Quarantäne and chill – Die Lieblingsserien der Redaktion

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In Zeiten, in denen Freizeit kein endliches Gut mehr ist, sollten wir uns doch ein Hobby anschaffen, das man dann im Lebenslauf unter „weitere Kompetenzen“ angeben kann. Aber mal ehrlich, eigentlich wollen wir doch alle nur das Eine: Uns in Krakenposition auf der Couch ausbreiten und höchstens durch exzessives Komaglotzen ins Schwitzen kommen. Damit ihr auch ja nicht davon abgelenkt werdet, gibt es hier die besten Binge Watching Tipps der Redaktion.

Winona Bach aus der Kulturredaktion empfiehlt: Braunschlag (Österreich, 2011)

Alle Österreicher*innen können gleich weiterscrollen, denn Braunschlag ist hierzulande wirklich kein Geheimtipp. Für alle anderen sei erklärt: Was auf den ersten Blick anmuten mag wie die nächste humorlose Dorfkrimilandarztgeschichte in der deutschsprachigen Fernsehlandschaft, ist eine geniale Story von Regisseur David Schalko. Gerry Tschach, Bürgermeister der fiktiven Gemeinde Braunschlag im Waldviertel, braucht ein Wunder, denn er hat das Dorf ziemlich heruntergewirtschaftet. Gemeinsam mit seinem besten Freund Richard Pfeisinger simuliert er eine Marienerscheinung im örtlichen Wald, wodurch Braunschlag zur Pilgerstätte wird. Dass das nicht lange gut geht, kann man sich denken. Auch sonst haben die Dorfbewohner alle ziemlich einen an der Waffel: Gerry sitzen „St. Pölten“ und der Vatikan im Nacken, der Vater von Richards Frau Elfie (Nina Proll) will den größten Meerschweinchenpark der Welt eröffnen, nachdem er von ihnen „geheilt“ wurde und Gerrys Frau Herta (Maria Hofstätter) tröstet sich über die kaputte Ehe als Häschen in einem Kuschelclub hinweg. 

Österreich hat seine Stars für die Serie herausgeholt: Gerry wird gespielt von Robert Palfrader (bekannt aus Wir sind Kaiser) und Manuel Rubey, der als Falco (Verdammt, wir leben noch!) berühmt wurde, mischt sich als Gesandter der Kirche dazu. Star der Serie ist aber wohl Publikumsliebling Nicholas Ofczarek als verschrobener Diskothekenbesitzer Richard.

Pro-Tipp: Untertitel einschalten, sonst entgeht einem in Deutschland schonmal die Pointe (Ich habe 20 min ohne durchgehalten, wer schafft mehr?). 

Braunschlag ist auf Netflix verfügbar. 

© Mediasteak

Und: Modern Family (USA,2009)

Bereits seit einem Jahrzehnt ist Modern Family – geschrieben von Christopher Lloyd und Steven Levitan – DER Klassiker unter den US-amerikanischen Sitcoms. Die Familie um Jay Pritchett, Claire Dunphy und Mitchell Pritchett hat bereits einige verkaterte Sonntage gerettet und sorgt auch heute noch für unvergessliche Zitate im Netz. Leider hat der Sender ABC angekündigt, dass Modern Family mit der diesjährigen elften Staffel ein Ende nehmen wird, auf Netflix gibt es aber aktuell erst neun zu sehen. Die Suchtgefahr ist enorm, damit gehört die Serie zum Genre „Ach, eine Folge geht noch – ups, wie fünf Staffeln vorbei?“. Sie bietet sich also perfekt zur Quarantäneüberbrückung nach einem anstrengenden Home-Office-Tag an!

Viktoria Edler aus der Gesellschaftsredaktion empfiehlt: Caliphate (Schweden, 2020)

Quarantäne ist auch Fortbildungszeit! Wenn Dokumentationen und Sachfilme zu wenig Spannung versprechen, dann ist es Zeit, in die erste Staffel der Thriller-Serie Caliphate von Wilhelm Behrman und Niklas Rockström einzutauchen. Über die zwei Schauplätze Schweden und Syrien wird das Vorgehen des Islamischen Staats aufgezeigt. Der Alltag von Pervin, die mit Mann Hasum und Kind in der IS-Hochburg Ar-Raqqa lebt, wird dem der schwedischen Sicherheitspolizei-Beamtin Fatima gegenübergestellt, die ihr, gegen Austausch von Informationen zum nächsten Terroranschlag, zur Flucht verhelfen soll. Parallel dazu werden die Schülerinnen Kerima und Suleima von ihrem Vertrauenslehrer Ibbe schrittweise radikalisiert. Die Situation spitzt sich mit jeder Folge zu, hier sind starke Nerven gefragt!

