Little Fires Everywhere startet mit einem prachtvollen Anwesen, das in Flammen steht. Der Zuschauer ahnt schon jetzt, dies ist keine Feel-Good-Serie, bei der man sich entspannt im Sessel zurücklehnt, hier steckt wesentlich mehr dahinter. Die auf einer Romanvorlage von Celeste Ng basierende Serie ist die Geschichte zweier Frauen, von Rassismus und Queerness. Warum man Little Fires Everywhere gesehen haben sollte.
Im Fokus der Serie stehen zwei ungleiche Frauen Ende der 90er Jahre. Auf der einen Seite: Elena Richardson. Sie ist stets perfekt gekleidet und lebt den „American Dream“. Eine perfekte Familie mit schickem Ehemann und vier Sprösslingen. Ein trautes Heim in einem Vorort im Mittleren Westen der USA, in dem alles so makellos hergerichtet ist wie die Matriarchin selbst. Das beginnt bei den auf die Sitzpolster abgestimmten Gardinen und endet bei den jeden Tag pünktlich bereitstehenden Lunchpaketen für die Kinder. Auf der anderen Seite steht Mia Warren, die als intellektuelle Künstlerin mit ihrer 16-jährigen Tochter Pearl quer durch die USA reist und nie länger als ein paar Monate am selben Ort bleibt. Ein unkonventionelles Mutter-Tochter-Duo, mit einem ebenso starken Band. Beide Frauen treffen schließlich aufeinander, ihre Leben verstricken sich immer mehr und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Stimmungen hochkochen.
Little Fires Everywhere wartet geduldig ab, um erst nach und nach, Folge um Folge die langgehüteten Geheimnisse, verdeckte Thematiken und Twists zu enthüllen. Die Serie lässt den Zuschauer neugierig werden, wann wird es wohl zu einer Explosion kommen und was liegt noch verborgen?
Manchmal ist etwas eben doch schwarz oder weiß
Es geht um die komplizierte Beziehung zwischen Müttern und Töchtern und das Aufeinandertreffen zweier ungleicher Familien, deren weibliche Familienoberhäupter sich gegenseitig so gar nicht riechen können. Jedoch verbirgt sich hinter dem vermeintlichen Seifenoper-Drama à la Desperate Housewives ein viel brisanteres, und gerade auch vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse, sehr wichtiges Thema. Mit Absicht wurde die Hautfarbe der zweiten Protagonistin, der Künstlerin Mia Warren, in diesem Artikel nicht explizit hervorgehoben.
In der Romanvorlage von Celeste Ng, auf der die Serie beruht, ist die Hautfarbe von Mia nicht näher ausgeführt. In der Serienadaption sind sie und ihre Tochter Pearl Schwarz. Diese Anpassung auf Seiten der Serienmacher beeinflusst nun die gesamte Dynamik der Serie. Sie verstärkt die Erzählung rund um Mutterschaft und Familienfehden zu einer umfassenden Betrachtung der tatsächlichen Rassendynamik eines Vororts von Cleveland, der ursprünglich von einer integrationsorientierten Koalition von Schwarzen und weißen Familien in den 70er Jahren geschaffen wurde. Die aufkommenden Diskussionen, die unterschwelligen und oft vermeintlich harmlosen Anmerkungen und Argumente werden nun erweitert durch das Thema race. Es handelt sich nun nicht mehr nur um zwei ungleiche Mütter, die unvermittelt aufeinanderprallen und deren Leben sich immer mehr verstricken, sondern es sind nun eine weiße und eine Schwarze Frau. Und dies ist dann eben doch ausschlaggebend.
