Sexshops haftet immer noch ein schmuddeliges Image an. Obwohl ihre Existenz heutzutage eigentlich kein Thema mehr sein sollte, wird Diskretion in diesem Bereich immer noch sehr groß geschrieben. Eine der berühmtesten Vertreiberinnen ist wohl Beate Uhse. Dass hinter dieser Frau jedoch weitaus mehr steckt als Filmchen und Toys und weshalb sie heute immer noch umstritten ist, lest ihr hier.
Beate Uhse wird 1919 geboren und wächst in einem sehr liberalen Elternhaus auf. Ihre Mutter war eine der ersten Ärztinnen in Deutschland, ihr Vater Gutsbesitzer. Schon früh wird sie über Sexualität und Verhütung aufgeklärt. Fortschrittlich geht es zu im Hause Köstlin (so ihr Mädchenname). Somit erhält sie die idealen Voraussetzungen für ihren weiteren Lebensweg und vielleicht auch darauffolgende Entscheidungen. Sie war aber nicht nur eine Vorreiterin auf dem Gebiet der Sexualität und Gleichberechtigung sondern auch als Pilotin. Das Fliegen war schon früh eine große Leidenschaft von Uhse, 1937 macht sie als einzige Frau inmitten von 60 Schülern ihren Pilotenschein. Es folgen viele Jahre als Pilotin, in verschiedenen Bereichen. Sei es als Kunstfliegerin, bei Luftrennen oder als Stunt-Pilotin beim Film – Uhse ist allzeit bereit, vielseitig und anpassungsfähig. So anpassungsfähig, dass sie später Teil der deutschen Wehrmacht wird und während des Zweiten Weltkriegs Jagdflugzeuge an die Front liefert. Für ihre Mitwirkung bei Hitlers Luftwaffe wird sie bis heute scharf kritisiert. Nach Einmarsch der Alliierten flieht sie nach Schleswig-Holstein, in ein kleines Dorf namens Braderup. Dort trifft sie auf viele junge Frauen, die einerseits den Wunsch nach Sex äußern, aber gleichzeitig auch Bedenken vor einer ungewollten Schwangerschaft haben. Uhse beweist schon hier das richtige Gespür, sogar im 400 Seelen Dorf im Norden ist der Bedarf nach sexueller Aufklärung da. Und sie kommt diesem nach.
Uhse will hoch hinaus
Sie folgt den Bitten der jungen Frauen und fasst zunächst auf zwei DIN-A6-Seiten die Verhütungsmethode nach Knaus-Ogino zusammen, die sich auch Tagezählen nennt. Die „Schrift X“ startet mit 1000 Exemplaren, 1947 sind es schon 32.000 (Zur Orientierung: zwei Mark pro verkaufte Schrift, Zigaretten kosteten damals sieben Mark). Sie nutzt die hohe Nachfrage um sich ein Startkapital aufzubauen, ihr Plan geht auf. 1951 gründet sie mit nur vier Angestellten das „Versandhaus Beate Uhse“. Dort vertreibt sie Kondome, Nachtwäsche und Sextoys. Ihr Geschäftssinn wird belohnt, auch hier hat sie den richtigen Riecher, nach nur kurzer Zeit hat das Unternehmen bereits fünf Millionen Kunden. Doch damit nicht genug, als Pilotin scheut sie bekanntlich keine Höhen, ihr steht der Sinn nach mehr. 1962 eröffnet sie dann den ersten Sexshop der Welt in Flensburg. Unter ihrem eigenen Namen verkauft sie in ihrem „Fachgeschäft für Ehehygiene“ ihre Waren, das fördert Vertrauen und verleiht ihr Seriosität, aber stößt auch auf Widerstand. Neben all den Anhängern gibt es auch viele empörte Stimmen. Unzählige Anklagen und Verfahren, unter anderem wegen „Beihilfe zur Unzucht“, werden gegen sie eingereicht. Uhse gewinnt fast alle davon.
Ungeniert und polarisierend
Die Sexshop-Königin – so nannte man sie, und das war sie allemal – eckte an. Vielen war Uhses Offenheit gegenüber Sexualität damals zu viel. Das schickte sich nicht und gehörte nicht an die Öffentlichkeit. Über die Jahre musste sie immer wieder viel Kritik einstecken. Die Missbilligung und der Tadel werden sie bis an ihr Lebensende im Jahr 2001 nicht kümmern, sie zieht ihr Ding durch. Eine knallharte Geschäftsfrau wie sie im Buche steht. Auch heute noch ist sie eine umstrittene Persönlichkeit, der immer wieder Profitgier statt dem ehrlichen Einsatz für Gleichberechtigung unterstellt wird. Aber nicht nur der vermeintliche Mangel an emanzipatorischen Zielen haftet ihr an, auch ihre Beteiligung als Pilotin der Wehrmacht wurde immer wieder diskutiert und scharf kritisiert. Auch in späteren Interviews äußerte sich Uhse spärlich dazu, verwies immer wieder auf ihre Profession und ihre Leidenschaft für das Fliegen. Dass sie in Bezug auf ihr Geschäft sehr wohl vermehrt aus Eigennutz und weniger aus reiner Nächstenliebe gehandelt hat, ist wahrscheinlich klar. Das kann man ihr jedoch kaum vorwerfen. Sie war eine ehrgeizige Unternehmerin, die sich etwas aufbauen und Geld verdienen wollte. Und sie hat es weit geschafft. Eine erfolgreiche Firma, Preise, Auszeichnungen und 1999 schließlich der Schritt an die Börse. Den Umstand, dass sie im richtigen Moment das richtige Gespür besaß und mutig genug war, sich für eine freiere Sexualität einzusetzen, kann man ihr nicht absprechen.
Ein bitterer Nachgeschmack bleibt, polarisiert hat sie, und das wird sie womöglich auch weiterhin tun. Aber das hat „Beate Schweinekram“ sowieso noch nie gekümmert.
Die nächste Sexkolumne erscheint wieder wie gewohnt. Diesmal am 8. August 2022.
Titelbild: ©David Len/unsplash.com
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