Vienna Rest In Peace – Amazing EP (trauerplatten, 2019)
Jangle Pop / Post-Punk / Trauerpop | Österreich
Pünktlich zu Allerheiligen und Nebelzeit veröffentlicht das Sextett Vienna Rest In Peace, nachdem die selbstbetitelte Debütplatte bereits zwei Jahre zurückliegt, ihre erste EP. Drei Titel finden sich auf Amazing EP, ein diametrales Gegensatzpaar von jugendlichem Umbruch und adoleszenter Unruhe, sowie ein Nick Cave-Cover. Wir sind bereit zu weinen.
Mit Besenstielen aufgespreizte Türen
Titelgebender Track ,,Wer amazing sagt, muss sterben‘‘ kommt musikalisch auf den ersten Blick trügerisch fröhlich daher. Die zunächst munter dahinjanglende Gitarren verweilt jedoch bereits knapp zur Songhälfte zu einem nachdenklich-melancholisch Solo. Und gleich danach stürzt alle Wohligkeit wie ein Kartenhaus ein, plötzlich fällt erstmals auf, wie konsequent und unvermeidbar sich die flotten Post-Punk Drums durch den Song ziehen, zwar von Anfang an weg, jedoch besonders an dieser Stelle hervorstechend. Es steuert aufs Ende zu, ohne Unterlass, diese Unvermeidbarkeit ist Programm. ,,Das reicht mir schon.‘‘ Als Ode an verlorene Jugendzeiten, letzte Sommertage, Umbruchstimmung und bevorstehende Änderung, An-der-Schwelle-stehen. Sommer und Ferienzeit sind vorbei, die Kindheit verwelkt, jetzt beginnt das Schwinden und die unausweichliche Reife. ,,Und sehe endlich ein, wie schön das ist.‘‘ Wagt man einen Blick auf das Cover, drei Liegestühle, denen zwei recht ungemütlich aussehende Sessel gegenüberstehen, verstärkt sich dieser Gegensatz noch weiter. Tausche Liege gegen Langeweile und geheizte Stuben an kalten Herbsttagen.
Jetzt kommt die Nacht
Der Text ist Programm. ,,Wer schießt auf meine Jugend‘‘ beginnt als langsamer Lamourhatscher-Pianoballade, rasch gefolgt von versetzt startender Rhythmus-Sektion und E-Gitarren-Unterstützung (welche besonders in der finalen Bridge vor Songende zur Geltung kommt). Die Melancholie ist von Anfang an musikalisch greifbar, vorbei ist die Zeit der Unschuld und Sorglosigkeit. Ein mit sich haderndes Lyrisches Ich blickt auf seine vergangenen Erfolge und Fortschritte zurück – die nicht unbedingt alle wünschenswert oder bereits weit zurückliegend erscheinen, besonders im Hinblick auf seine aktuelle Situation. ,,Gibt es denn keinen Platz, an dem für mich die Sonne scheint?‘‘ wird ernüchtert festgestellt. Der metaphorische Konflikt ist unausweichbar, gegen sich selbst und gegen alle anderen. ,,Ich suche Frieden, doch es findet mich der Krieg.‘‘ In eine ungewisse Zukunft blickend entlassen uns die letzten Takte des Titels.
Wie ein Echo weinen sie zurück – Auf Caves Spuren
Die etwas gitarrenlastigere und flottere Neuinterpretation von Nick Caves ,,The Weeping Song‘‘ hätte sich wohl kaum eine passendere Cover-Band aussuchen können. Das Eindeutschen bekannter englischer Titel ist normalerweise im Schlagerbereich Usus – nun also auch im Trauerpop. Wahnsinn, wie gut das hier (im Gegensatz zu diversen Schlagernummern) funktioniert. Auch wenn das bereits ein müder Vergleich sein mag, Vienna Rest In Peace steht ihren deutschen Dichterkollegen Element Of Crime in puncto Text wahrlich in nichts nach, selbst wenn es um eine Übersetzung des großen Textermeisters Cave geht. Der mehrstimmige Refrain funktioniert so hervorragend, dass er beim erneuten Durchhören des Originals eine Lücke zurücklässt. Bis man bemerkt, dass man gerade Blixa Bargeld lauscht, und dennoch in Gedanken bei Vienna Rest In Peace ist. Hut ab vor dieser Leistung
Um hinter die Kulissen von Vienna Rest In Peace (und Kreisky!) zu blicken, bitte hier entlang. Und wer die amazing Songs dieser EP live hören möchte, möge sich rechtzeitig Tickets für Vienna Rest In Peace – 30.11.2019 – Radiokulturhaus Wien sichern!
Favorite tracks: Wer amazing sagt, muss sterben; Sag wer ist das der auf meine Jugend schießt; Das Weinelied
Least favorite tracks: –
9/10