Quiz-Time: Nenne in zehn Sekunden so viele Philosophinnen wie möglich. Ja genau, Frauen! … Simone de Beauvoir … Hannah Arendt … …Hand aufs Herz, wer gerät hier schon ins Stocken? Und wer hat noch nie davon gehört, dass eine der einflussreichsten Denkerinnen der Antike eine Frau war, Hypatia? Philosophinnen, dieses Jahr in der deutschen Übersetzung im Mairisch Verlag erschienen, beginnt nicht mit Hypatia und endet nicht mit Simone de Beauvoir, sondern spannt den Bogen noch viel weiter, denn so facettenreich ist sie tatsächlich, die weibliche Philosophiegeschichte.
Die Herausgeberinnen Rebecca Buxton und Lisa Whiting versammeln in zwanzig kurzweiligen Essays beispielhafte Porträts von Frauen, die die Philosophie bis heute prägen und dennoch in kaum einem Lehrplan auftauchen:
Als wir beide Philosophie studierten, wussten wir, dass Frauen in unserer Disziplin unterrepräsentiert sind. Wir beide hatten nur eine Handvoll Dozentinnen. Die Seminarinhalte waren zum einen beherrscht von Männern, die vor Hunderten von Jahren gelebt hatten, zum anderen von Männern, die direkt vor uns standen.
So heißt es in der Einleitung zum Sammelband, die Begründung liegt im Kanon. Der ist – wie in fast allen Disziplinen – auch in der Philosophie, wie soll es anders sein: weiß, männlich und tot. Es sind die üblichen Verdächtigen, die von den meisten Menschen aufgezählt werden können, wie Buxton und Whiting in einer Umfrage bemerkten.
Und dann stellten sie eine zweite Frage: die obige. Keine der befragten Personen konnte auch nur eine einzige Philosophin benennen. Dabei ist unsere Ideengeschichte, unser Verständnis der Welt unfassbar stark geprägt von so vielen Denkerinnen, dass bei weitem nicht alle einen Platz gefunden haben in dem liebevoll gestalteten Buch: Nach der Danksagung folgt noch eine seitenlange Liste von weiteren Frauen, die in einer breiten Definition als Philosophinnen bezeichnet werden können. Nicht nur diese Auflistung, auch die einzelnen Essays laden ein zum Blättern, zum Verweilen, zum Stöbern. Der Sammelband kann kreuz und quer gelesen, zwischendurch weggelegt und immer wieder aufs Neue hervorgeholt oder in einem Rutsch chronologisch verschlungen werden – jede Lesart wird euren Horizont erweitern, versprochen! Um die Essays zu verstehen, muss niemand Philosophie studiert haben; Lust aufs Fach machen sie aber, und zwar gewaltig!
Großartig: Ein Buch über Philosophinnen von Philosophinnen – ich liebe es!
Das sagt Schriftstellerin Elif Shafak über diesen Band und betont damit eine weitere Besonderheit: Jeder Artikel ist von einer zeitgenössischen Denkerin geschrieben worden. Ein kleines Schmankerl dabei: Eine von ihnen taucht gleich zweimal auf – als Autorin und als Porträt. Ihr Name sei an dieser Stelle noch nicht verraten – kauft euch lieber dieses wunderschöne, bereichernde und knallige Buch und erzählt seine Geschichten weiter!
Weitere Informationen
Hier findet ihr das Buch!
Wenn Philosophie nicht euer Ding ist, schaut unbedingt trotzdem mal bei Mairisch vorbei – der preisgekrönte Independent Verlag macht wunderschöne, spannende Bücher und hat heuer den Deutschen Verlagspreis gewonnen. Von Mairisch wurde außerdem der Indiebookday ins Leben gerufen, ein Feiertag der unabhängigen Verlage!
(c) Titelbild: Andrey Korchagin/National Archaeological Museum of Naples, via flickr: Donna con tavolette cerate e stilo (cosiddetta „Saffo“). Sappho gilt als antike Dichterin von kanonischer Bedeutung, als „Homer in Frauengestalt“, die beispielsweise großen Einfluss auf Platon, Horaz und andere hatte; ihre Texte findet ihr unter anderem hier.
Schreibt, seit sie sich erinnern kann. Stationen in Leipzig und Kopenhagen (Philosophie, Kultur und Film). Literaturwissenschaftlerin.