In welche Richtung sich die performative Szene in Wien entwickelt, zeigte vergangene Woche eine Reihe an Nachwuchskünstler*innen. An jeweils zwei Abenden wurden im WUK Arbeiten präsentiert, die vor allem eines einte: ihre Vielfalt.
Titelbild © Heribert Corn
Das vom WUK angebotene Mentoringprogramm HUGGY BEARS bietet ausgewählten Nachwuchskünstler*innen die Möglichkeit, ein Jahr lang an einem Projekt zu arbeiten und dabei von der Recherche bis zur Premiere unterstützt zu werden. Ein fixer Proberaum sowie verschiedene Try-Outs und Feedback-Sessions sind Teil des Programms. Die teilnehmenden Personen – es handelt sich um performative Künstler*innen – werden von einer Fachjury ausgewählt. Die Abschlussarbeiten der diesjährigen HUGGY BEARS wurden vergangene Woche im Zuge der Saisoneröffnung von WUK performing arts präsentiert.
Zurück zu den Wäldern
Den Auftakt machte am Mittwochabend Fabian Faltins Performance Would be Wood. Bongos spielend begrüßt er die Zusehenden, während sich diese allmählich auf ihre – Corona sei Dank – fix zugewiesenen Sitzplätze begeben. Barfuß steht Fabian Faltin auf der Bühne, sein Gürtel trägt die Farben der österreichischen Fahne. Vor ihm ist ein Geäst aus Birkenholz ausgebreitet. So muss sich Donald Trump die Künstler*innen der Waldstädte vorstellen.
Wald – das ist auch das Überthema der Performance. Aber die Aufführung kann nicht nur auf ein paar Bäume reduziert werden. Der Wald und das Holz bilden lediglich den roten Faden für diese ausgesprochen dichte Performance, die auch von wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Analysen durchzogen ist.
Bildüberflutung
Auf Fabian Faltins Would be Wood, das hauptsächlich vom gesprochenen Wort lebt, folgt Daphna Horenczyks größtenteils schweigsame, dafür visuell überladene Performance Diorama:stories. Eine Notiz auf den Stühlen informiert vor Beginn darüber, dass man sogleich sehen wird, wie Content für Instagram entsteht, der live auf Daphna Horenczyks Instagram Account (@daphna.horen) gepostet wird.
Was man dann zu sehen bekommt, lässt sich mit dem Wort Reizüberflutung trefflich beschreiben. Im Fokus der Performance steht eine Frau (Jolyane Langlois), die sich anfänglich noch allein tanzartig auf der blanken Bühne bewegt. Doch dies ändert sich schnell: Zwei Männer (Costas Kekis und Evandro Pedroni) machen sich daran, Fotos für Instagram zu schießen. Requisiten werden auf die Bühne geschleppt, die Frau wird ausgezogen. Ständig wird verändert, kreiert, inszeniert. Und dabei wird unentwegt fotografiert. Die so entstehenden Images kommen und gehen, prasseln auf einen nieder. Immerzu wird versucht – so scheint es – sich in der Image-Inszenierung zu übertreffen. Dass die Geschichte hinter den Bildern auf Social Media nicht immer allzu rosig ist, macht Diorama:stories eindrücklich klar.
Zirkus rund um einen Kühlschrank
An einem separaten Abend bringt The Rhizomatic Circus Collective seine Arbeit disruption studies. Staying with the fridge and other animals auf die Bühne. In knapp einer Stunde passiert Vieles, aber nur Weniges beeindruckt. Im Zentrum der zirzensischen Aufführung steht ein Kühlschrank. „In einer Zeit, in der das Leben sich vermehrt in privaten Räumen drängt und sich zugleich im weiten Feld der digitalen Welt ausdehnt und verliert, ist dies ein symbolträchtiges Objekt des westlichen Alltags“, heißt es dazu in einem Interview mit dem Kollektiv. Momente, in denen Kühlschränke herumtransportiert und neu angeordnet werden, laden jedoch vielmehr zum gedanklichen Abschweifen als zum Kontemplieren über dieses „symbolträchtige Objekt des westlichen Alltags“ ein. Unterhaltsam ist dafür die charmante Bewerbung eines Kühlschranks. Und ein Lob kann auch an die musikalische Untermalung sowie die elektronischen Sounds ausgesprochen werden.
Eine meditative Erfahrung
Den Abschluss bilden mirabella paidamyowo dziruni und Hyeji Nam mit Zen Sitive, die ihre Performance selbst als „meditative Erfahrung“ beschreiben. In der Tat kann Zen Sitive zu einem wahrlich kontemplativen und fast schon spirituellen Erlebnis werden, wenn – und dies ist von großer Bedeutung – man sich mental darauf einlässt. Tut man bzw. will man dies nicht, ist Langeweile vorprogrammiert. Denn nüchtern betrachtet „handelt“ Zen Sitive lediglich von verschiedenen Körpern, die sich in einem Raum zu Musik bewegen. Von Tanz kann man dabei nicht sprechen, doch die sachten und äußerst bewusst ausgeführten Bewegungen der Performenden haben etwas außerordentlich Schönes an sich. Zen Sitive ermöglicht einen Zustand der meditativen Versenkung im Kollektiv. Das sei auch das Ziel der Performance – so sagt mirabella paidamyowo dziruni in einem Interview: „[…] it is about finding the Zen within oneself, and reacting to it and others in a sensitive way.”
Auch wenn man nach Verlassen des WUK-Gebäudes vielleicht nicht das Zen in sich selbst gefunden hat, so ist man zumindest um eine Erkenntnis reicher: Die Nachwuchsszene der performativen Kunst in Wien hat was drauf. Wird spannend, was uns da noch alles in den nächsten Jahren erwartet.