Alpträume sind dann besonders perfide, wenn sie munter ihr Genre wechseln und sich erst dann als solche zu erkennen geben, wenn es schon zu spät ist: Mal beginnen sie albern wie die Duden-Empfehlung zu ihrer Schreibweise, mal skurril, mal alltäglich, mal abenteuerlich, um den Träumer in Sicherheit zu wiegen…bevor sie ihm aus dem Nichts groteske Gruselgestalten oder furchtbare Situationen vorsetzen! So durfte ich etwa einmal in einer „Saturday Morning Cartoon“-artigen Handlung einen Schurken überwältigen und ihm als höchst harmlose Strafe auferlegen, als Weihnachtsmann verkleidet in einer Art Coca Cola-Truck Festtagsstimmung zu verbreiten, was er zunächst auch tat…bevor er mich im Vorbeifahren mit Benzin übergoss und bei lebendigem Leib anzündete!
Aber genug von dieser, ähem, herzerwärmenden Weihnachtsgeschichte: Auch Videospiele nutzen gerne mal dieselben Taktiken wie derartige Nachtmahre – und zwar, wenn Titel, die eigentlich gar nicht dem Horror-Genre angehören, plötzlich wesentlich schauriger werden, als angesichts der bisherigen Spielstunden erwartet! Klar, dass derartige Passagen besonders im Gedächtnis bleiben: In reinen Horrorspielen, in denen etwa vom Anfang bis zum Ende permanent blutdürstige (und hirnhungrige) Zombies herumkrebsen, wird der Schrecken zum Alltag und bis zu einem gewissen Grad zur Routine. Machen aber familienfreundliche Fantasy-Abenteuer oder gar quietschbunte Jump&Runs abrupte alptraumhafte Kehrtwenden, ist die Fallhöhe ungleich größer!
Im Folgenden würde ich euch gerne meine persönlichen Top 3 solcher „Horror aus heiterem Himmel“-Momente vorstellen (mit dem positiven Nebeneffekt, dass es sich bei allen drei zugehörigen Titeln um verdammt gute, auch heute noch höchst spielenswerte Werke handelt)! Spoiler (zu 26 bis 21 Jahre alten Produkten) lassen sich dabei freilich nicht vermeiden, aber es wurde darauf verzichtet, mittels Screenshots (die stattdessen schlicht „typische“ Szenen des jeweiligen Spiels zur allgemeinen Veranschaulichung zeigen) die geschilderten Passagen abzubilden: Einerseits, um euch noch nicht den letzten Rest Überraschung bezüglich jener Szenen zu nehmen, falls ihr die Titel auch einmal selbst ausprobieren wollt; andererseits, da starre Bilder selbigen, in denen auch Animationen, Musik und vorheriges „Build-up“ großen Rollen spielen, ohnehin nicht gerecht würden. Also dann: Los geht’s – wenn ihr euch traut!
Platz 3: Kirby’s Adventure (NES, Nintendo / HAL, 1993)
„Kirby ist ein kleiner Kreis mit zwei Augen und ’nem Mund. Aber Kirby ist nicht weiß, sondern pink und kunterbunt!“ – wenn ein Spiel mit dieser Texteinbeldung beginnt, während der superniedliche kugelige Titelheld mit ein paar Bleistiftstrichen gezeichnet und per Pinsel (nach seinem monochromen Game Boy-Debüt) rosa koloriert wird, kann es ja eigentlich nur das un-gruseligste Werk aller Zeiten sein. Und ja, über 95% der Spielzeit liegt dies auch nahe, begonnen bei der mega-harmlos scheinenden Story, die kurz im Vorspann und ausführlicher im Booklet dargelegt wird: Kirby und die anderen Einwohner von Dreamland (Nein, nicht das aus Disentchantment!) wachen eines Morgens auf, um festzustellen, dass Träume in dieser Nacht bei allen Mangelware waren. Besorgt macht der Protagonist einen Abstecher zum „Traumbrunnen“, der im Zusammenspiel mit dem Excalibur-Style darinsteckenden „Traumzepter“ Träume an die Dreamlander verteilt – um dort anstatt des Zepters einen ungebetenen Badegast im Brunnen zu finden: Den selbsternannten Monarch König Nickerchen (alias Dedede), einen pummeligen, ungeschickten Pinguin mit Pudelmütze und Wintermantel und Schurken mit der Bedrohlichkeit eines Tetris-Steins.