Caliphate ist auf Netflix verfügbar.

(c) Johan Paulin, FILMLANCE INTERNATIONAL AB

Ulrike Schild aus der Kulturredaktion empfiehlt: Chernobyl (USA/GB, 2019)

Chernobyl ist keine Serie zum Abschalten und berieseln lassen. Drehbuchautor Craig Mazin hat zweieinhalb Jahre recherchiert, wissenschaftliche Aufsätze, Regierungsberichte und Bücher von früheren sowjetischen Wissenschaftler*innen gelesen, um die Reaktorkatastrophe so zu erzählen, als wäre man selbst dabei gewesen. Jede Folge ist beängstigend realistisch gespielt und wissenschaftlich erklärt, trotzdem will man nicht glauben, dass das alles so geschehen sein kann. In Chernobyl geht es um „den Preis der Lüge“ in einer Welt, in der es keine Wahrheit gibt. Eine unsichtbare Bedrohung wie Covid-19?
„
Where I once would fear the cost of truth, now I only ask: what is the cost of lies?“

Chernobyl ist auf Sky, Maxdome und Prime Video verfügbar.

Clara Wutti aus der Politikredaktion empfiehlt: The West Wing (USA, 1999)

Nicht umsonst hat The West Wing 26 Emmys und zwei Golden Globes gewonnen: Das Polit-Drama über den fiktiven demokratischen US-Präsidenten Josiah Bartlet und seinen Beraterstab überzeugt nicht nur durch einen realitätsnahen Einblick in den Alltag im Weißen Haus, geprägt von Pressekonferenzen, Wahlkämpfen, Friedensverhandlungen und Terrordrohungen. Was The West Wing von allen anderen Serien dieser Art unterscheidet, sind die unglaublich schnellen, intelligenten und schlagfertigen Dialoge zwischen Charakteren, die einem innerhalb von wenigen Folgen ans Herz wachsen. The West Wing bietet einen Ausweg für all jene, die sich in der Ära Trump desillusioniert fühlen und in eine alternative politische Realität eintauchen wollen, in der die Machthabenden selbstlos und mit moralischer Integrität agieren.

The West Wing ist bei Maxdome, Amazon Video und im iTunes Store verfügbar.

Kerstin Scherz aus der Politikredaktion empfiehlt: Bojack Horseman (USA, 2014)

Wer beim Anschauen der ersten paar Folgen von Bojack Horseman denkt, es würde ihn gleich eine lockere, „leichte“ Animationsserie erwarten, wird schnell eines Besseren belehrt. Einst ein gefeierter, junger Star der Sitcom ‚Horsing Around‘ versucht der Protagonist Bojack, Jahre nachdem seine Show abgesetzt wurde, an seinen damaligen Erfolg als Schauspieler anzuknüpfen und plant sein großes Comeback. Was erstmal nach einer einfachen Storyline klingt, sind Folgen voller genialer Dialoge, viel schwarzem Humor, versteckter Background-Witze und vor allem: unzähligen Momenten, welche die Zuschauer emotional extrem mitnehmen. Solche Momente sind besonders den Hauptcharakteren von Bojack Horseman zu verdanken, denn diese sind das eindeutige Herz der Serie. Gefühlt gibt es kein soziales bzw. gesellschaftskritisches Thema, welches in den insgesamt 6 Staffeln nicht aufgegriffen wird: Von Depression über Drogen- und Alkoholabhängigkeit bis zu Sexismus, Versagensängsten und Einsamkeit ist alles dabei. Als Genre bewegt sich das geniale Storytelling von Serienerfinder Raphael Bob-Waksberg irgendwo zwischen Drama, Comedy und Satire – und ergibt die mit Abstand beste Eigenproduktion von Netflix.

Lea Moser aus der Politikredaktion empfiehlt: Der Tatortreiniger (Deutschland, 2011-2018)

Jede Folge ist ein Kammerspiel. Tatortreiniger Schotty trifft auf Angehörige oder Bekannte der Toten, dabei entwickeln sich teils wirklichkeitsnahe, teils völlig surreale Gespräche und Situationen. Die großartig geschriebenen, theaterhaften Dialoge werden von Regisseur Arne Feldhusen, der auch bei Stromberg Regie führte, und Schauspieler Bjarne Mädel leise und unaufgeregt auf die Fernsehbildschirme gebracht. Der Tatortreiniger ist eine hochintelligente und tiefberührende Serie, die so gar nichts mit dem typischen, deutschen Flachwitz-Seifenoper-Fernsehen zu tun hat. Und wenn man mit allen Folgen durch ist, kann man eigentlich gleich noch mal von vorne beginnen, denn es gibt überall Details, Querverweise und durchdachte Witze zu entdecken, die einem beim ersten Mal nicht aufgefallen sind.

