Mensch geht eine Straße entlang

VorLaut #11 – Ich ist das neue Wir!

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Weil es jede Woche etwas gibt, das nach dem kleinen bisschen Meinung verlangt. Weil wir finden, dass frech und vorlaut immer besser ist als zahm und gefügig. Deshalb gibt unser stellvertretender Chefredakteur Max Bell kurz vorm Wochenende seinen Senf dazu. Er mischt sich ein, überall und immer. Damit wir wissen, was war, was ist und welche Themen ruhig noch ein bisschen (vor)lauter sein dürfen. Diese Woche: Warum „Snowflakes“ wirklich ein Problem sein könnten.

Oft wird uns jungen, liberalen Menschen unterstellt, wir seien wehleidig. Ob es um #MeToo, die Klimakrise oder Political Correctness geht, Konservative schmeißen gerne mit dem Begriff „Snowflakes“, als Sinnbild für eine angeblich verweichlichte Generation, die sich von jeder Widrigkeit angegriffen fühlt, um sich. Diese radikale Rhetorik ist natürlich nichts als Kalkül, um den politischen Gegner lächerlich zu machen. Es bleibt aber ein unangenehmer Beigeschmack. Könnte sich hinter all der Taktik ein wahrer Kern verbergen?

Dass zeitgenössischer politischer Aktivismus durchaus reale Probleme aufs Tablett bringt, steht nicht zur Debatte, wie dieser es tut, aber schon. Sieht man sich auf Social Media um, so kann es einem vorkommen, als wäre die beliebteste Strategie der Linken zur Zeit etwa auf Twitter die Diskursverweigerung. Es ist immer wieder die Rede davon, dass man mit Angehörigen gewisser Gruppen nicht mehr reden solle oder ihnen die politische Teilhabe verbieten will. Hierbei geht es nicht um Nazis oder Menschenverachter anderer Art, bei denen eine solche Strategie durchaus legitim sein kann. Oft kommen solche Tweets trotzig daher. An diesem Trotz hängen sich dann Konservative auf und unterstellen kindliches Verhalten. Zu Unrecht?

Der Kern dessen scheint zu sein, dass unsere Generation in der Kritik vorhandener Missstände immer öfter die Ich-Perspektive einnimmt. Viele versuchen verzweifelt eine Diskriminierung zu finden von der sie selbst betroffen sind damit sie sich „eh auch politisch äußern dürfen.“ Dabei ist persönliche Betroffenheit kein Kriterium für politisches Handeln. Uns nur aus diesem Grund für Themen einzusetzen, lässt uns die gesunde Distanz vergessen, die man manchmal braucht, um Dinge klarer zu sehen. 

Social Media ist hierbei ein echtes Problem. Radikal individualistische Stimmen bekommen auf Twitter und Co. ein Megafon in die Hand gedrückt, das sie in der analogen Realität nie hätten, weil niemand mit ihnen arbeiten würde. Das kann natürlich auch positive Aspekte haben, etwa wenn Minoritäten auf sich aufmerksam machen, meist geht es aber darum, mit möglichst polarisierenden Aussagen aufzufallen. Organisiertes politisches oder gesellschaftliches Engagement ist die Lösung. Hierbei wird man gezwungen, sich mit neuen Ideen auseinanderzusetzen und muss sich für ein gemeinsames Ideal einsetzen, das mehr als nur die eigene Betroffenheit umfasst. 

Eine Veranstaltung die eindrucksvoll für diese Geisteshaltung steht, ist der weltweite Klimastreik. Hier finden sich Menschen unterschiedlichster Gesinnungen, aus unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen zusammen, um einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen. Viele der Demonstrierenden werden 2050, wenn die Effekte des Klimawandels unumkehrbar werden, nicht einmal mehr am Leben sein. 

Es geht eben nicht darum, wer wir sind, sonder darum, was wir denken und wofür wir uns einsetzen. Das ist es, was die moderne Linke begreifen muss, um konservativer Kritik keine Schlagseite zu bieten. Gute Ideen sind stärker als Identitäten. Ideen sind ohne Frage mühsamer und bedürfen Auseinandersetzung. Diese Auseinandersetzung, das hat die Geschichte gezeigt, ist es aber auf jeden Fall wert.


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