Skateboarding ist jetzt olympisch. Die Szene verändert sich. Überall entstehen neue Skateparks. Frauen treffen endlich zunehmend auf Solidarität in einer sehr männlich dominierten Sportart. Doch ist die Aufnahme in die Olympischen Spiele förderlich für den Sport und seine Kultur?
Skateboarding ist für die meisten nicht nur ein athletischer Sport oder ein Hobby, sondern ein Lifestyle. Es geht nicht nur darum, perfekt ausgeführte Tricks auf einem Brett mit Rollen die meisten Stufen runter zu performen. Vielmehr geht es um Kreativität, darum die urbane Umgebung von ihrem eigentlichen Zweck zu entfremden, um dem eigenen Stil Ausdruck zu verleihen. Es ist eine Form der angewandten Kunst. Rampen, Treppen und Geländer werden zur Leinwand und das Furnierlaminat zum Pinsel.
Skate and Destroy
Leider findet das „Street-Skaten“ von außenstehenden Personen nur sehr wenig Zuspruch. Für viele sind Skater*innen nur Vandalen, die keinen Respekt vor persönlichem Eigentum haben, die mit ihren Boards Plazas, Gebäude und Parks zerstören und dabei Passant*innen gefährden. Deswegen werden Securitys aufgestellt und Skater*innen in Skateparks verbannt. Auf diesem Mist wächst eine Gegenkultur. Alles was nicht aus der Szene kommt, wird nicht akzeptiert. Skater*innen gründen ihre eigenen Firmen und vertreiben ihre Produkte nur in dezidierten Skate-Shops, die von ihnen selbst geführt werden.
World Industries
Die Firmen nehmen junge, talentierte Sportler*innen als Pro-Skater*innen unter Vertrag und nutzen sie in Filmen und Fotos, die in Skate-Magazinen erscheinen, als Werbefläche für ihre Produkte. Das Geld kommt ihnen, den Skateparks sowie der Entwicklung von Equipment zugute. Damit wird jedes Board und sogar jedes Stück Kleidung, das man kauft, zu einem Outing darüber, welche Profis man unterstützen möchte. Gleichzeitg ist es aber auch ein Umhängeschild, an dem abgelesen wird, wie viel bzw. ob jemand Ahnung von dem Sport und seiner Kultur hat.
Für neue, nicht-amerikanische Firmen wird das zum Problem. Ohne namhafte Teammitglieder, bekannte Filme oder regelmäßige Erscheinungen in den bekannten Zeitschriften, ist es schwer sich in dieser Szene als authentisch zu profilieren. Betrachtet man die Markenliste der Olympischen Spiele wird man feststellen, dass die meisten davon ihren Sitz in den USA haben und viele davon Sportler*innen aus anderen Nationen unterstützen.
Diese introvertierte Art dieser Industrie hält die Lohnchecks der Profis gering und den Handlungsrahmen der Firmen klein. Oft sind sie nicht in der Lage, ihre Pros angemessen zu unterstützen. Schwere Verletzungen und größere Reisen zu Filmdrehs, Contests und anderen Events sind oft finanzielle Barrieren für die Hersteller und Sportler*innen.
Skateboarding in Olympia
Die Olympischen Spiele präsentieren Skateboarding für Männer und Frauen in jeweils zwei Disziplinen: Street und Park. Hier haben die Skater*innen zweimal je eine Minute Zeit um auf dem Kurs Tricks zu zeigen, die von Juror*innen dann nach Höhe, Geschwindigkeit, Originalität, Durchführung, Komposition, Schwierigkeitsgrad und Style bewertet werden. Bei einem Sport, der so individualistisch ist, ist eine objektive Beurteilung quasi ausgeschlossen und die Teilnehmer*innen sind indirekt dazu gezwungen, Tricks zu versuchen, die gerade als angesagt gelten.
Die Unterscheidung zwischen Street und Park ist auch etwas willkürlich. Beide Disziplinen werden in extra angefertigten Anlagen bestritten. In der Street-Anlage findet man markellose Treppen und Geländer, wie man sie in einem natürlichen Umfeld niemals finden würde. Die Park-Anlage besteht großteils aus Pools. Diese sind von alten amerikanischen Swimmingpools inspiriert, die trockengelegt werden, um darin zu skaten. Im Grunde kommt diese Disziplin also auch von der Straße. Solche Formen von Contests gibt es zwar schon seit der Entstehung des Sports, werden aber von den meisten als Nebenevents angesehen, mit denen man sich ein bisschen was dazuverdienen oder die Aufmerksamkeit von möglichen neuen Sponsoren auf sich ziehen kann. Olympia zeigt also im Grunde keine optimal repräsentative Seite des Sports.
Opinion
Die Geister scheiden sich, wenn es um die Olympischen Spiele geht. Die einen sehen es als große Chance um Skaten auf einer Mainstream-Plattform vorzustellen und Respekt und Wertschätzung zu verschaffen. Tokio 2020 kann außerdem dazu beitragen die Industrie aus den USA in die ganze Welt zu verteilen und finanziellen Spielraum generieren, mit dem die Athlet*innen angemessen unterstützt werden können. Außerdem würde es kleine Firmen fördern, dadurch Marken als Statussymbol abschaffen und Vorurteile gegenüber Anfänger*innen und Leuten die sich Klamotten von anerkannten Herstellern nicht leisten können reduzieren.
Die anderen fürchten sich davor, dass sie durch ein Abrutschen in den Mainstream ihrer Identität beraubt werden, die sie in dieser Gegenkultur gefunden haben. Sie haben Angst davor, dass die neue Generation, die Skateboarding auf diese Weise kennenlernt, nur noch aus Parkhocker*innen und sogenannten „Kooks“ – eine Person die keine Ahnung von Skateboarding hat und sich dennoch selbst inszeniert – bestehen wird. Eine Generation, die alles in dem Sport wertend sieht und das kreative und künstlerische Wesen durch ein Punktesystem ersetzt.
So oder so wird sich die Kultur verändern. Ob man Contests bestreiten oder sich von wütenden Securitys aus Schulhöfen werfen lassen will, ist eine persönliche Entscheidung. Aber im Endeffekt ist Kultur auch nur ein Überbegriff für viele einzelne Persönlichkeiten und Skateboarding ist im Grunde auch nur ein Stück Holz mit Rollen, das man durch die Luft wirbelt.