Der Tatortreiniger ist auf Netflix verfügbar. 

Der Tatortreiniger
(c) NDR

Max Bell aus der Gesellschaftsredaktion empfiehlt: Ragnarök (Dänemark, 2020)

Die dänisch-norwegische Serie beantwortet die Frage: Was, wenn der nordische Donnergott Thor ein introvertierter Extinction Rebellion Aktivist wäre? Durch die brutale aber nicht minder schöne Bildsprache fügen sich nordische Mythologie und Umwelt-Aktualität perfekt ineinander und ergeben ein mitreißendes Ganzes. Dank sparsam eingesetztem CGI und oft gut versteckten Referenzen auf die Sagenwelt wirken die sechs Episoden aber trotz der starken Motivik nie überladen. Empfehlung: Unbedingt auf Norwegisch mit Untertiteln schauen, der Sprachklang macht zu einem großen Teil die Stimmung der Serie aus und wer von nordischem Flair gar nicht genug kriegen kann, dem sei die nächste Serie in unserer Liste empfohlen.

Ragnarök ist auf Netflix verfügbar.

(c) Netflix

Anna Otto aus der Musikredaktion empfiehlt: Vikings (Canada/Irland, 2013)

Von Asgard nach Midgard, von der Welt der Götter zu der Welt der Menschen: Die seit 2013 ausgestrahlte kanadisch-irische Produktion Vikings beruht lose auf Erzählungen des legendären Wikingerkönigs Ragnar Lodbrok. Man begleitet ihn und seine Familie über die Staffeln hinweg; Angriffe im heutigen England und das Zusammenstoßen der nordischen Götter mit dem Christengott spielen dabei eine zentrale Rolle. Musikalisch wird die Serie von dem norwegischen Dark Folk Act Wardruna begleitet. Einar Selvik selbst tritt einige Male als Sänger auf.

Beim Bingen sollte man im Hinterkopf behalten, dass Vikings eine historisch fiktionale Serie ist. Die Nordmänner der damaligen Zeit hatten keine schriftlichen Überlieferungen (die Edda wurde 300-400 Jahre später aufgeschrieben) und ein Großteil dessen was wir wissen, ist von Außenstehenden niedergeschrieben worden. Dennoch sind die Szenarien so gut es geht dargestellt und neben ein paar ungereimten Kleinigkeiten (Langboote gab es schon lange bevor man England angegriffen hatte, ebenso wusste man genau, dass es im Westen Inseln gibt), spiegelt die Serie über das alltägliche Leben der Charaktere sehr gut die damalige Wirklichkeit wider. Wer nordische Mythologie, epische Schlachten und große Geschichten zu schätzen weiß, ist hier genau richtig.

Vikings ist auf Netflix verfügbar. 

Vikings
(c) 20th Century Fox

Opern-Rezensentin Venivididici empfielt: Plan coeur (Frankreich, 2018)

Da meine Reise nach Frankreich ins Wasser fällt, fliehe ich mit Plan Coeur in meine Lieblingsstadt Paris. Elsas verrückte Freundinnen Charlotte und Émilie wollen mit der Anstellung eines Prostituierten dafür sorgen, dass diese ihren Exfreund endlich überwindet. Doch nichts kommt wie erwartet…

Da mein privates Leben, abgesehen von einigen Tinder-Matches, gerade ein relativ tristes Dasein fristet, kompensiere ich den tiefen Serotonin-Spiegel mit Elsas Gefühls-Achterbahn. Wer außerdem sein rostiges Französisch wieder aufpolieren will, wird mit dem Pariser Jargon eine wunderbare Aktivierung grauer Hirnzellen erleben.

Die drei verrückten Nudeln geben mir mit Waxing in der Wohnküche, schwangerschaftsbedingten Blähungs-Problemen und Pipi im Waschbecken das, was ich in dieser Zeit besonders brauche: Action, Coolness und eine „joie de vivre“!

Plan Coeur ist auf Netflix verfügbar.

