Anna Goldenberg lebt als Journalistin und Buchautorin in Wien. Sie ist Redakteurin bei der Wiener Wochenzeitung Falter und schreibt als freie Journalistin unter anderem für die Presse. Wir haben mit ihr über die Medienlandschaft in Zeiten der Corona-Krise gesprochen.
Du bist neben deiner Tätigkeit als Redakteurin für den Falter und deiner Kolumne bei der Presse Co-Chefredakteurin des Jüdischen Echos, das einmal im Jahr erscheint. Ihr seid ein kleines, vereinsbasiertes Medium. Wie hat sich eure Situation durch Corona geändert?
Wir müssen den Erscheinungstermin Anfang September verschieben und es ist nicht klar, wann und ob wir erscheinen werden. Grund dafür sind Anzeigenausfälle.
Erwartest du, dass einige auch in ernsthafte Schwierigkeiten geraten?
Es sind schon viele in enormen Schwierigkeiten. Man spricht von Inseratenrückgängen von 40 – 50 Prozent. Der Verband österreichischer Zeitungen gibt den Schaden für Printmedien alleine im März mit 40 Millionen Euro an. Das sind nicht nur die stornierten Anzeigen, sondern auch Zahlungsausfälle von Veranstaltungen oder Konferenzen.
Rechnest du damit, dass es einige Medien so hart treffen wird, dass sich die Medienlandschaft in Österreich verkleinert?
Das ist schwer zu sagen. Ich habe mit einigen Experten geredet, die mir alle nicht on the record sagen wollten, von welchen Medien sie glauben, dass sie die Krise nicht überleben. Sehr kleine, rein anzeigenfinanzierte Publikationen könnten das eventuell nicht mehr schaffen.
Wie kann man das Jüdische Echo unterstützen?
Wenn das Echo rauskommt, dann einfach das Magazin abonnieren oder kaufen. Ansonsten kann man auch dem Verein etwas spenden (Anm. d. Red.: hier).
Die Bundesregierung hat ein Medienhilfspaket geschnürt, um da ein wenig gegenzusteuern. Du setzt dich in deiner Kolumne Digitalia im Falter immer wieder mit Onlinemedien auseinander. Die sind in diesem Paket außen vor, ist das deiner Meinung nach eine Unterscheidung, die im digitalen Zeitalter noch Sinn macht?
Überhaupt nicht, aber die ganze Medienförderung in Österreich ist total anachronistisch, weil ja auch in der regulären Medienförderung digitale Medien so wie Monatsmedien, etwa das Datum, überhaupt nicht drin sind. Nach dem Prinzip funktioniert jetzt auch die Corona-Medienförderung, die nach Auflage berechnet wird, was seltsam ist. Dadurch bekommen die Boulevardmedien sehr viel. Außerdem ist die Auflagenkontrolle den Medien selbst überlassen. Das lädt zum Schummeln ein.
Eines der skurillsten Beispiele ist sicher das Wirtschaftsmagazin Trend, das erhält sogar nur etwa ein Drittel der Förderungen, die zum Beispiel die Linzer Kirchen Zeitung bekommt. Sind das Deiner Meinung nach politische Zuckerl oder ist da bloß die Auflage ausschlaggebend?
Wohl beides, die Auflagen werden schon der Größenordnung nach passen, die Entscheidung für das Auflagensystem ist aber, wie jede Entscheidung Geld zu verteilen, politisch. Man traut sich nicht über die Definition, was guten Journalismus ausmacht. Das ist auch bei der Inseratenvergabe die Krux. Wenn es nicht nach der Auflage geht, wonach dann?
Die einen sagen nach der Mitgliedschaft beim Presserat, der aber ein privater Verein ist. Eine andere Idee wäre, Förderungen nach der Zahl der [medienrechtlichen] Verurteilungen zu verteilen oder nach der Anzahl der angestellten Journalisten. Da wird viel diskutiert und keiner traut sich eine Entscheidung zu treffen.
Siehst du die freie Presse aktuell in Bedrängnis? Der Bürgermeister von Ischgl etwa spricht davon, dass Bürger nicht mit Medien sprechen sollen und lädt das deutsche Fernsehen von Pressekonferenzen aus.