Verdeckter Rassismus
Die Serie ist schonungslos und anspruchsvoll in der Darstellung der späten 90er Jahre im Mittleren Westen. Als brutaler Rassismus (und Sexismus) hinter einer „We Are The World“-Fassade verborgen lag. Weiß getünchte Fantasien und Color Blindness standen an der Tagesordnung. Man könnte dies als „eleganten Rassismus“ beschreiben, er ist scheinbar unsichtbar, jedoch immer latent vorhanden. Geschmeidig und vor allem dauerhaft bestimmte er jeden Aspekt des amerikanischen Alltags. Die Herangehensweise dieser Serie zeigt, dass wir in vielerlei Hinsicht heute in der Lage sind, eine viel exaktere Geschichte über die 90er Jahre zu schreiben, als es damals der Fall war. Es geht dabei nicht nur um soziale Konventionen, sondern auch darum, dass vor allem die Medien der späten 90er Jahre durch ihre Repräsentation (oder schließlich auch das Fehlen eben dieser) ein aktiver Teil der Verleugnung und des Abstreitens waren, das die Gespräche über Rassismus der 90er Jahre charakterisierte. Die klare und rohe Darstellung der damaligen Zeit gibt dem Zuschauer ein sehr authentisches Bild davon, was es hieß, in Amerika Ende der 90er Schwarz zu sein (das verdankt man vor allem auch der fulminanten Darstellung von Kerry Washington als Mia Warren).
Klischeefrei queer
Wäre das nicht schon genug, greift die Serie noch eine andere, sehr wichtige Thematik auf. In einem Flashback erfährt man einiges über Mias Vergangenheit. Als Kunststudentin in New York, von Einsamkeit und finanziellen Problemen geplagt, entwickelt sie eine romantische Beziehung zu ihrer Professorin. In einem Interview mit der leitenden Produzentin der Serie, Liz Tigelaar, merkt diese an, dass ihr schon beim Lesen des Buches ihre Queerness sofort in den Sinn kam.
Es war ihr jedoch wichtig, die Geschichte von Mias Sexualität nicht klischeehaft zu erzählen. Denn historisch gesehen beschränkte sich die Darstellung von Schwarzen Frauen meist entweder auf diese als hypersexuelle Wesen oder als implizite Jungfrauen. Ihr einziger Zweck bestand darin, für weiße Menschen und ihre Kinder zu sorgen und dabei selbst lieb und geschlechtslos zu bleiben. Das wollte die Produzentin unbedingt vermeiden, sie wollte nicht das Bild einer makellosen Schwarzen Frau schaffen, sondern das einer echten. Demnach sollte Mia auch als starke und unabhängige Frau gezeigt werden, die keine Stereotype aufrechterhält und mit ihrer Sexualität und ihrem Körper im Reinen ist. Die Präsentation einer starken lesbischen Verbindung zwischen zwei Schwarzen Frauen, die nicht überzeichnet oder klischeehaft ausgelegt wird, ist unglaublich wichtig.
Aus der Ferne betrachtet ist alles gut
Die Erweiterung um eine queere Storyline hebt die gesamte Geschichte auf eine neue Dimension. Sie gibt den Charakteren mehr Tiefe, mehr Bandbreite, und dem Publikum vielleicht auch mehr Identifikationspotenzial. Die Ansiedlung der Serie in die amerikanische Kultur der 90er Jahre, vordergründig sozialliberal bis moderat, alle waren links, alle unterstützten Gleichberechtigung, alle beobachteten Ellen DeGeneres, wie sie sich damals öffentlich outete, schwule Männer galten als stilvoll und alle setzten sich für AIDS-Kampagnen ein, ist ausschlaggebend. Die auffallende Toleranz endete jedoch vor jedermanns Türschwelle, homosexuell zu sein, war von Weitem in Ordnung, vielleicht sogar schick und hip, aber aus der Nähe inakzeptabel und verwerflich.
Little Fires Everywhere trifft den richtigen Ton im richtigen Moment. Die Serie scheut sich nicht davor, schwierige Themen wie vertuschten Rassismus, Klassismus und Homophobie aufzugreifen und zeigt, wie diese immer wieder miteinander verstrickt und nicht voneinander getrennt zu betrachten sind. Sie ergeben oftmals nur im Zusammenhang ein schlüssiges Bild und geben so Anreiz zum Nachdenken, zum Überdenken der eigenen Fehler und Privilegien. Und auch wenn diese Themen schon so oft vorgebracht wurden, schon häufig Geschichten erzählt und Erfahrungen berichtet wurden, ist es immer wieder wichtig diese aufzuzeigen.
Münchner Kindl, Nachteule und Naschkatze
Studentin für Literaturwissenschaften