eine Partei, die Politik gegen Großspender macht?
Das freut mich sehr, dass wir dieses Gefühl gegeben haben. Wir hatten tatsächlich keine Großspender, sondern eine Menge an Kleinspenden, Mitgliedsbeiträgen und haben einen Kredit von der KPÖ bekommen, den wir auch zurückzahlen werden. Diese Kleinspenden haben uns auch gezeigt, dass es viele Leute gibt, die sich einen linken Wahlkampf wünschen.
Wenn „Sonstige“ (Links, Bier Partei, SÖZ) eine Partei gewesen wäre, hätte sie die 5% Hürde übersprungen. War es ein Fehler nicht zusammen anzutreten?
Nein. Es gibt politisch ganz gravierende Unterschiede zwischen diesen Parteien und Links, deswegen finde ich es auch wichtig getrennt anzutreten.
Bei der Bier-Partei denke ich mir zum Beispiel: Schmäh ist schon okay, aber Schmäh ohne klare linke Antworten finde ich momentan nicht hilfreich. Die SÖZ ist in manchen Punkten eine sehr konservative Partei und auch in ihrem Programm nicht sehr transparent. Was bei beiden Parteien nicht gegeben ist, ist eine pointierte, konsequente und linke politische Ausrichtung. Das ist uns aber sehr wichtig, weil wir glauben, dass Wien das dringend braucht.
Die Koalitionsgespräche zwischen Michael Ludwig und den NEOS sind gerade im Gange. Auf Social Media habt ihr euch dagegen positioniert. Warum findet ihr eine Beteiligung der NEOS in der Stadtregierung so problematisch?
Die größte Gefahr liegt in der Wohnpolitik. Wir haben ohnehin eine Stadt, in der es viel zu wenig gemeinnützigen Wohnbau gibt. Eine Stadt, in der die privaten Mieten in 10 Jahren um 50% ansteigen. Wir leben auch in einer Stadt, in der die Deckung der Wohnkosten für manche Menschen ein existenzielles Problem darstellt. Und jetzt geht Ludwig wohl eine Koalition mit einer Partei ein, die sagt, dass ihnen das Eingreifen in den freien Markt zuwider ist. Und wir wissen alle, dass es der Markt für niemanden richtet, außer für sich selbst.
Gerade in Wien ist das eine Gefahr, weil wir wirklich Maßnahmen brauchen, wie zum Beispiel Leerstand zu enteignen und nach sozialen Kriterien zu verteilen. Die Politik der NEOS verspricht das direkte Gegenteil zu solch notwendigen Schritten. Wohnen muss ein Menschenrecht werden und darf keine Bedrohung für die Wiener*innen darstellen. Wenn sich die SPÖ noch als linke Partei versteht, muss Ludwig es vehement ablehnen, mit einer Partei zu regieren, die nur auf Profite und nicht auf Menschen achtet. Ich sehe das als einen weiteren Bruch mit den (ehemaligen) Grundprinzipien der SPÖ, die die Partei schon lange vernachlässigt.
Habt ihr ein internationales Vorbild?
Man kann von vielen unterschiedlichen linken Bewegungen was lernen. Links besteht aus vielen verschiedenen Aktivist*innen mit unterschiedlichen Positionen, die aber trotzdem an einem Strang ziehen. Ich sehe das als Vorteil von Links. Es gibt viel was internationale Bewegungen, Parteien und aktionistische Gruppen gut und richtig machen. Diese Sachen verbinden wir, um eine starke linke Kraft in Wien aufzubauen. Ein einziges Vorbild gibt es aber nicht.