©Netflix

Leon Hoffmann-Ostenhof aus der Politikredaktion empfiehlt: The Eric Andre Show (USA, 2012)

Die neodadaistische Mock-Talkshow, die hinter Rick and Morty wohl das bekannteste Exportstück des US-amerikanischen Comedysenders Adult Swim ist, könnte für das moderne Kabarett das sein, was Jazz einmal für die Musikwelt war. Nichtsahnende Gäste wie Tyler, the Creator und Jack Black werden mit Blut, Lärm und Obszönitäten aus ihren Stagepersona in die Menschlichkeit zurückgedrängt. Dawson Creek-Star James Van der Beek beschrieb seinen Gastauftritt als Fiebertraum. Gemeinsam mit Co-Host Hannibal Buress, der die leise Stimme der Vernunft in der grotesken Inszenierung darstellt, treibt Protagonist Eric André die Zuschauer an die Grenzen des möglich Geglaubten. Gerade in dieser Zeit des Stillstands durch Selbstisolation ist dieses überlaufende Fass einer Talkshow eine erfrischende Realitätsflucht.

The Eric Andre Show ist auf adultswim.com verfügbar. 

Alessia Nebauer aus der Kulturredaktion empfiehlt: La Casa de Papel/Haus des Geldes (Spanien, 2017):

Wenn einem wieder einmal die Decke auf den Kopf zu fallen droht, in (selbstgewählter) Quarantäne oder auch so, kann mit La Casa de Papel Abhilfe geschaffen werden. Denn mit dieser spanischen Produktion kommt sicherlich keine Langeweile auf. Die temporeiche Story von Álex Pina rund um eine Gruppe Ganoven und ihrem Anführer, der von allen nur „Der Professor“ genannt wird, die einen spektakulären Raubüberfall planen, ist die erfolgreichste nicht-englischsprachige Serie auf Netflix. Nicht ohne Grund, diese Serie lässt dem Zuschauer nicht viel Zeit zum Durchatmen. Was gemäßigt beginnt, gewinnt schnell an Fahrt. Neben pfiffigen Dialogen, einer wendungsreichen Storyline und vielschichtigen Charakteren versteckt sich hinter der spannenden Geschichte auch immer wieder viel gesellschaftliche Kritik. So lässt sich die momentane alltägliche Isolation leicht überbrücken.

Und das Beste: Erst am dritten April erschien die vierte Staffel der Serie, also hat man genug Material, um sich damit die nächsten Wochen einzudecken. 

La Casa de Papel
© Netflix

Patrick Walter aus der Musikredaktion empfiehlt: The End Of The F***ing World (UK, 2017)

Der selbst diagnostizierte Psychopath James, dessen Ziel es schon seit längerem ist, einen Menschen zu ermorden, lernt die rebellische und sehr direkte Alyssa kennen, die mit ihm abhauen möchte. Darin sieht er seine Chance, sein Ziel endlich umzusetzen, nicht wissend, was ihn mit Alyssa als Gefährtin so erwarten wird.

Bereits der Trailer macht ziemlich deutlich: Hierbei handelt es sich nicht um eine generische Comedy-Serie mit den immer gleichen Witzen. Damit einher geht auch, dass der Humor der Serie wahrscheinlich nicht für alle verträglich ist. Oft ertappt man sich dabei, aus Schock über die Situation, die einem die Serie gerade präsentiert, zu lachen, nicht wissend, wie man sonst damit umgehen soll. Das ist eine interessante und erfrischende Art von Humor und birgt für die, die sich darauf einlassen wollen und können, ein wahnsinniges Suchtpotential. Man möchte einfach wissen, wie es mit den beiden wirklich schrägen, aber gleichzeitig extrem glaubwürdigen Charakteren weitergeht. Das liegt bestimmt nicht zuletzt an der schauspielerischen Leistung der beiden Hauptdarstellenden Alex Lawther und Jessica Barden, sowie der großartigen Erzählweise und Charakterentwicklung der Serie.

Aber Achtung! Das Vergnügen hält leider nicht allzu lange. Mit nur 8 Folgen pro Staffel mit je ca. 20 Minuten und einer zweiten Staffel, die nicht ganz das erzählerische Niveau der ersten erreicht und den vorläufigen Abschluss der Serie bildet, wird man bald mit großem Durst nach mehr solcher genialer Serien zurückgelassen.

The End of the F***ing World ist auf Netflix verfügbar.


Weitere Informationen

Titelbild © Lin

Aus dem Ruhrgebiet. Studentin der Komparatistik und der Kommunikationswissenschaften.

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