Johann Schlederer und Martin Balluch diskutieren mit Gerlinde Pölsler und Eva Konzett (Falter) im Falter Radio über die Zustände in der Schweineindustrie in Österreich und Deutschland. Wer beim Zuhören keine Wut entwickelt, sollte die nächste Quarantäne am Vollspaltenboden verbringen. Solange der Geschäftsführer der Österreichischen Schweinebörse, Nutztierhaltung als einen „Kompromiss“ ansieht, der es erlaubt, Tiere nicht artgerecht zu halten, muss weiter informiert und diskutiert werden.
Geschäftsführer der Schweinebörse (VLV), Vorstand der österreichischen Schweinebauern und Gründer der Marke Gustino Strohschwein Johann Schlederer gibt zu, dass österreichische Schweinehaltung nicht artgerecht ist, die VLV-Website prahlt weiterhin mit dem Slogan „artgerechte Schweinezucht made by VLV“. Martin Balluch, der Obmann des Vereins gegen Tierfabriken (VGT), kämpft seit vielen Jahren für mehr Tierrechte, insbesondere für die sogenannten Nutztiere. Er spricht im Falter die Heuchelei an, mit der die Schweineindustrie versucht Konsument*innen zu täuschen, indem ihnen kontinuierlich falsche Bilder vorgesetzt werden. Zynismus ist in einem System, das den Lebensraum intelligenter, sozialer Tiere auf eine Zucht- und Zerkleinerungsmaschinerie beschränkt, nicht angebracht. Über 90 Prozent österreichischer Schweine, deren natürlicher Lebensraum eigentlich Wiesen und Wälder sind, werden auf Betonplatten mit Spalten, durch die Kot und Urin in die Güllegrube rinnen, ohne Einstreu und ohne Auslauf gehalten. Das spart Platz und ein tägliches Ausmisten.
Hygienestandards und Tierhaltung sind in Deutschland, wie auch in Österreich, über Mindeststandards geregelt. Und genau an diesem genormten Minimum orientiert man sich. Ein 100 Kilogramm schweres Mastschwein hat somit einen Platz von 0,7 Quadratmetern zur Verfügung. Zum Vergleich: Eine Standard-Badewanne hat eine Fläche von 1,19 Quadratmetern. Keinen Auslauf und kein Stroh zu haben, sei laut Schlederer tatsächlich nicht artgerecht, aber eben ein „Kompromiss“ der akzeptiert wird, damit Mensch billiges Fleisch essen kann. Obwohl der Konsum von Schweinefleisch in Österreich kontinuierlich sinkt, wird nicht weniger produziert und importiert. Ein Wille wäre da, 96 Prozent der österreichischen Bevölkerung möchten, dass Schweine wenigstens Stroh zum Liegen haben. Laut Schlederer würde ein solcher Umstieg eine Preiserhöhung um zehn bis 20 Prozent ausmachen, was sich jede*r Österreicher*in leisten kann. „Das Schnitzel kostet dann nicht 6,50 Euro, sondern vielleicht sieben Euro pro Kilogramm.“
Die Reduktion des eigenen Fleischkonsums reicht also nicht aus, um eine nachhaltige Veränderung zu bewirken. Dafür braucht es eine gesetzliche Änderung, die wiederum nur passieren kann, wenn die Bevölkerung korrekt informiert wird. Vom deutschen Agrarministerium wird mit einem konkreten Maßnahmen- und Finanzierungsplan die Abschaffung des Vollspaltenbodens gefordert. Zur Finanzierung schlägt die Kommission eine „Tierwohlabgabe“ auf tierische Produkte vor, die aber mit Blick auf Haushalte mit geringeren Einkommen sozialpolitisch flankiert werden sollte. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sagt, dass faire Preise und Förderungen Landwirten Stallumbauten ermöglichen. „Wenn aber Fleischindustrie und Handel immer stärker auf den Preis drücken, dann schaffen das die Tierhalter nicht.“ Deshalb gelte es, den Landwirten zu helfen, damit diese die Kosten für Stallumbauten stemmen könnten. Wie auch das Verbot, Legehennen in Käfigen zu halten, in Österreich eingeführt wurde, muss das gleiche auch in der Masttierhaltung passieren. Und ja, Import von Käfigeiern existiert immer noch, aber zu einem viel geringeren Teil. Gerade verarbeitete Produkte und Großküchen, die sich gegen Käfighaltung entschieden haben, machen einen großen Unterscheid. Der Obmann des Vereins gegen Tierfabriken (VGT). Martin Balluch, fordert seit 28 Jahren die Abschaffung des Vollspaltenbodens. „Aber gegen die doppelseitigen Werbeeinschaltungen von AMA und Co kommen wir nicht an. Wir stehen hilflos auf der Straße und verteilen unsere Flugblätter.“
Wenn aber Fleischindustrie und Handel immer stärker auf den Preis drücken, dann schaffen das die Tierhalter nicht.