Als dieser Geselle erwähnt, das Traumzepter zerlegt und dessen Bruchstücke seinen Freunden zum Namenstag geschenkt zu haben (ja, wirklich), rauscht Kirby wütend ab und macht sich auf die Suche nach jenen (als Bosse fungierenden) Kumpanen, um das Kleinod zusammenzusetzen und wieder im Brunnen anzubringen. Es beginnt ein Jump&Run, wie es süßer nicht sein könnte: Ja, die (für viel Abwechslung sorgende) Spielmechanik, dass der Titelheld seine Gegner verschluckt, um deren Fähigkeiten zu übernehmen, könnte etwas beunruhigend wirken, wenn man (viel) zu viel darüber nachdenkt, aber da ohnehin auch zum x-ten Mal „gefutterte“ Schurken im nächsten Serienteil wie selbstverständlich wieder auftauchen, lässt sich dies als unbedenkliche „Video Game Logic“ (im Stile des immer wieder dieselben vier Geister fressenden Pac-Man) verbuchen. Nach vielen wahrlich kunterbunten Levels voller fröhlicher Musikstücke und niedlicher Monster hat Kirby schließlich alle Zepter-Teile beisammen und will sie zusammengesetzt zum Traumbrunnen zurückbringen, wo natürlich schon König Nickerchen auf ihn wartet und zum Showdown bittet…
Nach dem noch recht konventionellen Kampf gegen das Vögelchen und der Rückeroberung des Sternenzepters zeigt sich aber rasch, dass etwas ganz gewaltig nicht stimmt: Nickerchen rutscht buchstäblich auf Knien, um Kirby davon abzuhalten, das Zepter zu seinem angestammten Platz zurückzubringen – letztendlich erfolglos, rasch steckt es wieder im Traumbrunnen. Da bebt die Erde, und eine schemenhafte Kugel purer Dunkelheit entspringt dem Brunnen, die sich nach einem einleitenden Geplänkel in einen humanoiden Unhold mit Dracula-artigem Umhang verwandelt, der mit deutlich realistischeren Gesichtszügen und Proportionen (abgesehen davon, dass sein Körper statt in Beinen in einer Art Wirbelsturm endet) völlig aus der bisherigen Gegner- und Bosshorde um comichafte Tiere und skurrile Fabelwesen herausfällt: Die physische Manifestation eines Alptraums, der sich häuslich im Traumbrunnen eingerichtet hatte und dem durch das Zurückbringen des Traumzepters durch Kirby unwillentlich ein Weg nach Dreamland gebahnt wurde! Von bedrohlich-rockiger Musik begleitet, wirbelt und teleportiert sich diese zutiefst bösartige Erscheinung über den Bildschirm und ist dabei im Gesichtsbereich wesentlich aufwendiger animiert als vom NES gewöhnt: Ein überhebliches Lächeln, während er über seinen nächsten Move vorbereitet, ein sadistisches Grinsen bei der Ausführung seiner Attacken, eine hasserfüllte Fratze, wenn er selbst einen Treffer einstecken muss. Ein zutiefst beunruhigender Geselle, selbst während er sich schließlich besiegt zu penetranten Soundeffekten und wie unter Strom stehend zuckend in der nächstlichen Dunkelheit auflöst.
