Via Zoom erzählt uns Jean-Marc von The Last Cell aus seinem Homestudio über seine alten und neuen Werke, sich selbst, die Entstehung der Arten und vieles mehr…
Wer ist eigentlich The Last Cell?
The Last Cell ist eigentlich ein Soloprojekt, das heißt, das bin ich als Person. Ich hab mein eigenes Studio daheim und nehme sozusagen alles selbst auf. Schlagzeug ist in dem Fall jetzt programmiert, Bass nimmt mir meistens der „Flo“, Lukas Florian, auf. Dann geht das alles zum Norbert Leitner, der mixt und mastert das dann immer so, dass ich daneben sitz und wir zusammen an dem Sound arbeiten, bis ich halt zufrieden bin. (Lacht)
Und wie sieht das dann aus, wenn du live spielst, hast du da eine fixe Besetzung?
Daweil ist das a fixe Besetzung. Es ist so, dass ich den Lukas Florian hab, der spielt live Bass und der Robin Weber spielt Schlagzeug. Das funktioniert auch super. Ich geb dem dann immer die fertigen Songs, der transkribiert sich das selber, hört sich das raus, spielt das dann nach. Natürlich nicht alles zu 100 % gleich. Wär auch sinnlos und ich find das auch ziemlich cool, dass er da auch was Eigenes einbringt. Ich schreib natürlich schon anders Schlagzeug, als ein Schlagzeuger denkt, als Gitarrist der Schlagzeug programmiert, sozusagen. Ich versuch aber schon auch, dass es keine drei Händ sind, die auf einmal spielen oder so. Ich schau immer, dass das schon realistisch ist und dass man das auch spielen kann. Er macht einen wahnsinnig guten Job!
Gibt es musikalische Einflüsse, die für The Last Cell besonders maßgeblich sind?
Musik hat bei mir generell auf der Gitarrenseite angefangen. Die Faszination waren natürlich immer Gitarristen. Ganz früh hat’s angefangen mit Paul Gilbert. Ich glaub, da hat eh fast jeder, der Gitarre spielt, ab und zu mal irgendwas ausgecheckt von ihm auf Youtube. Dann irgendwann ist es Scar Symmetry geworden. Nicht so die Band, sondern wie der Per Nilsson soliert, das hat mich sehr fasziniert. Ich hab früher auch mehr auf die Solo- und Improvisations-Schiene g’schaut, wenn’s ums Gitarrespielen gegangen ist. Dann mit der Zeit natürlich Plini, Intervals, David Maxim Micic und Jakub Zytecki. Wahnsinnig arge Dudes. Ich würd schon sagen, das beeinflusst mich, weil ich das ja viel hör, Periphery war auch dabei, aber natürlich auch Jazz, was ich durchs Studium halt so mitbekommen hab. Früher war ich eigentlich nicht so der Fan, aber es ist auf jeden Fall was hängengeblieben. Ich würd sagen ein Misch-Masch aus allem führt dann dazu, dass der Sound geshaped wird, den ich mach.
Unter deinen älteren Songs findet man Titel wie „Ebb and Flow“ und „Cascade“, die man als Prog-Nerd natürlich gleich mit bestimmten Bands verbindet. Ist das Zufall, oder sind das quasi Hommagen an diese?
Na, das war echt Zufall. (Lacht) Meine EPs, an der dritten arbeite ich jetzt gerade, verfolgen ein Konzept. Das ist immer auf die Elemente aufgeteilt. Das erste war Wasser, das zweite war Erde, das dritte wird Luft und das vierte wird Feuer sein. Wasser ist mehr oder weniger Ursprung allen Lebens, wenn man an Science glaubt zumindest. (Lacht) Im Ozean hat sich DNA geformt. Ich studiere auch Medizin, deswegen hat mich das auch in der Hinsicht sehr interessiert und da hab ich mehr oder weniger alles zusammgehaut, was ich so mach. Die erste EP heißt Nautilus und das ist sozusagen der Protagonist der EP, um den es sich dann dreht, wie sich die Welt entwickelt hat und wie sich dann dadurch Lebewesen wie Nautilus entwickelt haben und dann, wie er ganz zum Schluss, beim letzten Song „Ocean floor“ stirbt und auf den Ozeanboden zurückfällt.
Du hast zwar dazu ein kurzes Video auf Youtube und jetzt auch schon ein bisschen was dazu gesagt. Könntest du uns trotzdem nochmal kurz deinen Werdegang erzählen?