Es sind schwierige Zeiten für die Presse, weil es schon vor Corona schwierig war zu hinterfagen. Das wird jetzt nochmal schwieriger. Einerseits durch die Beschränkungen: Man kann Politiker nicht mehr treffen und hat dadurch einen weniger niederschwelligen Zugang. Man bekommt auch weniger mit, was die Leute denken und hat so eine eingeschränkte Perspektive. Wenn der Ischgler Bürgermeister diesen ohnehin schon schwierig zu errreichenden Bürgern auch noch sagt, sie sollen nicht mit Medien reden, dann hilft das nicht gerade.
Was auch dazu kommt ist das Finanzielle. Fast alle großen österreichischen Verlagshäuser haben den Großteil der Redaktion in Kurzarbeit geschickt. Zum Beispiel hat die Kleine Zeitung nur die Hälfte der Mannschaft, um das Gleiche zu produzieren. Auch die Salzburger Nachrichten haben stark reduziert, das heißt, man hat automatisch weniger Menschen, die unter ohnehin schon erschwerten Bedingungen kritischen Journalismus machen. Drittens ist man in Zeiten von „Team Österreich“, der omnipräsenten Krankheit und des nationalen Schulterschlusses schnell mal der Großmuttermörder, wenn man kritisch ist.
Fällt dir neben der autoritäreren Politik auch ein gewisser gesellschaftlicher Autoritarismus auf? Florian Klenk hat etwa am Anfang der Krise auf Twitter gefragt, ob es auch Experten gibt, die die Maßnahmen der Bundesregierung nicht gut finden. Er hat dann einen Shitstorm geerntet, weil er die Maßnahmen hinterfragt hat.
Ja, auf eine gewisse Art und Weise beobachte ich das. Was da mitschwingt ist dieses: „Wir sitzen alle im gleichen Boot und wenn einer ausschert, bringt er das ganze Boot zum Kentern.“ Davor haben die Leute Angst und darum posten sie dann Fotos von Leuten, die am Donaukanal spazieren gehen oder filmen ihre Nachbarn beim Ballspielen im Hof, weil sie das Gefühl haben, wer ausschert gefährdet sie persönlich.
Einerseits ist das die Angt und es schwingt Unsicherheit mit. Wir können ja nur Risiko minimieren. Wenn man dann jemanden sieht, der es ein wenig lockerer macht als man selbst, hat man sofort das Gefühl: „Dem geht’s gut, das kann ich doch unmöglich durchgehen lassen, dem muss ich ordentlich die Meinung sagen.” Das ist natürlich verständlich, man muss aber trotzdem das Gesamtbild sehen.
Welche Medien konsumierst du, um dich auf dem Laufenden zu halten?
Ich höre viele Ö1 Journale, Standard und Presse lese ich regelmäßig, blättere in der Zeit und schaue gern die ZIB 2. Außerdem bekomme ich viele Newsletter und die Presseagenturen wie die APA sind natürlich eine gute Quelle.
Wie schützt du dich vor Fake News? Wir alle sind ja auf Social Media unterwegs und viele unseriöse Medien tarnen sich da recht gut. Was sind deine Alarmsignale, was Fake News betrift?
Ich google die Sachen einfach, wenn ich bei etwas das Gefühl habe, dass es seltsam oder “too good to be true” klingt. Meistens hat sich das dann schon jemand, der halbwegs glaubwürdig ist, angeschaut.
Wie hat sich dein Arbeitsalltag verändert?
Meine jetzige Anstellung beim Falter hat am zweiten Tag des Lockdowns begonnen, ich hatte mir schon meinen ersten Tag in der Redaktion ausgemalt, ich hätte vielleicht sogar Schokolade mitgebracht. Aber so war dem nicht, stattdessen ich bin im Pyjama vor dem Laptop gesessen. Für mich hat sich wenig geändert, ich habe schon davor viele Artikel gemacht, für die ich eigentlich nicht rausgehen musste, wo ich viel gelesen und telefoniert habe. Aber ausschließlich solche Geschichten zu machen, ist irgendwann nicht mehr lustig. Ich brauche das, dass einen die Reportage mitzieht und man etwas erlebt.
Siehst du auch Positives an den aktuellen Entwicklungen?
Ich lebe gesund, trinke kaum und gehe jeden Tag laufen. Ich komme sicher als selbstoptimierter Superhuman aus der Quarantäne, der aber keinem Menschen mehr in die Augen schauen kann (lacht). Aber ganz im Ernst: Für mich ist die Situation ok, aber gesamtgesellschaftlich ist sie natürlich eine Katastrophe.
Danke dir für das Gespräch.
Weitere Informationen
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Titelbild: © Heribert Corn/Paul Zsolnay Verlag.
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