Rapper*innen sind feige

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In dieser Kolumne betrachtet unser Kolumnist Marten McFly die große bunte Welt des Deutschrap. Er will euch überraschende Einblicke, versteckte Perlen und durchdachte Kritik nahebringen. Diesen Monat fordert Marten eine höhere Experimentierfreudigkeit und Offenheit von den Künstler*innen.

Keine Experimente

Rapper*innen sind feige. Feige, feige, feige – und dazu haben sie noch einen übertrieben großen Kontrollzwang. Gerade die Musikrichtung, in der man am häufigsten davon hört, dass man sein eigenes Ding durchzieht und einen sogenannten „Fick“ auf alles gibt, ist erschreckend zurückhaltend, wenn es um Experimente geht. Künstler*innen scheinen ihren klar abgesteckten Plan zu haben, auf welchem musikalischen Weg sie erfolgreich werden wollen. Sie halten daran fest, selbst wenn sie keinen Erfolg haben. Höchstens wird einmal zu einer anderen erfolgsversprechenden Variante des Deutschrap gewechselt. Selbst die Bands, die mit einer eher experimentellen Form erfolgreich werden, bleiben ihre gesamte Karriere lang dieser Variante verpflichtet. Wirkliche Experimentierfreudigkeit sieht anders aus.

Wie Kinder, die nicht teilen können

Man könnte das Ganze verstehen, wenn die Rapper*innen mit der Kunst ihre Miete bezahlen würden. Aber selbst die Künstler*innen, die kein oder kaum Geld mit der Musik machen, klammern sich an ihre selbst aufgestellten Leitplanken. Diese Angst findet man auch im Umgang mit ihren Stimmspuren. In den 90er-Jahren war es noch absolut üblich, auf die Maxis neben der Single auch das Instrumental und das Acapella zu pressen. So entwickelte sich eine spannende Remixkultur. Neben viel Stumpfsinn entstanden dabei auch richtige Perlen. Dieser offene Umgang mit den eigenen Schätzen ist längt Geschichte. Außer bei Remix-Contesten ist es fast unmöglich, an frische Acapellas zu kommen. Der Grund dafür ist Angst. Die Angst, dass Versionen mit der eigenen Stimme veröffentlicht werden, hinter denen man nicht steht.

Mehr Chance als Risiko

Aber das Risiko ist kleiner, als man denkt. Ich stelle seit Jahr und Tag die Acapellas meiner Tracks zum freien Download ins Internet. Natürlich passiert es, dass handwerklich minderwertige Versionen plötzlich im Internet stehen. Aber was soll’s? Kein Wesen im Universum fühlte sich durch die stümperhaften Versionen belästigt. Was auf der zweiten Seite von Google, Youtube oder Spotify steht, existiert doch quasi nicht. Die schlechten Versionen wird fast nie jemand hören, dafür sorgen die Algorithmen von ganz alleine. Und wenn doch mal ein Remix das Ohr einer größeren Hörer*innenschaft findet, dann liegt es daran, dass er gut ist!

Der Mut wird sich lohnen

An der mangelnden Experimentierfreudigkeit und der Strenge mit den eigenen Acapellas kann man es deutlich sehen: Unter den Rapper*innen herrscht ein unglaublicher Kleingeist. Niemanden scheint das zu stören. Fast am bedrückendsten ist für mich, dass auch der Deutschrap-Journalismus so gut wie nie den Finger in die Wunde legt. Erfolgreiche Rapper*innen haben mittlerweile eine größere Reichweite als die im HipHop relevanten Online-Magazine. Journalist*innen sind scheinbar gezwungen, sich zu Erfüllungsgehilf*innen der Promophasen zu machen und feiern bereits minimale musikalische Variationen als angebliche Revolutionen. Das ist schade und nicht sehr weitsichtig. Die materiellen Zwänge der Journalist*innen sind nachvollziehbar, aber auch ihnen würde es nicht schaden, das Publikum an Innovationen teilhaben zu lassen. Wahrscheinlich würde dieser Weg langfristig auch zu einer größeren Reichweite führen. Ich würde mir einfach wünschen, dass Rapper*innen im Deutschrap mehr von dieser Freiheit leben würden, die sie immer vor sich hertragen. Es gibt kaum etwas zu verlieren. Ja, negative Kommentare tun weh, aber nicht genutzte Chancen sollten stärker schmerzen!

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