Über Normen und Vorschriften
Nur Bio-Fleisch zu kaufen und blind auf das AMA-Gütesiegel zu vertrauen, ist leider kein Garant für ein sorgloses Schnitzel. Die Arbeiterkammer Oberösterreich und VIER PFOTEN haben die gesetzlichen Mindestanforderungen der Schweinemast mit den Bedingungen der sechs wichtigsten und unabhängigen Gütesiegel für Schweinefleisch verglichen. Das Ergebnis zeigt, dass Tierwohl in Österreich beim Schwein keine große Rolle spielt. Selbst das wohl bekannteste AMA-Gütesiegel geht über die gesetzlichen Mindestanforderungen kaum hinaus. Das bedeutet, es werden nur nationale oder europäische Mindeststandards erfüllt. Nach diesen gesetzlichen Vorgaben sind betäubungslose Ferkelkastration und Vollspaltenböden erlaubt, es gibt keine verpflichtende Einstreu, die Tiere haben kaum Platz und die Schwänze der Schweine werden routinemäßig abgeschnitten, um ein stressbedingtes Abbeißen zu verhindern.
Im Falter-Gespräch fehlen Schlederer die nötigen Argumente, er lobt „sauber geregelte“ Vorschriften und Normen, die in Wirklicheit zu entzündeten Schwellungen an den Füßen und blutigen, geschundenen Körpern führen. Er bringt es nicht über die Lippen, dass Spaltenböden Tierquälerei sind und das, obwohl es zahlreiche Studien darüber gibt, die er in seiner Position eigentlich gelesen haben müsste. Er redet sich den Mund fusselig, wenn er sagt, die Lebensbedingungen der Schweine im Zulieferbetrieb von Berger Schinken, seien eine absolute Ausnahme. Tatsächlich stammen 98 Prozent des österreichischen Schweinefleisches aus konventioneller Tierhaltung mit Vollspaltenböden, die genau solche Verletzungen bei Tieren hervorrufen und sogar mit dem AMA-Gütesiegel ausgezeichnet werden. Es sind die Mindeststandards, an deren Bestimmung Schlederer beteiligt ist und festhält, die dieses Grauen zementieren und durch niedrige Preise legitimieren. Anstatt Verantwortung zu übernehmen, schiebt er sie den Konsument*innen zu, die sich natürlich für das günstigere Fleisch entscheiden, wenn das Angebot vorhanden ist. Vor allem in Großindustrie und Restaurants ist es in den meisten Fällen undurchsichtig, woher das Fleisch am Teller stammt, weil es eben nicht deklariert werden muss.
Es liegt an uns allen
Eine an COVID-19 erkrankte Person reicht schon aus, um einen ganzen Schlachtbetrieb lahmzulegen. Millionen von verschwendeten Tierleben veranschaulichen die Schwächen des Systems, das entwickelt wurde, um unseren weltweiten Bedarf an tierischem Eiweiß zu decken. Die verheerenden Folgen des Zusammenbruchs – insbesondere für Arbeiter*innen, Landwirtschaftliche Betriebe und Tiere – könnten die Motivation sein, die wir für eine Neubewertung und einen Wiederaufbau benötigen. Die COVID-19-Pandemie ist eine gute Gelegenheit, unser Proteinproduktionssystem zurückzusetzen und neu zu überlegen, wie man die Welt ernähren könnte. Es geht nicht um Machbarkeit, sondern um politischen und sozialen Willen. Jetzt ist es an der Zeit, dass die politischen Entscheidungsträger aufhören, die Fleischindustrie zu retten und gewohnte Geschäfte zu machen. Es müssen Entscheidungen getroffen werden, die zur Schaffung eines sicheren Lebensmittelsystems führen. Unternehmen müssen ihre Lieferketten überarbeiten, um den Tierschutz zu verbessern und gleichzeitig den Marktanteil pflanzlicher Produkte erhöhen. Verbraucher sollten Alternativen zu tierischen Produkten bevorzugen, die genauso lecker, aber weitaus nachhaltiger sind. Es liegt an uns allen.
Zu extrem, zu teuer, zu langweilig…
Während mittlerweile bekannt ist, dass sogar Spitzensportler*innen aus gesundheitlichen Gründen auf vegane Ernährung setzten, muss man sich immer noch erklären lasse, tierarme Ernährung sei zu extrem, zu teuer, zu proteinarm, zu langweilig, zu restriktiv. Es ist einfach falsch zu behaupten, vegane Ernährung würde Depressionen begünstigen (meist beziehen sich Hater hier auf Vit.-B12 Mangel, den auch Allesesser haben, bedingt durch (Trommelwirbel) Massentierhaltung), oder Fleischersatzprodukte aus Soja würden die Umwelt zerstören. Unten sind einige Studien angeführt, die all diese Schnellschussargumente entkräften, also Finger weg vom Abzug und Bilanz ziehen. Auf Fleisch- und Milcherzeugnisse zu verzichten, ist nicht mehr nur eine Option, sondern ein notwendiger Schritt in der Menschheitsgeschichte. Wenn dieser Schritt geschafft ist, können wir gerne über Avocados, Koks und Mandelmilch sprechen.
PS: Es ist nie zu spät für eine 22 days vegan challenge.
Jetzt die Petition gegen Vollspaltenböden unterschreiben!
Quellen und weiterführende Links:
Gespräch im Falter Radio
Statisik Austria
Arbeiterkammer OÖ
Tiertransporter auf der S1 gestoppt
Infos zu Vollspaltenböden
VIDEO: „AMA-Gütesiegel“ für Berger Schinken
„AMA-Gütesiegel“ für Lichtenwörth
10 Fakten über Schweine, die du nicht wusstest
Studie zu veganer Ernährung
Vitamin B12
Stv. Chefredaktion / Gesellschaft