2009/2010 bin ich nach Wien gekommen, um Musik zu studieren. Hab da aber ein bissl Angst g’habt, ob ich da auch davon leben kann und hab dann angefangen mit Medizin. Ich hab dann kurz aufgehört mit Musik, dann aber durch das Medizinstudium immer wieder gemerkt: Mir geht’s voll ab! Und ich hab irgendwie das Gefühl gehabt, das is doch das, was ich machen muss, machen will. Ich mach schon so lang Musik und hab noch nicht einmal a einzige EP oder a einziges Projekt von mir aufg’nommen, das hat ma bissl Stress g’macht. Dann hab ich mir gedacht: „Ok, ich hätt gern was, das ich meins nennen kann und net nur das ständige Solieren und üben und immer nudeln daham.“ Was ma, find i, grad als Gitarrist leider viel macht. Ich wollte ein Projekt haben, wo ich nix erfüllen muss, sondern einfach nur mein eigenes Ding machen kann. Da muss i mit niemandem streiten, das ist wirklich a Welt nach meiner Vorstellung geshaped. So hat das dann alles mehr oder weniger angefangen, 2018 mit der ersten EP und dann 2019 mit der zweiten und heuer kommt jetzt die dritte und ein paar Singles dazwischen noch released, immer als Überbrückung.
Wie soll’s weitergehen mit dem Projekt? Wie siehst du The Last Cell in einem Jahr und wie stellst du’s dir in 10 Jahren vor?
Die jetzige Situation macht den Plan natürlich a bissl schwierig. Aber eigentlich hab ich schon geplant gehabt im nächsten Jahr viel live zu spielen. Wir haben ja mit Their Dogs Were Astronauts – eine befreundete Band, mit der wir ziemlich gern live spielen, weil das auch sehr gut passt, aber trotzdem was anderes ist – auch a Deutschlandtour geplant. Das ist jetzt halt alles ins Wasser gefallen. Solche Sache wären für mich sehr wichtig: Viel live spielen! Ich will den Zyklus irgendwann dann auch mal beendet haben, also die vier EPs. Es ist natürlich super naiv, aber ich würd schon gern The Last Cell zu sowas Großem aufbauen, sodass ich dem mein ganzes Leben widmen kann, dass ich keine Side-Jobs mehr brauch, dass sich wirklich jede Entscheidung in meinem Leben darum dreht. Ich will auch nicht nur Gitarrist sein, ich will mehr machen. Das wäre mir sehr, sehr wichtig und daran arbeite ich auch. Ich glaub, wenn man täglich weiter macht, dann wird das schon. Irgendwo musst naiv sein, oder?
Deine letzte EP heißt Continential Drift. Kannst du uns etwas über den Entstehungsprozess erzählen?
Ich merke, dass sich der Ansatz von EP zu EP ein bissi geändert hat. Bei der ersten fühlt man sich a bissi exposed und fragt sich: „Taugt das überhaupt was, kann ich das überhaupt?“ Da waren viel mehr Zweifel, ob aus einer Idee ein Song entstehen kann. Bei Continential Drift war das schon anders. Ich hab mir bewiesen: Ok, es geht. Und dann bin i mit weniger Sorgen an das Ganze ran’gangen und mit weniger Stress. Meistens is es so: Ich üb gern sehr technisch bezogene Sachen, weil’s mir halt Spaß macht. Oder ich check mir irgendwas Neues aus und dadurch entsteht dann relativ schnell a neue Idee. Meistens unter der Dusch‘, da hab ich die besten Ideen. Ich lass das Wasser einfach laufen und zone einfach weg. Von der ersten Idee fangt’s dann an zu wachsen. Aber was i nie dua, ist, dass ich schau, wie ich zwei Teile zam krieg. Ich will, dass das echt immer organisch is. Auch wenn man das jetzt vielleicht nicht meint, weil sich’s für viele Leute schon sehr chaotisch anhört. Aber für mich fließt das eine schon ins andere immer eini. Das is für mi so wie mein Gemütszustand, der kann sehr schnell wechseln.
Ich bin ein sehr sensibler Typ und das is mei Musik irgendwie a: Es kann schön sein und auf einmal passiert irgend eine andere Stimmungslage.
Du hast Anfang April eine neue Single, Leap, rausgebracht. Da hört man auch unterschiedliche Teile und eine Entwicklung. Am Anfang steht ein ziemlich cooles, euphorisches Riff. Dann kommt ein Brakedown-Teil und ab dann geht’s mehr in eine düstere Stimmung. Wie war der Songwriting Prozess da?
