Danke liebe Medienlandschaft, wir wussten auch ohne euch, dass 2020 ein scheiß Jahr war. Genau deshalb reihe ich mich nicht in den Leitartikel- und Jahresrückblickdschungel ein. Wir müssen darüber reden, was jetzt kommt und was sich unbedingt ändern muss. In diesem Sinne findet diese Kolumne, so wie hoffentlich wir alle, zu dem zurück, was uns die Pandemie abgewöhnen wollte: dem Träumen.
Es gibt keine Normalität, in die wir zurückkehren können. Vorher war nicht normal. Es sei denn, wir wollen rasanten Klimawandel, wachsende Ungleichheit und Dauerstress normal finden. Dass die Pandemie bestehende Probleme deutlich gezeigt hat, wurde nun wirklich ausreichend besprochen. Vor lauter Problembewusstsein verliert man dabei leicht den Blick auf all die Lösungen, die durchaus möglich sind.
Die Klimakrise etwa hat im letzten Jahr zu Unrecht an öffentlicher Aufmerksamkeit eingebüßt. Sie wird uns weit mehr kosten, als Covid, wenn nicht gehandelt wird. Gleichzeitig sind die Lösungen aber bereits alle am Tisch. Schlüsselfiguren, wie etwa Ursula Von der Leyen oder Joe Biden könnten im nächsten Jahr Gesetze auf den Weg bringen, die echte Veränderung möglich machen. Dabei müssen Wissenschafter*innen in Zukunft mehr Raum bekommen als Wirtschaftsbosse veralteter Industrien. Auch Individuen sollten es leichter haben, verantwortliche Entscheidungen zu treffen. Ein einheitliches Co2 Label auf Lebensmitteln könnte etwa dringend nötige Transparenz schaffen. Konsument*innen sollten nicht Rätselraten müssen, wenn sie versuchen nachhaltiger zu leben.
Diese Fragen müssen rasch geklärt werden, nicht nur der Umwelt wegen. Große Krisen betreffen sozial benachteiligte Menschen immer stärker. Die Pandemie hat das mit erschreckender Deutlichkeit bewiesen. Das soziale Netz unserer Gesellschaft präsentiert sich dieser Tage als ausgesprochen lückenhaft. Kurzarbeit für IT Spezialist*innen, die Kündigung für Reinigungskräfte. Ein Spaziergang im hauseigenen Garten für Eigentümer*innen, Arrestzelle Gemeindebau für Mindestpensionist*innen. Aktuell von Chancengleichheit zu sprechen ist nichts als zynisch. 2021 muss die Schere zwischen arm und reich kleiner werden, ansonsten rutschen wir in eine kastenähnliche Gesellschaftsordnung. Wenn ein Arbeiterkind nicht studieren kann obwohl es möchte, hat unsere Gesellschaft versagt. Absicherung und soziale Durchlässigkeit sind im 21. Jahrhundert alternativlos, wenn wir als Gesellschaft florieren wollen. Verstehen wir uns als Innovationsgesellschaft, können wir nicht auf jene brillanten Geister verzichten, die in die „falsche“ Schicht geboren worden sind. Monetäre Absicherung und eine diskriminierungsfreie Bildungspolitik müssen oberste Priorität auf den Sozialagenden der Regierungen werden.
Dabei helfen könnte auch eine neue Form von Zusammenleben in den Städten. Die Stadt muss als Lebensraum ihren Bewohner*innen dienen. Straßen müssen Parks und Öffis weichen. Diese öffentlichen Räume sollten aber nicht nur der reinen Erholung dienen, ein engmaschiges Digitalkonzept wird den öffentlichen Raum zu einem Ort des Arbeitens und Lernens umfunktionieren. Abseits röhrender Motoren wird Konzentration auf großen Grünflächen möglich sein. Das wird einen neuen sozialen Raum eröffnen, wie es diesen Sommer schon in Ansätzen passiert ist, etwa vor der Karlskirche in Wien.
Sind all diese Ideen Utopien? Bei weitem nicht, sie wären im Grunde sofort umsetzbar. Die Pandemie hat gezeigt, wie schnell Veränderungen unseres Zusammenlebens möglich sind. Wer sich also eine Welt wünscht, die gerechter, ökologischer und innovativer ist, dem*der sei gesagt, dass man sie nur fordern muss. 2021 ist das Jahr, in dem alles geht!
Comitted to the best obtainable version of the truth.