Am 11.10. wählt Wien. Die Parteien befinden sich in einem ungewöhnlichen Wahlkampf. Plakate und Online-Sujets müssen diesmal ersetzen, was ansonsten Wahlveranstaltungen leisten. Grund genug, sich die Plakate der wahlwerbenden Parteien anzuschauen. Das kann in einem Wahljahr wie diesem nicht ganz ohne Augenzwinkern passieren.
ÖVP
Streng und ziemlich starr schaut der ÖVP-Spitzenkandidat Blümel einem heuer von den Plakaten zur Wien-Wahl entgegen und verspricht: Leistung, Integration, Sicherheit! Na gut. Sehr informativ oder kreativ ist das nicht wirklich (was für Wahl-Slogans schon irgendwie gut wäre). Und leider gibt es ja gar nicht mal so wenige Personen, die diese „Es braucht einen entschlossenen Mann, der die Sache regelt“-Nummer ansprechend finden. Wenigstens ein bisschen zu lächeln hätte aber nicht schaden können. Diese Erkenntnis und auch die Tatsache, dass Blümels Beliebtheitswerte ziemlich mau aussehen, hat sich dann wohl doch bis zu den ÖVP-Berater*innen rumgesprochen: So grinst auf neueren Plakaten Blümel nicht nur allein, sondern zusammen mit dem Kanzler höchstpersönlich. Garniert mit vagen Ansagen wie „Gemeinsam. Für Österreich. Für Wien.“, oder einfach nur noch „Jetzt. Für Wien.“. Was genau die ÖVP da in den nächsten Jahren in Wien geplant hätte, bleibt bei diesen Slogans ein Geheimnis. Programme sind aber für die ÖVP sowieso nebensächlich, denn bei vergangenen Landtagswahlen waren Zuwächse weniger konkreten Inhalten oder Spitzenkandidat*innen, sondern dem Kanzler selbst zu verdanken. So wird man mit der bewährten Devise – die Partei ist Kurz, Programme und Inhalte sowieso – auch bei der Wien-Wahl punkten.
Neos
Neos setzen bei ihren Plakaten auf junges Publikum. Helle Schrift auf neonfarbenem Hintergrund, Neos wie man sie kennt. Slogan: „Weil’s nicht wurscht ist, wenn…“. Die Partei versucht offensichtlich im linksliberalen Wählerteich zu fischen. Als einzige Partei plädieren sie auf ihren Plakaten für mehr Flüchtlingshilfe. Daneben gibt es die Neos-Evergreens: gegen Freunderlwirtschaft, für mehr Bildung und dagegen, dass der Wirt um die Ecke stirbt. Fraglich ist, inwiefern sie mit letzterer Forderung der ÖVP noch einige Wählerstimmen abzwacken können. Die Volkspartei hat sich schließlich verändert und damit auch ihre Wähler*innen. Für sie scheint Anti-Migrationspolitik wichtiger geworden zu sein als Steuersenkungen für Unternehmer*innen. Im Endeffekt nehmen die Neos mit ihrer Kampagne die übliche Mischposition zwischen konservativer Wirschafts- und progressiver Sozialpolitik ein. Zumindest aber transportieren sie auf ihren Wahlplakaten ein kleines bisschen Inhalt. Fast schon erfrischend.
Grüne
Da die Grünen zurzeit auf Bundesebene, vielleicht auch nicht ganz eigenverschuldet, nicht den gewünschten Beliebtheitsgrad erzielen, müssen sie ihr altes Rennpferd aus dem Stall holen. Innerhalb Wiens sieht die Sache nämlich schon ganz anders aus, denn dort konnten sie sich in einer funktionierenden Koalition die letzten Jahre einigermaßen durchsetzen und Ziele verwirklichen. Und deshalb setzen die Grünen auch diesmal wieder auf Wien, man sieht es an den Wahlplakaten: „Wer schafft Klimajobs, wenn nicht Wien“; „Wer schaut aufeinander, wenn nicht Wien“; „Wer schafft gesundes Klima, wenn nicht Wien.“.
Wo, wenn nicht in Wien, gibt es bei den Grünen Bewegung? Das weiß sogar der, in Umfragen sehr beliebte, Gesundheitsminister Rudolf Anschober und lächelt neben Birgit Hebein von jedem dritten Wahlplakat. „Du entscheidest die Klimawahl“ ist dann aber doch etwas weit aus dem Fenster gelehnt.
FPÖ
Auf den Zug, den die Grünen fahren wollen, will auch die FPÖ aufspringen. Was auf Bundesebene, hier eigenverschuldet, nicht funktioniert hat, muss eben jetzt auf Landesebene klappen, denn dort hatte die FPÖ unter Gudenus, mit dem HC Strache ebenfalls noch gemeinsam von den Wahlplakaten grinste, eine treue Wählerschaft. Die beiden Bruchpiloten sind letztes Jahr aber auf Ibiza notgelandet. Da die neue ÖVP – durch ihren drastischen Rechtsruck – sich der aus den Jahren Kickl-Haider stammenden Wahlsprüche bereits bemächtigte hatte, musste die FPÖ „kreativ“ werden. Die Fotocollagen des stolz grinsenden Dominik Nepp zieren nun ganz Wien. Mit dabei Bürgermeister Michael Ludwig vor türkischen Nationalflaggen, „Kein Platz für Islamisten und Fanatiker“, „SPÖ, ÖVP, Grüne: Radikaler Islam (Reimt sich nach wie vor auf ‚Daham‘)“, inklusive Dschihad-Krieger und ‚Home Sweet Home‘, der Stephansdom, der mit Halbmond statt Kreuz einer Moschee gleichen soll. Ein (schlecht gephotoshoppter) Mann vor dem AMS, der mit einer Scheibtruhe voll Geld davonspaziert, und die Worte: „Geldgeschenke für Ausländer“. Damit haben sich die Freiheitlichen bereits eine Anzeige eingefangen. Bei den Worten „Vernunft wählen“ fragt man sich dann aber doch, was Satire eigentlich alles darf.
SPÖ
„Unser Wien in besten Händen”. Unter diesem Slogan macht Michael Ludwig Wahlkampf. Die SPÖ? Nein: Michael Ludwig wird in Szene gesetzt. Vollkommen unaufgeregt kommen die Plakate daher. Im Mittelpunkt steht der Bürgermeister. Die Kampagne heißt „Ludwig 2020”. Personenkult à la Hans Peter Doskozil lässt grüßen. Die konservative Prämisse – Alles ist gut, nur weiter so – könnte in der Corona-gebeutelten Politiklandschaft unserer Tage gut funktionieren. Ludwig inszeniert sich als Papa, „der es schon richten wird”. Ähnlich wie das Peter Alexander-Stück, aus dem das Zitat stammt, soll diese Haltung aber wohl eher bei älteren Wähler*innen Anklang finden.
Titelbild zur Verfügung gestellt vom ©Institut für Graffiti-Forschung aus dem mittlerweile 30 jährigen Archiv der Wahlplakate. Zu finden unter https://www.graffitieuropa.org/wahlplakate.htm
Ich wünscht ich könnt.
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