Auf seine Art noch düsterer als dieses unvermittelte Finale (das den danach in der Kirby-Serie immer wieder aufgegriffenen Trend gruseliger Endbosse zum Abschluss sonst völlig harmloser Spiele begründet hat) ist dann aber noch der Epilog, dessen Texteinblendungen König Nickerchens tatsächliche Motive endgültig klären: Er wusste von der drohenden Invasion des Alptraums und entfernte das Zepter nur, um den Finsterling im Brunnen einzusperren; dies hatte zwar den bedauerlichen Nebeneffekt der Traumlosigkeit aller Dreamlander, aber bewahrte sie dafür vor einer handfesten Gefahr, die ihre Heimat verwüstet hätte! Ich weiß noch, wie geflasht mir damals „Habe ich das ganze Spiel über gegen gute Figuren gekämpft?!“ durch den Kopf ging…klar, dass Nickerchen und seine Freunde oft zu Schurkereien aufgelegt sind, wurde bereits im Vorgängerspiel Kirby’s Dream Land bewiesen, aber diesmal wollte der selbsternannte König tatsächlich nur seine „Untertanen“ schützen! Warum er dem rosa Knödel nicht von Anfang an die ganze Geschichte erzählt hat? Weil Kirby ihn tatsächlich nicht ließ! So schildert das Booklet, wie er eingangs den im Traumbrunnen badenden Möchtegern-Monarchen mitten in einem Satz (der vielleicht viel erklärt hätte) unterbricht und bald darauf verärgert verschwindet; in der erwähnten Cut-Scene vor dem Auftauchen des Alptraums zieht er gar genervt dem Vogel eins mit dem Traumzepter über, als er ihn nach dem Kampf anbettelt, es nicht zurück zum Brunnen zu bringen, anstatt sich (oder ihn) nur kurz zu fragen, warum er das tut – beides lässt den kugeligen Helden in seinem kindlichen Zorn in einem durchaus ambivalenten Licht erscheinen: Auch wenn er sich im Abspann mit Nickerchen versöhnt (zumindest bis zu seinem unweigerlich kommenden nächsten, tatsächlich fiesen Plan), hat er ihn doch das gesamte Spiel über nur auf Basis seines persönlichen Eindrucks als Bösewicht hingestellt und dies nie hinterfragt! Da Hofa woa’s, vom Zwanzgahaus…
Platz 2: The Legend of Zelda – Ocarina of Time (Nintendo 64, Nintendo, 1998)
Gerade im Vergleich zu den SNES- und Game Boy-Vorgängern mit ihren comichaft-niedlichen Monstern schaltete Ocarina of Time, das erste 3D-Zelda, kreaturenmäßig in puncto sichtlicher Gefährlichkeit bereits grundsätzlich einige Gänge hoch: Alles Viechzeugs wirkt realistischer, plastischer und unfreundlicher! Etwa jene mit aggressivem Schnauben auf Held Link zurennenden Oger-artigen Riesen in einem besonders klaustrophobisch designtem Spielabschnitt, zu dessen Beginn Sidekick-Fee Navi tiefstapelnd vor „miesen Typen“ warnt (O-Ton meines Bruders: „Das ist kein ‚mieser Typ‘! Das ist ein Monster schlimmster Sorte!“) und die ich erst Jahre später als die (sonst weit weniger heftig aussehenden) serientypischen bulldoggenartigen Moblins identifizierte. Oder man denke an die Zombies, die den kleinen Hylianer bei Blickkontakt mit einem schrillen Schrei temporär paralysieren, umklammern und zu zerquetschen versuchen und die gewaltigen Boss-Biester wie Riesenspinne Gohma. Aber trotz dieses Gruselkabinetts bleibt die OoT-Stimmung stets eher leichtherzig bis mystisch als beklemmend…bis zur Expedition in die Tiefen des ausgetrockneten Brunnens von Kakariko!
In diesem Mini-Dungeon herrscht von Beginn an dezente Alptraum-Stimmung: Düstere Sphärenklänge, Illusionen, die euch durch vermeintliche Wände und Böden fallen lassen, riesige fliegende Knochenfratzen und eine Grabkammer voller Mumien, deren Bandagen die darunter verborgenen wandelnden Leichen freigeben, wenn sie mit Feuer-Angriffen verbrannt werden; das volle Programm. Doch der schaurige Höhepunkt wird erst in der Kammer des hiesigen Endgegners erreicht: Diese scheint zunächst leer zu sein – abgesehen von den totenbleichen, langen, schlacksigen Armen, die aus dem Boden wachsen (die Grundausstattung eines jeden Zimmers, stimmt’s?). Doch kommt ihnen Link zu nah, wird er von den langen Fingern geschnappt und eine große schemenhafte Gestalt schält sich aus der Dunkelheit: „Ach so, ist ja nur ein Zauberer!“, meinte ich damals angesichts ihrer scheinbaren fußlangen, weißen Kutte erleichtert und schickte mich an, sie von Navi anvisieren und überprüfen zu lassen, um ihren Namen und Basis-Informationen über sie zu erhalten. Doch die wahre Natur dieser Kreatur zeigte sich, als sie gleichzeitig in Scan-Reichweite geriet und ihren Kopf aus der Finsternis in Links Richtung streckte, und es entfuhr mir der Ausruf „Aaah! DER GROSSE HIRNSAURIER!“
