Ciara Moser ist eine bemerkenswerte Bassistin und Musikerin, die zunächst in Wien und inzwischen am Berklee College of Music in den USA studiert. In ihrer musikalischen Entwicklung legt sie großen Wert auf Eigenständigkeit und darauf, ihre Person mit all ihren Eigenschaften in der Musik zu verwirklichen. Eine dieser Eigenschaften ist ihre Blindheit. In ihrem Podcast „Blind. So what?“ erzählt sie von ihrem Alltag als Blinde und beantwortet viele Fragen zum Thema Blindheit und Inklusion.
„Als ich letztes Jahr in Berklee war, habe ich gesehen, dass es voll viele Leute gibt, die gut spielen können und man ein kleiner Fisch im goßen Teich ist. Aber wenn man erfolgreich sein will und glücklich, mit dem was man macht, muss man sein eigenes Ding machen.“ Für Ciara bedeutet das, in ihren unterschiedlichen musikalischen und außermusikalischen Projekten das Thema Inklusion zu behandeln und über Blindheit und Disabilities im Allgemeinen aufzuklären. Dieses Bestreben zieht sich durch ihre Musik, ihre Ausbildung und ihre privaten Interessen, wie zum Beispiel ihren Podcast.
Gut spielen ist nicht alles
Ciara belegt am Berklee College of Music den Masterstudiengang Contemporary Performance am Global Jazz Institut. Dieser stellt neben der musikalischen Entwicklung die Person und eigene Projekte in den Mittelpunkt. „Die Botschaft ist: Du bist nicht nur wichtig, weil du gut spielst, sondern weil du eine interessante Persönlichkeit bist. Und da habe ich mir gedacht, das ist eigentlich genau das Richtige für mich. Ich werde oft von Bands gefragt [bei einem Gig oder Projekt mitzuspielen], weil sie mich einfach cool finden, in meiner Ganzheit. Und nicht, weil ich eine ersetzbare Bassistin bin. Da ist es einfacher, wenn man einen Sehenden hat, der selber mit seinem Auto zum Gig fahren kann. Ich bin zwar sehr unabhängig, aber die Leute checken das oft überhaupt nicht und würden dann gar nicht daran denken, dass sie mich fragen.“
Neben den Ensembleproben und dem Einzelunterricht, der wöchentlich von anderen Gästen wie John Pettitucci oder Dave Liebmann betreut wird, stellt in diesem Studiengang außerdem die Bedeutung von Musik als Mittel sozialen Aktivismus‘ eine zentrale Rolle dar. „Es geht eigentlich viel um die Message ‚Music and Social Change‘, also dass man mit seiner Musik etwas verändern kann. Wir haben zum Beispiel das Fach Social Activism und wenn das nicht online wäre, dann würden wir in Krankenhäusern, Waisenhäusern und Gefängnissen Workshops machen.“
Musik und Blindheit
In ihrer Masterarbeit, aus der in weiterer Folge ein Soloalbum entstehen soll, befasst sich Ciara mit dem Thema Musik und Blindheit, indem sie einerseits Musik schreibt und andererseits Nachforschungen an sich selbst über Blindheit und Musik macht. „Normalerweiße sind ca. 80 %, manche Studien sagen sogar 90 %, der Sinneseindrücke von Sehenden durch den Sehsinn dominiert. Das heißt, die anderen Sinne sind nur zu 20 % eingebunden. Und Blinde müssen diese 80 % kompensieren und da ist einerseits viel Konzentration vonnöten und andererseits viel Sensibilisierung auf die anderen Sinne.“ Dabei hat Ciaria in ihrer Masterarbeit vier zentrale Themen herausgearbeitet: Vertrauen, ein gutes Gedächtnis, das Kompensieren des Sehsinns durch die anderen Sinne und eine weitere musikalische Wahrnehmungsebene, die sie vorerst sechsten Sinn nennt. Das spielt für sie vor allem in Live-Situationen auf der Bühne eine große Rolle. „Zum Beispiel, wenn man mit einem guten Schlagzeuger spielt, der gut anzeigen kann. Wenn es sich so anfühlt, als würde es zum Schluss gehen, dann geht’s auch zum Schluss, da gibt’s dann kein: Wir überlegen es uns doch nochmal. Oder wenn jemand ein Solo aufbaut. […] Diese Sachen, die sich entwickeln im Raum, wenn man miteinander spielt, die man aber nicht erklären kann. Aber ich werde es versuchen zu erklären.“
Blind. So what?
Ciara hat eine klare Botschaft und möchte Teil eines gesellschaftlichen Umdenkens sein. Blindheit, wie auch andere Disabilities, sind Eigenschaften, die Menschen besonders machen, aber sie auch nicht in erster Linie charakterisieren. Das Gefühl, so sein zu wollen wie alle anderen, ist etwas, das sie von Kind auf begleitet. Der Grund dafür, das weiß sie jetzt, ist allerdings die Art, wie mit ihrer Blindheit in der Gesellschaft umgegangen wird. „Das ist echt noch nicht lang her, da habe ich erst begriffen, eigentlich will ich nicht wie alle anderen sein, weil es macht mich besonders, dass ich blind bin. Aber dafür habe ich sehr viel Zeit gebraucht.“
Ein großer Wunsch ist für sie deshalb, normal behandelt zu werden. Das Stichwort lautet Inklusion. Der Grund dafür, dass dies leider nicht die überwiegende Umgangsweise ist, liegt für sie in mangelnder Aufklärung. In unserem Bildungssystem würden Themen wie Behinderungen und das Thema Inklusion viel zu kurz kommen. Dem möchte sie entgegenwirken. Sie möchte, dass diese Gesprächsthemen zur Normalität werden, anstatt immer etwas Besonderes und Unausgesprochenes zu bleiben.
„Für mich ist das auch nichts Ungutes. Für mich ist das, wie wenn ich über das Wetter rede, wenn ich über meine Blindheit rede. Das ist einfach nicht unangenehm. Und das vergessen die Leute. Für mich ist das nichts Besonderes und das würde ich gerne schaffen, dass es das für die anderen Leute auch nicht ist.“
Inspiriert unter anderem von dem Youtuber Tommy Edison hat sie deshalb beschlossen, der Scheu vor dem Thema Blindheit aktiv entgegenzuwirken. „Dann habe ich mir gedacht, mach‘ ich halt einen Podcast, weil es einfach so viele Fragen über Blindheit gibt, die ungeklärt sind. Und ich denke, es gibt viele Leute, denen es einfach unangenehm ist zu fragen.“ In ihrem Podcast „Blind. So what“ behandelt sie Themen des Alltags als Blinde, wie Kochen, Orientierung, Einkaufen, aber auch speziellere Themen wie das Musikmachen oder Sport, in ihrem Fall Schifahren. Dabei schafft sie es, indem sie ihre persönlichen Erfahrungen teilt, allen Zuhörenden etwas mitzugeben, von Alltags-Lifehacks bis hin zum Umgang mit Mitmenschen. Der Podcast umfasst mittlerweile 20 Folgen und ist auf Spotify, oder per Podcast-Catcher über den Link auf ihrer Website zu hören.
Gitarre- und Tonmeister-Studium.
Band-member of Full Of Thoughts.
Teilzeit Physikstudent.
Teilzeit politisch aktiv.
Nie wirklich Zeit für die Teilzeit-Aktivitäten...