Das Lied ist das praktische Beispiel für die Songs, die wirklich mit der ersten Idee gestartet haben und dann hat’s sich nach vorne entwickelt. Das allererste Riff was ma hört, war wirklich die erste Idee. Da war’s für mich so, dass grad die Art und Weise wie es klingt, irgendwie aufregend ist, so als würdest du auf a klane Reise gehen. Ich wollt, dass das für sich alleine stehen bleibt. Bei„Leap“ geht’s genau darum, dass du aus deiner Comfort-Zone herausmusst – deshalb auch das Artwork-Cover mit dem Vogel drauf. Am Anfand ist es immer – deswegen die Melodie am Anfang – spannend. Du denkst dir: „Wow, i werd was erleben und das is cool“. Die Idee ist einzeln da, du hast kein Arrangement dahinter und du denkst dir:„Das werd ich jetzt machen, ich werd jetzt anfangen zu klettern“ oder „Ich werd‘ ein neues Studium angehen“ oder was auch immer. Sobald du dich damit auseinand setzt, kommen schon die ersten Struggles und du merkst: Fuck, des is gar net so easy. Du hast in dem ganzen Prozess – also angefangen von der Idee bis zu dem Punkt, wo du’s dann gemastert hast, der im Endefekt nie kommt, immer Ups und Downs. Bei „Leap“ is ja am Ende das Gitarrensolo, das zeigen soll, dass ma des dann g’schafft hat und sich denkt, man hat das Hindernis überwunden. Dann, wenn alles ausklingt, kommt wieder ein Riff so langsam, es schleicht sich wieder an. Weil’s eben nie aufhört. Weil’s nie aufhört! Egal was du machst, du hast immer jemanden, der’s viel besser macht als du. Manchmal haut’s einen a bissl zam, aber die meiste Zeit inspiriert’s a. Darum geht’s a bissl in dem Song.
„Leap“ ist die erste Single deiner nächsten gleichnamigen EP. Was kannst du uns darüber schon jetzt erzählen?
Die EP wird fünf Songs beinhalten. Sie ist wieder a bissl anders als „Continential Drift“ und „Nautilus“. Ich will, dass die EPs für sich selber immer a klane Welt san. „Leap“ wird auf jeden Fall von der Thematik her die persönlichste sein. In der ersten hab ich die Weltentstehung und die Entstehung von Lebewesen beschrieben und in „Continential Drift“ geht’s darum, wie sich die Natur shaped, ob wir das jetzt wollen oder nicht – wir müssen uns dem anpassen. Und das sieht man am meisten in der Natur, weil wir halt doch a ziemlich oage Force san. Meine dritte EP ist jetzt mein persönliches Ding: was i jetzt in dem ganzen Konzept bin oder wo’s hinführt. Die Bedeutung kommt lustigerweise immer erst im Nachhinein. Aber es fügt sich immer.
Gibt es schon einen Release Termin für die EP?
Na. Ich wollt’s natürlich schon um einiges früher releasen, aber ich kann jetzt nicht mehr zum Arbeiten ins Studio gehen. Wir werden zwar natürlich online arbeiten, aber es is trotzdem nicht das Gleiche, wenn i‘ net daneben sitz. Deshalb müssen sich die Leut, die fünf, die drauf warten leider a bissl gedulden. (Lacht)
Die Zeiten sind im Moment schwierig für Kunstschaffende. Wie kann man dich unterstützen?
Spread the word! Also, wenn’s jemandem g’fallt, dann ist’s immer gut, wenn man sich das auch anhört, wenn man das Freunden, schickt. Das is klar. Wenn man mich finanziell unterstützen will – das ist natürlich noch besser – dann ist’s am besten, wenn ma auf mei Bandcamp Seit’n geht und die Songs kauft. Sowas hilft mir natürlich am meisten. Da kann man auch selbst auswählen, wie viel man für die Songs zahlen möcht‘, was, find ich, super für sehr viele Musikschaffende da draußen is‘, wo ma sagt: „Hey, das will ich unterstützen, dass das weitergeht“.
Ich unterrichte ja selbst auch sehr viel. Privat jetzt natürlich nicht, nur noch über Skype. Aber jetzt hab ich viel Zeit für Skype-Schüler. Ich mach auch so Sachen wie Guest-Solos, wo ich auch schon ein paar mal g’fragt worden bin. Wo man natürlich auch, für an kleinen Preis (lacht) sozusagen, a Solo von mir kriegt.
Gitarre- und Tonmeister-Studium.
Band-member of Full Of Thoughts.
Teilzeit Physikstudent.
Teilzeit politisch aktiv.
Nie wirklich Zeit für die Teilzeit-Aktivitäten...