Tatsächlich hatte ich mich, schade irgendwie, verlesen: Es handelte sich laut Navi um den „großen Hirnsauger“ – ein auch nicht weniger beunruhigender, aber doch etwas weniger grotesker Name (Ich wüsste zu gerne, was ein „Hirnsaurier“ denn sein möge). Dafür stellte sich das Wesen selbst als mehr als ausreichend grotesk heraus: Was ich zuvor als Magiermantel interpretierte, war tatsächlich ein deformierter, fleischiger, von leichenblasser und ledriger Haut überzogener Körper mit spitz zulaufenden, fingerlosen Pranken, der ohne sichtbare Füße über den Boden schlurfte; der während seines Herannahens mitsamt dem flexiblen langen Hals nach hinten geklappte Kopf erwies sich als Mischung aus noch nicht ganz verwestem Totenkopf und Weißclown mit beunruhigend großem Maul…
Auch wenn der Grund des Brunnens konzeptionell eigentlich nur eine Art Vorgeschmack auf den größeren „Grusel-Dungeon“, den Schattentempel, und das Duell mit dem Hirnsauger streng genommen nur einen Minibosskampf darstellt, handelt es sich hierbei klar um die schaurigste Passage von Ocarina of Time: Der Schattentempel mit seinen weitläufigen Sälen voller Fallbeile und ähnlicher dubioser Konstruktionen, unterirdischem See samt Geisterschiff und massivem Bossmonster (dessen Aussehen und Verhalten aber bereits so übermäßig grotesk ausfällt, dass es im Gegensatz zum Hirnsauger schon wieder einen gewissen humoristischen Beigeschmack besitzt) kommt nie ganz an die beunruhigende Atmosphäre der architektonisch viel bescheideneren, klaustrophobischen Brunnen-Katakomben mit seiner „nur“ 2-3 Meter großen Bestie heran – manchmal ist weniger eben mehr!
Platz 1: Terranigma (SNES, Enix / Quintet, 1995/96)
Viele japanische Rollenspiele und Action-Adventures oszillieren munter zwischen leichtherzigen, oft humorvollen Abenteuern und richtig hartem Story-Tobak, aber Terranigma ist auch in diesem Bereich eine wahre Ausnahmeerscheinung! Zwischen spitzbübischen Streichen des jugendlichen Protagonisten Ark, viel Situationskomik zwischen ihm und seinem niedlichen, koboldhaften Sidekick Fluffy, allerlei skurrilen Charakteren und dem Feeling eines großen Abenteuers verhandelt dieses einzelne Spiel gekonnt mehr zutiefst ernsthafte Themen als ein Dutzend prätentiöser Pflichtlektüren im Deutschunterricht: Furchtbare Dinge, die im Namen des vermeintlich „Guten“ getan werden, mordende Machthaber, friedlich gelebte Religion gegenüber sektiererischem Fanatismus (Man munkelt, Nintendo of Americas damalige sehr strikte Richtlinien bezüglich religiöser Inhalte waren, wie auch im Falle des verrückten Miyamoto-Frühwerks Devil World, zu dem ihr hier ein Vintage-Review von uns aus der Prä-Generation N-Zeit findet – Stichwort „Du kannst nur Feuer spucken, wenn du ein Kreuz oder eine Bibel trägst!“ – der Grund aus dem Terranigma in Europa, aber nie in Amerika erschien), deutliche Analogien auf die Atombombenabwürfe auf Japan, Fortschritte in Wissenschaft und Lebensqualität der Menschen bei permanent schrumpfendem Lebensraum für Tiere und Pflanzen und mehr. Trotz oft bedrückender und zum Nachdenken anregender Storythemen handelt es sich bei dem Abschluss von Quintets sehr loser SNES-Adventure-Trilogie, die ansonsten Soul Blazer und Illusion of Time umfasst, per se um kein Horror-Spiel – aber in Luran wird es zeitweise zu einem!
