Für viele junge Menschen sind Festivals ein klarer Bestandteil des Sommers. Coronabedingt fallen aber auch diese dieses Jahr flach. Wir haben die Zeit des festivalfreien Sommers 2020 für eine kritische Auseinandersetzung mit Kulturvereinen und Förderungen in Oberösterreich genutzt.
Wer denkt, Festivalveranstalter*innen kommen in der Corona-Krise finanziell gut über die Runden, der irrt. Viele Festivalveranstalter*innen kommen deshalb über die Runden, weil sie nichts zu verlieren haben. Sie sind Idealist*innen, die aus reiner Motivation und Freude arbeiten.
Für die freie Kulturszene in Oberösterreich bleibt aber kaum Geld übrig. Sie verfügt über wenig Kapital und die Arbeit ist kaum lukrativ. Das liegt vor allem daran, dass die Gelder für diese ständig gekürzt werden. Erst bekommen die großen Vereine was, dann kommt der Rest.
Dennoch gibt es gerade in Oberösterreich einige Festivals, die finanzielle Unterstützung verdient hätten. Viele Förderungen im Bereich der freien Kulturszene, welche unter anderem ein Budget für Festivals vorsehen, landen aber bei Geschäftslokalen oder Kursen, die konstant laufende Kosten aufweisen, so Klaus*, Mitveranstalter vom HEBO Open Air, ein Musikfestival im Raum Schärding. Grundsätzlich ist es bei kleinen Festivals so, dass die Veranstalter*innen über Jahre hinweg freiwillig mehrere hundert Stunden arbeiten und sich dann sogar noch verschulden. Auf Null zu kommen ist dabei das jährlich anzustrebende Ziel.
Das schönste Jazzfestival der Welt
Ein besonderer Fall hierbei ist der von Paul Zauner, Veranstalter des Jazzfestivals Inntöne. Das dreitägige Festival findet jährlich zu Pfingsten auf dem Hof des Veranstalters statt, dabei drängen sich internationale Gäste in einem sehr familiären Ambiente jeden Abend in den eigens dafür geräumten Stadl. Für sein Lebensprojekt hat Paul Zauner über Jahre hinweg viel in Kauf genommen, um den Status zu erreichen, den das Festival heutzutage besitzt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, denn der eigentliche Biobauer bringt jährlich eine raffinierte Mischung aus internationalen Newcomern und Jazzgrößen wie Abdullah Ibrahim und Kamasi Washington zum Jazz am Bauernhof in das Hinterland von Schärding. Zusätzlich wird das Festival in weltweit 70 Länder gestreamt und besitzt somit einen unvergleichbaren Stellenwert.
Eigentlich sollte man meinen, dass ein Festival in diesem Ausmaß als Weltkulturerbe gilt, aber dem ist leider nicht so, denn der Bauernhof Paul Zauners ist, um den weiteren Bestand finanzieren zu können, allem Anschein nach in den Besitz der Bank übergetreten. Für eine Befragung war Herr Zauner bis dato nicht verfügbar.
Das Land wählt Orange
Zwar würde das Land Oberösterreich über die nötigen finanziellen Mittel verfügen, um die freie Kulturszene ausreichend und gerecht zu fördern, doch dem Land ist es wichtiger, wirtschaftlich relevante Firmen zu unterstützen.
Jeder der durch die Kleinstadt Mattighofen im Bezirkskreis Braunau am Inn fährt, erkennt schon von weitem die gigantischen Bauten, die in grellen Orange die Landschaft zieren. Mit der Annäherung an den Stadtkern wächst auch das Gefühl, dass man sich in einem Westernfilm befindet, in dem der Bösewicht die Stadt eisern in seiner Hand hält. Mit der letztjährigen Eröffnung der KTM Motohall, also einem „Museum“ der Firma KTM, direkt am Stadtplatz (am sogenannten KTM Platz 1), erreicht die Absurdität eine neue Dimension. Nicht nur fungiert das Museum eigentlich als Verkaufshalle und Tiefgarage, sondern verfügt auch über ein eigenes Restaurant, um auch die Angestellten in den oberen Steuerklassen dazu zu verleiten, die Mittagspause in den eigenen vier Wänden zu verbringen. Ein Museum über einem Konzern in dieser Größenordnung wäre ja eigentlich nicht abwegig, auch wenn sich die Halle direkt am Stadtplatz befindet. Doch dem Bau des Showrooms wurde zusätzlich eine staatliche Förderung von 6,74 Mio. € zugesagt, 1,8 Mio. € davon aus dem Kulturbudget. Zum Vergleich: Das gesamte Kunst- und Kulturförderbudget des Landes Oberösterreich beträgt aktuell nur etwa 5 Mio. €.
„KTM hat genug Geld und ist nicht auf öffentliche Förderungen angewiesen.“, so die Kulturplattform Oberösterreich (kurz KUPF), aber dennoch wurden dem Konzern staatliche Zuschüsse für eine Verkaufshalle zugesagt, während angesichts der aktuellen Notlage echte Kulturbetriebe um ihr Überleben kämpfen. Nach der umstrittenen Kulturförderung des Landes Oberösterreich ist der ehemalige Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) unter Beschuss. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien ermittelt zurzeit wegen Verdachts auf Untreue. Es gilt die Unschuldsvermutung. Außerdem wurden bereits zwei umfangreiche Prüfungsberichte zu den Kulturförderungen der KTM Motohall veröffentlicht. Unter dem Hashtag #KTMgate kann man auf verschiedenen Plattformen die Nachwirkungen der rechtswidrig zugesagten Fördermitteln verfolgen.
Der Sommer 2021
Für uns alle heißt es wieder einmal, wie Festivalveranstalter*innen gerne sagen: Nach dem Sommer ist vor dem Sommer. Die Planungen für die Festivals nächstes Jahr stehen bereits in den Startlöchern. Ob die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft noch etwas bewirken werden, lässt sich nicht sagen, aber immerhin tragen diese bereits erste Früchte, denn laut KUPF verzichtete KTM auf 800.000 € bereits beschlossener Förderungen des Landes Oberösterreich.
An der Aufteilung der Kulturförderung lässt sich aber leider so schnell nichts ändern. Die freie Kulturszene wird ihren Idealismus nicht ablegen und wir werden im nächsten Jahr vermutlich wieder einen halbwegs normalen Sommer, mit all den schönen Festivals, die wir dieses Jahr missen mussten, genießen können.
Ich wünscht ich könnt.