Festwochen to be continued

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Herzlich willkommen im Theatersommerloch: Es ist August in der Stadt, der Asphalt glüht, die Theater machen eine Pause und versprechen frischen Wind im September – so auch, erstmals, die Wiener Festwochen.

Die Wiener Festwochen sind eine Institution, deren Geschichte bis in die 50er Jahre zurückzuverfolgen ist und die Sommer für Sommer Inszenierungen diverser Sparten aus aller Welt in die österreichische Hauptstadt bringt. Traditionell sind dafür fünf Wochen im Mai und Juni reserviert, weil seit der Pandemie aber alles anders ist, findet das Festival in seinem 70. Jubiläumsjahr in zwei Etappen statt: Bis Mitte Juli waren Aufführungen aus Tanz, Theater, Performance etc. zu sehen – und Ende August geht es dann tatsächlich noch weiter.

AND IF I DEVOTED MY LIFE TO ONE OF ITS FEATHERS?, eine Ausstellung der Festwochen in der Kunsthalle, (c)film still, courtesy Maximiliano Mamani/Bartolina Xixa

Mit der zweiten Hälfte verschiebt sich allerdings der Fokus. Statt dem klassischen Publikum-Bühne-Format stehen vielmehr Workshops im Vordergrund; MITTEN wird diese Reihe genannt. Bei diesem Projekt verschwimmen die Grenzen zwischen zuschauender und performender Person, das Publikum wird miteinbezogen, die Stadt mit all ihren Facetten wird genutzt. Im Fokus steht der Prozess, die Entwicklung, das Labor, Gespräche, Austausch, Reflexion. Was macht Wien als Stadt aus, was bedeuten Namen? Es geht an die Donau, in Wiens Gärten und Wälder – gekocht wird sogar auch. Wer interessiert ist, kann sich voranmelden und bei Auswahl mit den Künstler*innen in Dialog treten, über mehrere Tage hinweg; abends locken Konzerte und Keynotes. Nach Monaten der sozialen Isolation ist das ein Austausch, der vielleicht Möglichkeiten von Veränderung erzählen kann und von dem jetzt noch nicht feststeht, wohin er führen wird.

Diese zweite Hälfte ist damit offen für alle, die gemeinsam gestalten und die Stadt entdecken wollen und nicht nur für die, die in der Hitze ausgehungert auf die neue Spielzeit warten. Anmeldungen sind noch möglich – traut euch!

Zur Einstimmung hier noch ein kurzer Rückblick auf zwei Inszenierungen der ersten Etappe:

Szene aus QUASI, (c) Nurith Wagner-Strauss

QUASI: Wien ist weltweit berühmt für seine Kaffeehäuser – mit Quasi kommt die künstlerische Auseinandersetzung mit einem Iraner Kaffeehaus in unsere Stadt. Die Künstlerin Azade Shahmiri verwendet Teile eines unvollendeten Films von Hamid Jafari, die vor 20 Jahren in Teheran aufgenommen wurden und inszeniert um diese Beobachtungen und Gespräche genauso unvollständige Erzählungen dreier junger Menschen im gegenwärtigen Iran. Damit erschafft sie nicht nur eine reiche Bilderwelt in den Köpfen des Publikums, sondern auch eine neue Art von Storytelling: Film und Ton vermischen sich zu einer generationenübergreifenden und verbindenden Geschichte.

Szene aus SUITE N°4, (c) Nurith Wagner-Strauss
Szene aus SUITE N°4, (c) Nurith Wagner-Strauss

Suite n°4: Allein der Weg zum Veranstaltungsort ist schon besonders, durch die Gärten beim Spital hoch zum Jugendstiltheater im Grünen; ein wunderschönes Gebäude! Vorne sitzen im Halbdunkel die Musiker*innen und als das Licht ganz ausgeht, beginnen die Tonspuren: Verschiedenste Aufnahmen aus den unterschiedlichsten Kontexten werden wie huschende Geister auf transparenten Leinwänden dreidimensional projiziert, die Musiker*innen greifen die Tonalität auf und interagieren damit. Dadurch ist es nicht wie ein Konzert, sondern tatsächlich mehr wie ein Theater ohne Schauspieler*innen. Die Musik ist wie ein Rahmen, der den Wörtern eine Bedeutung gibt und ganz eintauchen lässt: Wer sich hier hingibt, denkt an nichts anderes mehr, nimmt nur noch Wort und Ton, den Moment war. Das Publikum ist begeistert. Später gibt es noch ein kleines Publikumsgespräch draußen mit Sicht auf Stadt, Wälder und Wiesen, über denen der Mond aufgeht. Das Stück ist der vierte und letzte Teil der Reihe von Encyclopédie de la parole, die uns zeigt, wie viel Musikalität in unserem Alltag ist und uns beibringt, die Ohren zu spitzen!


Weitere Informationen

Azade Shahmiri ist auch bei MITTEN dabei – sie lädt mit Garden to Garden zu einer Erkundung von Wiens und Teherans Gärten ein. Hier könnt ihr euch  noch anmelden!

Alle anderen Informationen zu den Wiener Festwochen findet ihr auf deren Webseite. Viele Veranstaltungen sind sogar kostenlos!

Wer in der Zwischenzeit Lust hat, noch mehr von den Festwochen mitzubekommen, kann sich die Ausstellung And If I Devoted My Life To One Of Its Feathers? ansehen, ein gemeinsames Projekt der Festwochen und der Kunsthalle Wien.

(c) Titelbild: H Mairet

Schreibt, seit sie sich erinnern kann. Stationen in Leipzig und Kopenhagen (Philosophie, Kultur und Film). Literaturwissenschaftlerin.

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