Luran ist eine Stadt in der Wüste Gobi (ja, Terranigma spielt sich dezidiert auf unserer Erde ab), welche, wie Ark ein alter Reisender erzählt, im Krieg in Schutt und Asche gelegt und deren Bevölkerung nahezu komplett ausgelöscht wurde. Des Greises Enkeltochter, Mei-Lin, hat (im Gegensatz zu ihren Eltern) die Gräueltaten überlebt, wurde aber verständlicherweise schwer traumatisiert, was darin mündete, dass sie allein zurück in die traurige Geisterstadt aufbrach, was dem Großvater, ebenso verständlicherweise, große Sorgen bereitet: Er bittet den Helden, nach dem jungen Mädchen zu sehen und sie zur Rückkehr zu überreden. Doch als Ark einwilligt und in Luran eintrifft, fühlt er sich auf den Arm genommen: Die Häuser scheinen völlig unversehrt, die Bewohner – unter ihnen auch Mei-Lins Eltern – höchst lebendig, fröhlich und gastfreundlich, und als er Mei-Lin trifft, sieht diese keinen Grund, die heimatliche Idylle zu verlassen. Verwirrt und erschöpft legt sich unser Held schließlich im hiesigen Hotel nieder, die kommenden schaurigen Ereignisse nie und nimmer erwartend…
Als Ark mitten in der Nacht aufwacht, sein Hotelzimmer in einem völlig desolatem, schmutzigen Zustand vorfindet und ihm „Der Geruch von verfaultem Fleisch“ in die Nase steigt, geht der Horror los: Dort, wo vor dem Zubettgehen noch ein freundlicher Portier stand, schlurft ein wandelnder Leichnam mit dreckig-grüner Haut! „Lebende Leichen!“ und „Eine Leichenstadt!“ rufen Ark und Fluffy geschockt, und sie sollen recht behalten: Ein Blick vor die Haustür bestätigt (während ätherische, gleichzeitig harmonische und unharmonische, irgendwie beruhigende und zutiefst beunruhigende Hintergrundmusik zu spielen beginnt), dass die gesamte Ortschaft in diesem furchtbaren Zustand ist, und es gilt, Mei-Lin erneut zu finden und mit ihr aus dieser Hölle zu fliehen…sofern sie auch mitkommen will: Denn wie sich bald herausstellt, hat das Mädchen, das über magische Illusions-Fähigkeiten verfügt, ihre heile Scheinwelt, auf die auch Ark zuvor hereingefallen ist, selbst erschaffen und sich so selbst eingeredet, die geistlosen wandelnden Leichen ihrer Familie, Freunde und Nachbarn wären noch am Leben…
Drei Aspekte machen dieses Schreckensszenario so effektiv: Erstens das nahtlose Ineinandergreifen von Horror und Tragik – vergleichbar mit Mary Shelleys Klassiker Frankenstein, nur dass hier die Schöpferin, nicht die monströse Schöpfung die vorrangige tieftraurige Figur darstellt (und Terranigma nicht so tut, als könnte ein überbewerteter Goethe-Groschenroman menschliche Emotionen vermitteln). Zweitens der herzzerreißende Umstand, dass ihr nicht gegen gesichtslose Zombies vom Fließband kämpft, sondern durch die anfängliche Illusion glaubt, die Menschen hinter den Untoten persönlich zu kennen: Wo ihr euch zuvor etwa mit kleinen Mädchen oder alten Herren unterhalten habt, findet ihr nach dem „bösen Erwachen“ wandelnde Leichen mit deren optischen Merkmalen und Outfits. Und drittens ist die Inszenierung wunderbar doppeldeutig: Das Einschlafen in der Idylle und Aufwachen in einer Horrorwelt funktioniert einerseits als Analogie zum Alpträumen, aber andererseits auch als das Gegenteil – die Idylle ist die unechte Traumwelt, der Schrecken die grausame Realität! Und apropos Alptraum: Nach dem ersten Spielen dieses Abschnitts ging ich mit einem mulmigen Gefühl zu Bett und war mir eigentlich sicher, dass des Nachts ein Alptraum auf mich warten würde. Tatsächlich war ich am nächsten Morgen überrascht, dass dies nicht der Fall war: Genauer gesagt konnte ich mich nicht einmal daran erinnern, überhaupt etwas geträumt zu haben! Hm, ob vielleicht damals, genau in jener Nacht, ein gewisser selbsternannter König mal wieder das Traumzepter geklaut hat…?
Vielen Dank fürs Lesen und hoffentlich bis zum nächsten Mal sagen Kolumnen-Katz und Old!
Kirby’s Adventure und Ocarina of Time sind beide in Originalversionen für diverse Nintendo-Konsolen als digitale Downloads und im Rahmen von Klassiker-Sammlungen erschienen (Ersteres ist auch auf dem in Episode 2 erwähnten Mini-NES vorinstalliert) und wurden jeweils einmal remaked (Nightmare in Dream Land für Game Boy Advance und Ocarina of Time 3D für 3DS). Terranigma müsst ihr dagegen zwingend antiquarisch als SNES-Modul suchen.
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Herausgeber des "Generation N"-Printmagazins und generation-n.at-Videoredakteur, Germanist, Informatiker, Videospielfreak seit Kindergartentagen, auch Kino, Comics und dem Basteln von seltsamen Kurzfilmen nicht abgeneigt sowie stolzer Absolvent eines Wochenend-Intensivkurses der Clownerie.